Nach der dritten Verhandlungsrunde im Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) hat ver.di für die rund 330.000 Kolleg*innen ein Ergebnis verhandelt. Hauptbestandteile sind die Einführung von zwei Entlastungstagen inklusive Option zur Umwandlung von Entgeltbestandteilen in zwei weitere Entlastungstage und monatliche Zulagen von 130 Euro für Beschäftigte in Kitas und 180 Euro für Sozialarbeiter*innen. Echte, qualitative Schritte nach vorne zur Aufwertung und Entlastung der SuE-Berufe blieben aus, die Enttäuschung ist bei vielen Kolleg*innen groß.
Von Linda Fischer, Hamburg
ver.di hatte, mit Ausnahme des 8. März, zunächst auf vereinzelte Streikaktionen gesetzt und einen Schwerpunkt auf sogenannte Arbeitsstreiks gelegt, in denen einzelne streikende Kolleg*innen in die Einrichtungen gehen, um über die Tarifrunde zu informieren. Von Beginn an war der Tenor seitens der ver.di-Führung: Einen wochenlangen Streik wie 2015 wird es nicht geben. Die VKA (Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände) reagierte mit einer absoluten Blockadehaltung in den ersten beiden Verhandlungsrunden.
Nach zwei Jahren Pandemie und mit dem enttäuschenden Ergebnis von 2015 in den Knochen berichteten auch aktive Kolleg*innen, dass die Streikbereitschaft in den Betrieben erst wieder aufgebaut werden musste. Die insgesamt moderaten Forderungen von ver.di machten es nicht leichter, Kolleg*innen zum Streiken zu motivieren. Dennoch zeigte sich auch in dieser Tarifrunde: Dynamik entsteht im Kampf. In der Woche vor der dritten Verhandlungsrunde waren bundesweit 45.000 Kolleg*innen im Streik.
Es wäre mehr drin gewesen, wenn ver.di und der DGB als Ganzes mehr Ressourcen in den Aufbau einer breiten gesellschaftlichen Öffentlichkeits- und Solidaritätskampagne gesteckt hätten, denn die Pandemie hat das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Systemrelevanz sozialer und erzieherischer Berufe erhöht. Eine bewusste Strategie, die SuE-Tarifrunde mit den Streiks in den Unikliniken in NRW zu verbinden, hätte die Kampfkraft und Motivation erhöht und die Heuchelei seitens Politik und Arbeitgebern offengelegt.
Zulagen = Aufwertung?
Die verhandelten Zulagen in Höhe von 130 Euro bzw. 180 Euro stellen finanziell eine kleine Verbesserung dar. Doch deren Anpassung muss in jeder künftigen Gehaltstarifrunde mit erkämpft werden, die Zulagen sind nicht dynamisiert und nicht tabellenwirksam, obwohl es hier um einen Bestandteil des monatlichen Gehalts geht. Eine echte Aufwertung des Erzieher*innenberufs – also die geforderte höhere Regel-Eingruppierung – wurde durch die Zulagen abgeblockt. Zwar kommen durch die Erweiterung der Merkmale voraussichtlich mehr Kolleg*innen in die höhere Entgeltgruppe 8b, doch dies muss für jeden Fall einzeln festgestellt werden, kann sich je nach Zusammensetzung der Kita-Gruppe ändern und beinhaltet Spaltungspotential.
Auch die für den Kita-Alltag so wichtigen Kinderpfleger*innen werden nicht generell in EG S4 höher eingruppiert, ebensowenig wie die Sozialassistent*innen, sondern nur, wenn sie „schwierige fachliche Tätigkeiten“ ausüben. Insgesamt führen diese Maßnahmen zur Schwächung allgemein verbindlicher Regelungen und damit zum Ausfransen des Flächentarifvertrags.
Entlastung durch Entlastungstage?
Entlastung war eines der Hauptthemen in der Tarifrunde, da der Arbeitsalltag vieler Kolleg*innen sie in den Burnout treibt. Die durchgesetzten Entlastungstage wirken wie zwei zusätzliche Urlaubstage. Angesichts des massiven Personalmangels befürchten viele Kolleg*innen zu Recht, dass die Umsetzung letztlich zu mehr Personalausfall statt zur Entlastung beiträgt.
Die ursprüngliche Forderung von ver.di lautete: „Einführung von Entlastungstagen durch ein Konsequenzenmanagement“. Das Konsequenzenmanagement macht dabei den entscheidenden Unterschied. Es bedeutet, dass Verstöße gegen Vereinbarungen (wie etwa Personalquoten) einklagbare Konsequenzen für die Arbeitgeber haben und sofort bestraft werden. Im Rahmen eines Konsequenzenmanagements können Entlastungstage ein Baustein sein. Ohne bedeuten sie maximal eine kurze Verschnaufpause für die einzelnen Kolleg*innen.
Viele Kolleg*innen sind angesichts dieses Ergebnisses stark gefrustet. Ein echter Aufwertungsschritt wurde um weitere fünf Jahre verschoben, was dazu führen kann, dass sich noch mehr SuE-Beschäftige nach alternativen Arbeitsmöglichkeiten umsehen werden.
Doch in vielen anderen Bereichen sieht es oft auch nicht grundsätzlich besser aus. Aus ver.di auszutreten und zu resignieren bringt auch nichts. Verbesserungen zu erkämpfen hängt nicht nur an Tarifrunden. In vielen Bereichen brodelt es. Daher sollten wir uns darauf konzentrieren, unsere Kämpfe zu verbinden und breite gesellschaftliche Bewegungen aufzubauen, um in Zukunft Erfolge zu erzielen und die Arbeitgeber herauszufordern. Die kommende TVöD-Gehaltsrunde sollten wir umgehend nutzen, um dafür zu kämpfen, dass Forderungen aufgestellt und durchgesetzt werden, die einen deutlichen Inflationsausgleich beinhalten!
Foto: SAV Köln