Die rechtsradikale „Neue Stärke Partei“ hatte für den 16.07.2022 einen Marsch durch Mainz geplant. Angemeldet waren 100-150 Teilnehmer für einen Zug durch die Innenstadt mit anschließender Kundgebung. Doch ein breites und buntes Bündnis unterschiedlichster Organisationen wusste dies erfolgreich zu verhindern.
von Chris, Saarbrücken
Die NSP, welche sich in ihrem Auftreten sowie programmatisch explizit auf den Nationalsozialismus bezieht, wurde von bereits bekannten Thüringer Neonazis wie Michel Fischer, Enrico Biczysko und Florian Grabowski gegründet. Diese waren vormals in der Kleinstpartei „Der dritte Weg“ sowie verschiedenen Kameradschaften aktiv. Man druckt sich gerne Sprüche wie „Kommunisten töten“ auf T-Shirts, hält Gedenkmärsche ab und trampelt demonstrativ auf Soviet- oder Regenbogenflaggen herum. Das aktuelle Motto, unter welchem auch die geplante Kundgebung in Mainz angemeldet war, lautet „Kampfkultur 2022“. Diese galt es nun selbstverständlich zu „entwaffnen“.
Hierzu hat sich am Samstagmorgen eine grosse Anzahl von Menschen aus verschiedensten Organisationen auf den Mainzer Straßen versammelt, um den Neonazis geschlossen und solidarisch entgegenzutreten. Die Schätzungen schwanken zwischen 2000 und 3000 Menschen aus bis zu 60 Organisationen, über das Innenstadtgebiet verteilt waren elf verschiedene Kundgebungen angemeldet. Unter den Kundgebungsveranstalter*innen fanden sich mehrere Gewerkschaften und Parteien, die Linksjugend, sowie das Internationale 1.Mai Bündnis, Attac, Rheinhessen gegen Rechts und die Omas gegen Rechts. Auch ein Schüler*innenwettbewerb unter dem Motto „Wir sind Vielfalt“ organisierte einen Stand nahe des Mainzer Doms.
Das Bündnis „Rotes Mainz“ sowie die extra hierfür ins Leben gerufene Kampagne „Rechte Kampfkultur entwaffnen“ riefen zur Blockade auf, wozu sich zahlreiche Antifaschist*innen aus ganz Deutschland zusammenfanden. Auch die Ultras des FSV Mainz traten auf, um geschlossen Flagge gegen Rechts zu zeigen. Durch gute Organisation und Kommunikation, sowie teils hochdynamische Bewegung und zeitweilige Aufteilung in verschiedene Blockadefinger wurde erfolgreich dafür gesorgt, dass die NSP an diesem Tage keine 50 Meter weit kam.
Die Neonazis, aus Richtung Saulheim mit einer eher geringen Anzahl von circa 60 Teilnehmer*innen angereist, mussten zunächst vom Hauptbahnhof auf den nahegelegenen Mombacher Bahnhof ausweichen, doch wurden auch dort schnell gestoppt. Hierbei kam es zu Konfrontationen beider Seiten mit der Polizei. Pfefferspray und Knüppel wurden eingesetzt, sowie mehrere Verhaftungen vorgenommen.
Sichtlich frustriert am kleinen Mombacher Bahnhof eingekesselt, schändeten Grabowski und seine Anhänger*innen noch demonstrativ eine Regenbogenflagge, bevor sie dann nach einigen Stunden vergeblichen Wartens unverrichteter Dinge die Heimreise antreten durften.
Ein Tagesfazit ziehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es war einfach wundervoll zu beobachten, wie unglaublich viele Menschen unterschiedlicher Hintergründe sich für den Widerstand gegen Rechts mobilisieren lassen, wenn es darauf ankommt.
Schade – wenn auch leider nicht überraschend – ist, dass es im Jahr 2022 überhaupt noch immer darauf ankommen muss. Und die Ereignisse haben erneut gezeigt, dass wir uns im Kampf gegen Rechts nicht auf die bürgerliche Staatsgewalt verlassen können.
Ich wünsche mir, dass jede noch so kleine faschistische Ambition, jederzeit und überall auf solch orkanartigen Gegenwind stößt, wie es an diesem Samstag in Mainz der Fall war. In diesem Sinne: „Siamo tutti antifascisti!”