Das groß angekündigte Entlastungspaket wird die soziale Notlage der Arbeiter*innenklasse nicht verhindern. Millionen Menschen, deren Ersparnisse bereits jetzt aufgebraucht sind, werden nicht mehr wissen, wie sie Ihre Rechnungen bezahlen können, geschweige denn, ob und wann sie einen Urlaub oder wichtige Anschaffungen planen können. Viele werden in Armut abrutschen. Die Profite der Großkonzerne und Vermögen der Superreichen werden hingegen weiterhin nicht angetastet. Der Aufbau von massivem und breitem Protest und Widerstand ist nötig, um Regierung und Konzerne in die Knie zu zwingen.
Von Linda Fischer, Hamburg
65 Milliarden Euro Entlastung, das klingt erst einmal viel. Schaut man sich die konkreten Maßnahmen an, ist nicht nachvollziehbar, wohin die Milliarden versickern. Das Kindergeld soll um lächerliche 18 Euro erhöht werden. Die überfällige Ausweitung der Einmalzahlungen auf Rentner*innen und Studierende von 300 bzw. 200 Euro korrigiert lediglich die vorangegangene ungerechte Ungleichbehandlung.
Wie soll entlastet werden?
Die ohnehin geplante Umbenennung von Hartz IV in “Bürgergeld” wird zum Jahreswechsel umgesetzt und mit einer ebenfalls bereits angekündigten Erhöhung der Bezüge um ca. 50 Euro verbunden, was maximal die Inflation von 2021 ausgleicht. Von den Änderungen bei der Einkommenssteuer werden vor allem Menschen mit höherem Einkommen profitieren. Für einen kleinen Teil der Lohnabhängigen werden die Erweiterung des Kreises von Wohngeldempfänger*innen von aktuell rund 600.000 auf 2 Millionen sowie die geplante Erhöhung des Wohngeldes eine gewisse soziale Abfederung bedeuten. Die absolute Mehrheit der Maßnahmen hingegen sind Kleckerbeträge, die angesichts der massiven und anhaltenden Preissteigerungen nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sind.
Der angebliche Nachfolger des 9-Euro-Tickets wird mit monatlichen Kosten zwischen 49 und 69 Euro wird nicht dazu führen, dass sich arme Menschen den ÖPNV leisten können. Diese Maßnahme ist lediglich eine kleine Verbesserung für eine begrenzte Anzahl von Bahn-Pendler*innen in den teuren Verkehrsverbünden. Anders als das 9-Euro-Ticket wird sie weder inflationsdämpfend noch als ein Mittel der Umlenkung von Verkehrsströmen vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel, was finanziell und bezüglich des Klimawandels nötig wäre.
Gleichzeitig werden selbst die Übergewinne der Energie- und Rüstungskonzerne nicht angetastet. Stattdessen sollen lediglich sogenannte “Zufallsgewinne” – die aufgrund der Kopplung des Gas- und Strompreises, des “Merit-Order”-Prinzips, auf dem Strommarkt entstehen – eventuell zukünftig teilweise abgeschöpft werden. Die Bundesregierung werde sich dafür in der Europäischen Union mit Nachdruck einsetzen, heißt es in der Erklärung auf ihrer Website. Die Einnahmen aus den Zufallsgewinnen sollen dafür genutzt werden, dass Privathaushalte einen “Basisverbrauch” an Strom zu einem vergünstigten Preis bekommen. Es bleibt völlig unklar wann, welcher Verbrauch wie viel günstiger wird. Die Preise für Heizung – die noch viel rasanter steigen – werden nicht berücksichtigt.
Die Lage spitzt sich auch wirtschaftlich zu. Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher und wird zu weiteren sozialen Verwerfungen führen.
Gewerkschaften in die Offensive!
Die Reaktion der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi zum Entlastungspaket ist erschütternd. Es sei ein „beeindruckendes Paket, das die Koalition in einer Zeit historisch beispielloser Herausforderungen geschnürt hat“. Sie kommt geradezu ins Schwärmen über die Bundesregierung. In etwas abgeschwächter Form bezeichnet auch der IG Metall-Vorsitzende Hofmann das Entlastungspaket als wichtige Weichenstellung für Bürger*innen und Unternehmen. Er kritisiert zumindest dezent am Rande das Ausbleiben des Gaspreisdeckels und eine unzureichende Entlastung. Der ver.di-Vorsitzende Werneke bezeichnet das Paket als halben Schritt und kritisiert, dass wichtige Maßnahmen nicht umgesetzt wurden. Er sieht die Notwendigkeit, in den kommenden Tarifrunden mit tabellenwirksamen Tariflohnsteigerungen auf die hohe Inflation zu antworten.
Die Gewerkschaften sind potentiell eines der stärksten Kampfinstrumente die wir als lohnabhängige Bevölkerung haben. Wieso versieht die Gewerkschaftsführung das “Entlastungspaket” mit einer rosaroten Schleife? Eine Gewerkschaftsführung, die mit der Regierung kuschelt, ist absolut nutzlos. Statt Geplänkel von Zusammenhalt ist es die Aufgabe der Gewerkschaften, die Interessen der abhängig Beschäftigten zu vertreten.
Nötig wäre, dass die Gewerkschaften zusammen mit der LINKEN, Initiativen von Mieter*innen und anderen sozialen Bewegungen koordinierte Demonstrationen bis hin zu Boykotts von Gas- und Strompreissteigerungen und Streiks organisieren – für Maßnahmen, die wirklich etwas bewirken und die Reichen zur Kasse bitten: Eine sofortige und bezahlbare Deckelung von Energie, Mieten und Lebensmitteln, ein Verbot von Gas- und Stromsperren, die automatische Anpassung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen an die Preissteigerungen, Steuern rauf für Konzerne und Reiche und eine massive Vermögensabgabe.
Die Energieversorgung darf nicht dem kapitalistischen Markt überlassen werden. Das absurde Preissystem ist kein Naturgesetz, sondern entsteht aufgrund der Profitinteressen des Energiemarktes. Deshalb: Energiekonzerne enteignen und in öffentliches Eigentum überführen – Energieversorgung demokratisch planen.
Die LINKE hat in einigen Städten richtige erste Schritte für einen „heißen Herbst“ ergriffen. In Leipzig gingen am Montag bis zu 5000 Menschen auf Initiative der LINKEN auf die Straße. In Berlin zogen 1000 Menschen vor die Bundesgeschäftsstelle der Grünen. Auch in anderen Städten gibt es erste Bündnisse und Planungen für Demonstrationen. Nichts zu suchen in Demos und Bündnissen haben rassistische und faschistische Organisationen, die die Gelegenheit nutzen wollen um sich als vermeintliche Vertreter*innen des „kleinen Mannes“ darzustellen. Wir werden die anstehenden sozialen Proteste nach Kräften unterstützen und mit aufbauen.