„Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liegt, müssen auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen“, sagte Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch am 1.6.22 dem Handelsblatt. Sonst würden viele Vermieter in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. „Wir können nicht so tun, als wenn die Inflation an den Mieten vorbeigeht. Das wird nicht klappen“, sagte Buch weiter.
Von Christian Kubitza, Köln
Der größte Immobilienhai Deutschlands spricht also von Vermietern in ernsthaften Schwierigkeiten und kündigt Mieterhöhungen an, während schon jetzt viele Mieter*innen gestiegene Energiekosten und Lebensmittelpreise kaum noch bezahlen können – die Inflation beträgt nicht vier, sondern fast acht Prozent. Der Gaspreis hat sich bereits im April im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdreifacht, der Benzinpreis hat um 35%, der Dieselpreis sogar um 59% zugelegt. Auch die Stromkosten sind um ca. 35% gestiegen. Die meisten Mieter*innen werden den Schock erst bei der nächsten Nebenkostenabrechnung erleben – und viele diese vermutlich nicht zahlen können. Für Lebensmittel müssen wir im Schnitt etwa 11% mehr ausgeben. Im April stiegen die Verbraucherpreise so schnell wie seit Anfang der 80er Jahre nicht mehr – unter anderem getrieben von Lebensmitteln.
Währenddessen können sich gerade Vonovia-Aktionär*innen nicht beschweren. Der Konzern erzielte im Pandemiejahr 2021 rund 1,7 Milliarden € Gewinn und schüttete mit 1,66 € pro Aktie die höchste Dividende der Unternehmensgeschichte aus, in 2013 betrug diese noch 0,62 €. Im selben Jahr stiegen die Mieten in den Wohnungen des Konzerns laut DMB (Deutschem Mieterbund) um durchschnittlich 3,8%, in Berlin betrug die Steigerungsrate 8%. Im Zuge der Übernahme der Deutsche Wohnen hatte die Vonovia-Spitze noch verkündet, dass die Bestandsmieten um nicht mehr als 1% pro Jahr steigen würden. Vonovia hatte die Deutsche Wohnen – den bis dahin zweitgrößten börsennotierten Immobilienkonzern – im letzten Jahr für rund 19 Milliarden € übernommen. Dies führte zu einem Erlösanstieg um 42,6% auf 1,63 Milliarden € im 1. Quartal 2022. Laut eigenem Quartalsbericht verzeichnete der Konzern nur geringe Ausfälle an Mietzahlungen und geht auch zukünftig von einem geringen Ausfall von Forderungen aus. Im Geschäftsausblick ist u.a. zu lesen.: „Wir erwarten weitere Preissteigerungen auf den Baustoffmärkten, die sich auch auf unsere Bauprojekte auswirken werden. Soweit es im Rahmen der gesetzlichen Regelungen möglich ist, werden wir diese Preissteigerungen im Zuge unserer Modernisierungen auch an die Mieter weitergeben.“ Auch diesbezüglich sind demnach Mieterhöhungen zu erwarten. Des Weiteren erwartet Vonovia einen deutlichen Anstieg des Gewinns, insbesondere bedingt durch den Zugang von Deutsche Wohnen.
Zwischenzeitlich ist der CEO von Vonovia zwar ein wenig zurückgerudert und hat seine Erhöhungs-Ankündigung zumindest für Bestandsmieten relativiert. Dennoch bliebe das Problem erhöhter Mieten für Neuvermietungen von Bestandswohnungen sowie für Neubauten bestehen. So oder so: Mieter*innen mit noch höheren Mieten zu belasten, während die gesamten Lebenshaltungskosten deutlich gestiegen sind und voraussichtlich weiter ansteigen werden, würde eine Verarmung bis in die untere Mittelschicht bedeuten.
Vor genau einem Jahr wurde die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen zum erfolgreichsten Volksbegehren Berlins. Mit über 350.000 eingereichten Unterschriften zeigte ein großer Teil der Bevölkerung seine Unterstützung für die Enteignung großer Immobilienkonzerne. Bei der Volksabstimmung im September stimmten 56% für die Enteignung. Seitdem verhindert der SPD-geführte Senat die Umsetzung. Wohnkosten dürfen eben nicht der freien Marktwirtschaft und damit den Konzernen und ihren Großaktionären überlassen werden – und der Kampf gegen steigende Mieten nicht den bürgerlichen Parteien.
Daher fordern wir nach wie vor: VONOVIA & CO. ENTEIGNEN!