Gaspreisbremse: Nicht genug, zu spät, gut für Reiche & Konzerne

Erst plante die Regierung, Millionen Mieter*innen und Zehntausende Selbstständige ungebremst Gaspreisen auszusetzen, die bis zu zehnfach so hoch gewesen wären wie zuvor und wollte die “Gas-Umlage” noch oben drauf packen, eine Steuer für reiche Konzerne. Als sie merkte, dass eine riesige Pleitewelle die politische Stabilität und die Profite bedrohen würde, zog sie in Panik die “Gaspreisbremse”. Diese ändert nichts daran, dass die Kosten der von Politik und Konzernen geschaffenen Krise der Masse der arbeitenden Menschen und den Armen aufgebürdet werden.

Von Claus Ludwig

Der Preisdeckel auf Gas wird erst zum Ende der Heizperiode, ab März 2023, eingeführt. Bis dahin soll einmalig die Gasrechnung für Dezember 2022 übernommen werden. Mindestens vier Monate, Oktober, November, Januar, Februar, bezahlen wir die absurd hohen Gaspreise ungebremst. Oft summiert sich das auf mehrere Hundert Euro zusätzliche Kosten, für viele Menschen geht dieser Winter an die Substanz. Beispiel: Bei einem 2-Personen-Haushalt in Köln (Versorger: RheinEnergie) entstehen in diesen vier Monaten zusammen 350-500 Euro Mehrkosten im Vergleich zu den Monaten vor Oktober 2022.

Die Deckelung des Preises von 80% des Verbrauchs auf 12 Cent pro Kilowattstunde bedeutet, dass die Besitzer*innen großer Häuser und Wohnungen riesige Summen aus Steuergeldern bekommen.

„Durch das Modell wird eine Zweizimmerwohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool.”

Frank Werneke, Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di.

Diese Subvention für Großverbraucher ist nicht nur asozial, sondern auch irrwitzig klimaschädlich. Wer ballert, bekommt mehr Hilfen. Wer bisher sparsam war und bescheiden lebt, bekommt weniger. Hätte die Regierung die Menschen mit geringeren Einkommen unterstützen wollen, hätte der Preis für den Grundverbrauch Kilowattstunden pro Person oder Haushalt gedeckelt werden müssen.

Guter Deal für Villen mit Pools

Die reichsten 10% der deutschen Haushalte verbrauchen genauso viel Energie wie die ärmsten 40%, jeweils 23%. Die Regierung könnte den Hebel zur Senkung des Verbrauchs und der Kosten ansetzen – wenn sie es denn wollte. Doch die Politiker*innen der etablierten Parteien sind eng verbandelt mit der Klasse der Besitzenden, begreifen Konzernchefs und reiche Erb*innen, Spitzenbürokrat*innen und Lobbyist*innen als das wahre “Volk”. Sie lassen uns die Extra-Profite der Energiekonzerne bezahlen und sorgen dafür, dass sie selbst und ihresgleichen fein raus sind.

Während die Bremse für Privathaushalte erst im März greift, soll der Gaspreis für Betriebe bereits ab Januar 2023 auf 7 Cent pro Kilowattstunde begrenzt werden, bezahlt von uns allen. Die Regierung nennt die 200 Milliarden ein “Sondervermögen”, faktisch handelt es sich jedoch um Schulden. Der Staat nimmt Kredite bei Banken auf, die Steuerzahlenden begleichen diese, samt Zinsen. Wir bezahlen damit ein umfassendes Programm zur Subventionierung der Konzerne und der Reichen mit dem Verzicht auf notwendige öffentliche Investitionen in Klimawandel, Bildung, Pflege und mit kommenden Sozialkürzungen.

Taschenrechner-Check

Nach bisherigen Angaben soll der Deckel bei 12 Cent pro Kilowattstunde liegen. Vor der Krise kostete eine Kilowattstunde bei den meisten lokalen Versorgern zwischen 6 und 8 Cent. Für einen Ein-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 10.000 kWh im Jahr würde der Preis für die ersten 8000 kWh von 640 auf 960 Euro pro Jahr steigen (auf der Grundlage von 8 Cent pro kWs).

Bei vielen lokalen Grundversorgern liegt der “Marktpreis”, den man für die nicht-gedeckelten 20% zahlen muss, zwischen 14 und 18 Cent. Der durchschnittliche Preis pro Kilowattstunde bei Neuverträgen lag allerdings am 11. Oktober bei 24 Cent und am 31. August bei 40 Cent.

Rechnen wir ganz zurückhaltend 20 Cent, dann würden die nicht-gedeckelten 20% bei einem Verbrauch von 10.000 kWh (1-Personen-Haushalt mit 50-60 m²) 400 Euro im Jahr kosten, zusammen mit den gedeckelten 80% (960 Euro) wären das 1360 Euro, im Vergleich zu rund 800 Euro vorher (10.000 kWh mal 8 Cent). Das ist die Rechnung für einen 1-Personen-Haushalt, für Familien wären es 1000-2000 Euro im Jahr – trotz groß angekündigter “Bremse”.

Die in Köln ansässige RheinEnergie geht davon aus, dass durch die Absenkung der Raumtemperatur um 1 Grad rund 6% der Gaskosten eingespart werden können. Folgt man zusätzlich den arroganten Tipps von wohlhabenden Politiker*innen, das Duschen einzuschränken, landet man möglicherweise bei 10% Einsparung.

Die der Preisbremse unterliegenden 80% werden auf der Grundlage des Verbrauchs berechnet, welche der Abschlagzahlung im September 2022 zugrunde liegt. Diejenigen, die ihren Verbrauch schon in den Jahren zuvor gesenkt haben und wenig Einsparpotenziale haben, profitieren daher weniger von Preisbremse.

Ein an der realen Belastung orientierter Kostendeckel pro Person würde hingegen eine echte Entlastung für die Masse der Gering- und Normalverdiener*innen bedeuten und nur die Reichen stärker belasten. Unser Vorschlag: Den Bezug von 10.000 kWh pro Person im Haushalt zum Preis von 2021 (6-8 Cent) garantieren.

Viele Menschen haben noch keine Rechnungen oder Abschlagszahlungen bekommen. Einige glauben, es würde schon nicht so fies werden, weil die Regierung sagte, sie würde helfen. Tatsache ist: Unsere Beispielrechnungen sind vorsichtig und beziehen sich auf regionale Grundversorger mit langfristiger Einkaufspolitik. Viele Mieter*innen, v.a. Kunden bisher günstiger kleiner Energieversorger bekommen ganz andere Rechnungen, einige mit einer Versechs- oder Verachtfachung des Gaspreises, sollen über 500 Euro pro Monat bezahlen. Es wird fies …

Demonstrieren, streiken, organisieren

Gas ist nicht alles, wir erleben insgesamt eine fette Inflation. Jeder Gang zu Aldi und Lidl bringt die deprimierende Erkenntnis, dass man für 40 Euro oft nur noch den Boden des Einkaufswagens bedeckt. Bei den Dienstleistungen kommen die Erhöhungen erst noch. Wie hoch die Abschläge für Strom noch werden, wissen wir nicht. Die Mieten steigen weiter.

Alle etablierten Parteien sind nicht gewillt, die Masse der Bevölkerung zu entlasten. Ob Einfach- oder “Doppel-Wumms”, der Großteil der staatlichen Hilfsgelder wandert auf die Konten der Konzerne und der Wohlhabenden. Die Regierung hält an ihrem 100-Milliarden-Ausrüstungspaket fest und beschenkt damit die Aktionär*innen der Rüstungsindustrie zusätzlich.

Wir müssen unsere Entlastung selbst in die Hand nehmen – indem wir für niedrigere Preise und höhere Löhne kämpfen – mit Demonstrationen auf der Straßen, mit gewerkschaftlichen Streiks und indem wir uns organisieren, in Städten und Stadtteilen und dauerhaft Druck ausüben, letztlich, indem wir eine Alternative zum kapitalistischen System der Krisen aufbauen.

Claus Ludwig ist aktiv im Kölner Bündnis “Genug ist genug – die Preise müssen runter”.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir unserer Berechnung zugrunde gelegt, dass jeweils 80% des Verbrauchs im laufenden Monat subventioniert würden und hatten darauf eine nicht korrekte Berechnung bezüglich möglicher Einsparungen basiert. Dies haben wir geändert. Ob und wie weit die Regierung diese Ergebnisse der Kommission noch verändert, ist offen.