100 Tage hatte die NRW-Landesregierung bzw. der Arbeitgeberverband Zeit, in Verhandlungen für mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen und gute Ausbildung einzutreten. Nichts ist passiert. Die Beschäftigten der sechs Unikliniken haben mit dem Erzwingungsstreik begonnen. Bei der Urabstimmung haben überwältigende 98,31% der ver.di-Mitglieder für den Streik gestimmt.
Die Wut ist groß darüber, dass das Ultimatum verstrichen ist und nicht einmal ein Angebot kam. Selbst bei den Notdienstvereinbarungen machen die Arbeitgeber Probleme. Für die Kliniken in Bonn, Köln und Münster wurden die vereinbart, aber für Essen und Düsseldorf wird noch verhandelt, die Leitung der Uniklinik Aachen weigert sich kategorisch.
„Der Normalzustand gefährdet die Patient*innen, nicht der Streik.“
Außer Klatschen nichts gewesen. Die Arbeitssituation war schon vor der Pandemie bescheiden, höflich ausgedrückt. Größtes Problem in allen Bereichen ist das fehlende Personal. Die Kliniken in NRW sind chronisch unterfinanziert. Die Leidtragenden sind die Patient*innen und Beschäftigten. Keine Pausen, aus der Freizeit in den Dienst geholt, Massen an Überstunden und immer das schlechte Gefühl, den Patient*innen nicht gerecht werden zu können. „Dieser Beruf macht krank“, so eine Kollegin der Uni-Klinik Bonn. Es bleibt keine Zeit für ressourcenfördernde Pflege, stattdessen hasten Kolleg*innen von Notfall zu Notfall, können sich teilweise aus Personal- und damit Zeitmangel nicht einmal mehr zu einem sterbenden Menschen ans Bett setzen.
Beim geforderten Tarifvertrag Entlastung geht es um drei wesentliche Punkte. Zum einen eine Mindestpersonalausstattung, die konkrete Festlegung, wie viel Personal auf den Stationen vorhanden sein muss. Außerdem einen Belastungsausgleich, der bei Unterbesetzung greifen soll. Immer dann, wenn es nicht ausreichend Personal auf Station gibt, soll es dafür einen Freizeitausgleich geben. Und zum Dritten soll sich die Situation für Azubis verbessern. Jede*r vierte Auszubildende verlässt den Beruf bereits vor dem Ende der Ausbildung. Aufgrund der Arbeitsbelastung erwägen 40% der Pflegebeschäftigten, den Beruf aufzugeben.
Tarifverträge zur Entlastung und zu besseren Arbeitsbedingungen gibt es bereits an 16 Kliniken bundesweit. 2021 haben die Berliner Beschäftigten von Charité und Vivantes nach langem Arbeitskampf einen solchen Tarifvertrag erstritten. Für den Erfolg des Kampfes waren die Debatte mit allen Kolleg*innen auf den Stationen und eine ständige Rückkopplung bei den Verhandlungen zentral. Der Grundsatz: Kein Abschluss ohne konkrete Beteiligung der Basis.
Unikliniken und Kitas – gemeinsam kämpfen
Der Slogan „Wir für euch – Ihr für uns!“ passt wunderbar, denn er macht deutlich, dass die Arbeit der Kolleg*innen in den Kliniken wichtig für die ganze Gesellschaft ist. Das betrifft nicht nur die Pflege, sondern viele unterfinanzierte Bereiche, in denen sich Menschen um Menschen kümmern.
Der Beginn des mehrtägigen Streiks am 4. Mai fällt zusammen mit einer Streikwoche in den Kitas und dem Sozial- und Erziehungsdienst, bei der es auch um qualitative Verbesserungen der Arbeit geht. Dass eine im Rahmen des Streiks am Uniklinikum geplante Demo in Essen bei ihrer Abschlusskundgebung auch mit Beschäftigten aus dem Sozial- und Erziehungsdienst zusammentreffen wird, zeigt das Potenzial für die Vernetzung von Arbeitskämpfen. Ebenso wie das Ultimatum der Klinikbewegung in NRW ignoriert wurde, hat es auch in der SuE-Tarifrunde keine Angebote der Arbeitgeber gegeben, die auch nur ansatzweise der steigenden Belastung in diesen Berufen entsprechen oder eine Aufwertung der sozialen Berufe bedeutet.
In beiden Tarifrunden geht es um grundsätzliche Fragen, wie die Gesellschaft mit Personen umgeht, die Hilfe oder Betreuung und Anleitung brauchen. Es geht darum, nicht die Profite in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die Menschen. Wir brauchen mehr Personal, mehr öffentliche Gelder für Gesundheit und Bildung. Die Kolleg*innen in diesen Bereichen brauchen eine deutlich bessere Bezahlung, grundlegend und aktuell angesichts der Preissteigerung. Die Kolleg*innen brauchen kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich, damit der Beruf nicht krank macht.
Das Geld dafür ist vorhanden. Gerade während der Pandemie sind die Reichen immer reicher geworden, Das Vermögen der zehn reichsten Personen bundesweit hat sich zwischen März 2020 und November 2021 von 144 auf 256 Milliarden Euro erhöht. 100 Milliarden Euro sollen auf einmal für neue Panzer, Raketen und Flugzeuge ausgegeben werden, aber uns wurde jahrelang erzählt, die Gelder für bessere Pflege und Bildung seien nicht vorhanden.
Um diese Kämpfe erfolgreich zu führen, ist eine breite Solidaritätsbewegung nötig. Alle Bereiche von ver.di und alle Gewerkschaften sollten für die Unterstützung der Kolleg*innen der Unikliniken und des Sozial- und Erziehungsdienstes mobilisiert werden.
Über diese konkreten Forderungen der Tarifrunde hinaus setzen wir uns ein für:
- 500 Euro mehr im Monat für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich
- Finanzierung des Gesundheitswesens nach Bedarf – Weg mit den Fallkostenpauschalen (DRG).
- „Mehr von uns ist besser für alle” – Bedarfsgerechte gesetzliche Personalbemessung für alle Bereiche in Krankenhaus und Altenpflege
- Gesundheitswesen in öffentliche Hand – Rekommunalisierung der Krankenhäuser, Pharmaindustrie unter demokratischer Kontrolle in öffentliches Eigentum überführen, Keine Schließung von Krankenhäusern.
- Nein zur Zwei-Klassen-Medizin – Abschaffung der privaten Krankenversicherung und Zusammenführung aller Kassen zu einer einzigen öffentlichen Krankenkasse unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch Beschäftigte, Gewerkschaften, Patientenvertreter*innen und die öffentliche Hand.
Hier findet ihr auch Informationen, wie ihr den Kampf in den Unikliniken unterstützen könnt:
#wirfüreuchihrfüruns Hashtag auf Social Media
Die Website von Notruf Entlastung NRW:
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