Menschenhandel und Frauenunterdrückung in China: der Fall „Xiaohuamei“

Im Januar erregte ein Video in chinesischen sozialen Medien mehr Aufmerksamkeit als die zeitgleich stattfinden olympischen Winterspiele. Es zeigte eine am Hals angekettete Frau in einem kalten Schuppen ohne Tür auf dem Land in der Provinz Jiangsu.

Von Thies Wilkening, Hamburg; basierend auf Material von chinaworker.info (ISA in China)

Die Frau, die unter dem Namen „Xiaohuamei“ bekannt wurde, wurde laut offiziellen Berichten 1998 aus ihrem Heimatdorf entführt und als „Ehefrau“ nacheinander an mindestens drei Männer verkauft. Von ihrem letzten „Ehemann“ hat sie acht Kinder. Er hat das Video offenbar selbst veröffentlicht, um als „alleinerziehender Vater von acht Kindern“ Spenden für seinen Lebensunterhalt zu sammeln. 

Nach einem öffentlichen Aufschrei, den die staatliche Internetzensur trotz Versuchen, das Video zu löschen, nicht verhindern konnte, war die Verwaltung des Landkreises Feng gezwungen, Stellung zu nehmen. In den ersten drei Statements hieß es noch, es gäbe keinen Menschenhandel, „Xiaohuamei“ habe den Mann freiwillig geheiratet, er sei ein „vorbildlicher Vater“. Erst nach drei Wochen gaben die Behörden zu, dass „Xiaohuamei“ als Sklavin gehalten wurde, brachten sie in ein Krankenhaus und verhafteten den Mann und mehrere andere Beteiligte. Zuvor hatte es Aufrufe und mit Videos dokumentierte Versuche von Feminist*innen gegeben, „Xiaohuamei“ zu befreien. Am 21. Februar hatte daher die Polizei das ganze Dorf mit Straßensperren abgeriegelt, Aktivist*innen wurden verhaftet und mit Aufenthaltsverboten belegt.

Die Stadt Xuzhou, zu der der Landkreis Feng gehört, gilt als Knotenpunkt des Frauenhandels. Laut dem chinesischen Investigativmedium Caixin wurden allein von 1985 bis 1988 5000 entführte Frauen in der Region verkauft. Heute gibt es trotz gelegentlicher Polizeirazzien gegen Menschenhändler*innen landesweit über 20.000 Anzeigen wegen Menschenhandel pro Jahr. Laut einer Studie der Akademie für Sozialwissenschaften Zhejiang von 2005 stammen die meisten Opfer aus dem armen Südwesten Chinas und werden in wohlhabende Provinzen verkauft, wo der Frauenanteil an der Bevölkerung besonders gering ist.

Selektive Abtreibungen

Der geringe Frauenanteil ist die Folge selektiver Abtreibungen im Zusammenhang mit der 2016 abgeschafften „Ein-Kind-Politik“. Seit 1980 wurden in China 30 Millionen mehr Jungen als Mädchen geboren, auch weil sich Eltern in Folge patriarchaler Traditionen als einziges erlaubtes Kind einen Jungen wünschten. Die patriarchale Tradition verlangt auch, dass der Sohn heiratet und damit die Familie fortsetzt. In ländlichen Regionen versuchen Eltern, die befürchten, dass ihr erwachsener Sohn keine Ehefrau findet, oft, eine Frau zu „kaufen“, so auch im Fall von „Xiaohuamei“. Der Kauf von „Ehefrauen“ ist seit 1997 strafbar, ist aber auf dem Land oftmals sozial akzeptiert und wird von örtlichen Behörden toleriert . So wurde „Xiaohuamei“ trotz des Verbots eine amtliche Heiratsurkunde ausgestellt.

Die Restauration des Kapitalismus hat auf dem Land zu enormen sozialen Verwerfungen geführt. Die Einkommen sind wesentlich geringer als in den Städten, viele Landbewohner*innen leben in Armut. Das System der staatlichen Wohnsitzkontrolle (Hukou) macht es ihnen sehr schwer, in die Städte zu ziehen. Für viele junge Frauen ist der einzige Weg, aus ihren Dörfern zu entkommen, einen Mann mit Stadt-Hukou zu heiraten. Anstatt Sexismus und Patriarchat zu bekämpfen, verfolgt die KPCh Feminist*innen, behält das Hukou-System bei und toleriert Frauenhandel. Als Reaktion auf den demographischen Wandel propagiert das Regime patriarchale Rollenbilder und fordert von Frauen, mehr Kinder zu bekommen.

Als Reaktion auf die Proteste wurden die Behörden verpflichtet, jeden Verdacht auf Menschenhandel zu melden. Auch wenn das zu einer konsequenten Durchsetzung des Verbots führen sollte, werden Frauenhandel und extreme Formen sexistischer Unterdrückung nicht verschwinden, solange Kapitalismus und Patriarchat und die riesige Ungleichheit zwischen Stadt- und Landbevölkerung nicht überwunden werden.

Foto durch sammisreachers