Am Wochenende vom 6. bis 8. Mai hieß es im nordhessischen Örtchen Helmarshausen: Hört die Signale! Nach mehr als zwei Jahren Pandemie war es endlich soweit. Fernab von Zoom und Bildschirm kamen ein ganzes Wochenende rund 70 SAV- und ROSA-Aktivist*innen zusammen um über feministisch-sozialistische Alternativen und Strategien gegen Sexismus, Krieg, Klimakrise und Kapitalismus zu diskutieren.
Angesichts des schrecklichen Krieges in der Ukraine und der weltweiten Aufrüstung, zog sich die Frage des Krieges durch viele Veranstaltungen – von Imperialismustheorie über Rosa Luxemburgs Kampf gegen den Krieg bis hin zum Zusammenhang zwischen Klimakrise und Krieg. Bereits beim Auftakt „Grenzenlose Solidarität statt Aufrüstung und Krieg“, wurde diskutiert wie eine Alternative zu Waffenlieferungen aussehen kann und wie wir eine internationale Klassenposition einnehmen können. Anders als Putin oder NATO – denen es um geostrategischen Einfluss, Handelsrouten, Rohstoffe und Märkte geht – fragen wir uns, wie die Arbeiter*innenklasse in der Ukraine, Russland und weltweit das Zepter der Geschichte für ein Ende des Krieges und der Unterdrückung in die Hand nehmen kann.
Doreen aus Aachen betonte in ihrer Einleitung, dass es auch Sonnenstrahlen in diesen Tagen gibt: „Ob die Sabotageaktionen der Eisenbahner*innen in Belarus oder die Solidarität mit ukrainischen Flüchtlingen auch hier in Deutschland“. Anne aus Kassel gab weitere Beispiele von Antikriegs-Protesten und Aktionen wie die Weigerung schwedischer und niederländischer Hafenarbeiter*innen russische Ölfrachter zu entladen oder kleinere Antikriegsaktionen in Russland, die trotz der großen Gefahren für die Aktivist*innen weiterhin geplant werden.
Sarah aus Wien erinnerte daran, dass die vergangenen Monate und Jahre weltweit geprägt waren von massenhaften Bewegungen und Kämpfen der Arbeiter*innenklasse. Bewegungen, die weder von Repression noch von der Pandemie nachhaltig gestoppt werden konnten. Kämpfe, die teilweise enorme Erfolge erringen konnten – wie der erfolgreiche Kampf um das Abtreibungsrecht in Argentinien – oder sogar einen revolutionären Charakter hatten – wie im Sudan, Myanmar, Belarus.
Die Diskussion über Klimakrise und Krieg war einerseits vom Erfahrungsaustausch geprägt, wie aktuell Antikriegsproteste mit den Forderungen der Klimabewegung verbunden werden können und wie wir langfristig sozialistische, klassenbewusste Positionen in die Klimabewegung einbringen. Aktivist*innen berichteten von ihren Aktivitäten bei FFF, Demonstration usw. vor Ort. Betont wurde aber vor allem auch die Notwendigkeit Arbeiter*innenbewegung, Gewerkschaften und Klimabewegung zusammenzubringen.
Die sozialen Folgen des Krieges, allen voran die massive Inflation, werden immer spürbarer. Eine der Veranstaltungen widmete sich deshalb der Frage wie Kämpfe gegen Inflation erfolgreich geführt werden können: „Wenn das, was überbleibt, nicht mehr für den Urlaub, sondern für die kommende Gas und Stromrechnung zurückgelegt werden muss. Wenn Ausflüge mit den Kids nicht mehr drin sind, weil der Rest so teuer geworden ist. Dann wird die Frage kommen: warum können Milliardäre sich ins All schießen, einfach aus Langeweile, warum gibt es aber nicht mehr Lohn?“
Auch in Deutschland bröckelt der Burgfrieden: Aktivist*innen aus NRW berichteten, dass es an sechs Unikliniken Streiks für Entlastung, bessere Ausbildungsbedingungen und eine Personalbemessung gibt. Gleichzeitig streiken die Sozial- und Erziehungsdienste für Aufwertung und gute Arbeitsbedingungen. Der Großteil der Streikenden sind Frauen, die auch in anderen Bewegungen der letzten Jahre häufig in der ersten Reihe standen.
ROSA und der Kampf gegen Sexismus
Mit ROSA gibt es seit gut einem Jahr endlich auch in Deutschland eine Initiative, die sozialistisch-feministische Ideen in die Bewegungen trägt und diese mit aufbaut. Das Wochenende war die erste Gelegenheit endlich in „real life“ bundesweit Themen zu vertiefen und sich kennenzulernen: Was genau ist sozialistischer Feminismus? Wieso ist unser Feminismus queerinklusiv? Was für eine Rolle spielen Männer im Kampf gegen Sexismus? Was erleben Frauen auf der Flucht?
Für viele war der Workshop zum Thema sozialistischer Feminismus und queer ein Highlight. Douglas erklärte in seinem Referat was Geschlecht, trans und queer überhaupt bedeuten und wieso der feministische und queere Befreiungskampf weder voneinander, noch vom gemeinsamen Klassenkampf für eine sozialistische Gesellschaft getrennt werden können.
Nur wenige Tage vor Beginn des Wochenendes war durch einen geleakten Urteilsentwurf bekannt geworden, dass der Oberste Gerichtshof in den USA einen historischen Angriff auf Abtreibungsrechte plant. Das 1973 durch Massenbewegungen erkämpfte Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ – welches das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche garantiert – soll gekippt werden. In 26 Bundesstaaten wären Abtreibungen sofort weitgehend verboten. Die Teilnehmenden entschlossen sich spontan ein Solifoto zu organisieren. Im Workshop „Aktionsideen gegen Sexismus“ wurde außerdem geplant, Aktionen am 14.5. – parallel zum bundesweiten Aktionstag in den USA – durchzuführen. In Solidarität mit den Protesten und um deutlich zu machen, dass wir weltweit Abtreibungsrechte erkämpfen und verteidigen müssen. So hat das Wochenende die Teilnehmenden nicht nur inhaltlich auf zukünftige Bewegungen und Fragen vorbereitet, sondern auch ganz praktisch.
Das Motto „Eine Welt zu gewinnen“ ist keine hohle Phrase. Gäste aus Belgien, Österreich, Israel und den USA haben von ihren Erfahrungen und Kämpfen berichtet und damit die Diskussionen sehr bereichert. Eine Welt zu gewinnen, das nimmt auch Bezug auf den Abschluss des Kommunistischen Manifests von Marx und Engels. Die beiden bringen die Aufgaben, vor denen die internationale Arbeiter*innenklasse auch heute noch steht, auf den Punkt:
„Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier dieser Welt haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“
Karl Marx & Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei (1848)