Viele Klimaaktivist*innen und Wissenschaftler*innen fordern seit Jahren das 1,5-Grad-Ziel, und die Grünen haben sich auf die Fahnen geschrieben, die Partei zu sein, die dafür steht. In ihrem Wahlprogramm stand das „Sofortprogramm“ an erster Stelle, mit Zielen wie 70 % weniger Treibhausgase im Jahr 2030 und Kohleausstieg bis 2030, statt 2038.
Von Jonatan Lange, Bremen
Doch die im Wahlprogramm geforderten Maßnahmen reichen laut Expert*innen bei Weitem nicht aus, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Schon das Programm bleibt hinter den Erwartungen zurück. Zudem wollten sie einen Ausbau des Bahnnetzes und der Radwege sowie ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. Keines dieser Ziele wurde bisher umgesetzt, und auch für die von vielen geforderte Fortsetzung des 9-Euro-Tickets haben die Grünen sich nicht eingesetzt.
„Lützerath wird abgeräumt“
Sagte Robert Habeck am 04. Oktober 2022 auf einer Pressekonferenz und bezeichnete das als „guten Tag für den Klimaschutz“. Eine bittere Ironie, denn viele Klimaaktivist*innen kämpfen seit Jahren gegen den Konzern RWE und die stetig weitere Rodung von Wäldern und das Abreißen von Dörfern, um mehr Kohle aus dem Boden zu holen. Die Grünen stehen nun auf der Seite des Konzerns, der wie kein zweiter von fossilen Brennstoffen profitiert.
Durch seine Richtlinienkompetenz hat Scholz die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken festgelegt, die eigentlich Ende dieses Jahres vom Netz gehen sollten. Für die Grünen sollte dies ein Unding sein, da die Wurzeln ihrer Partei in der Anti-Atomkraft-Bewegung liegen, doch nun sind sie Teil einer Regierung, welche sich für Atomkraft entschieden hat.
Alles für die Wirtschaft
Im Jemen gab es für sechs Monate Hoffnung, da nach sieben Jahren Krieg ein Waffenstillstand beschlossen wurde, doch am 16. Oktober wurde dieser wieder aufgekündigt. Kurz vorher hatte Scholz Saudi-Arabien besucht, anschließend hat die Bundesregierung zum ersten Mal seit ihrem Amtsantritt beschlossen, Waffen dorthin zu exportieren, um gute Beziehungen zu festigen und mit der Hoffnung, Öl und Wasserstoff zu guten Konditionen importieren zu können.
Baerbock hatte bei ihrem Amtsantritt eine „feministische Außenpolitik“ versprochen und im Zuge dessen gesagt: „Wenn die Hälfte der Bevölkerung nicht gleichberechtigt beteiligt, repräsentiert oder auch bezahlt ist, sind Demokratien nicht vollkommen.“ Wenn dies die Leitlinie der neuen Außenpolitik sein soll, drängt sich die Frage auf, welche Demokratie und welche Gleichberechtigung wird denn da in Saudi-Arabien mit Waffen geschaffen? Und auch im Ukraine Krieg stimmen sie für weitere Waffenlieferungen. Von der pazifistischen Partei aus den 1980ern ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Sind sie gefährlich?
Das behauptet jedenfalls Sahra Wagenknecht: „Für mich sind die Grünen die heuchlerischste, abgehobenste, verlogenste, inkompetenteste und gemessen an dem Schaden, den sie verursachen, derzeit auch die gefährlichste Partei, die wir aktuell im Bundestag haben.“ Bei diesem Statement bezieht sie sich darauf, dass die Grünen sich für Waffenlieferungen ausgesprochen und sich auch klimapolitisch weit von ihren Wahlversprechen entfernt haben.
Doch unterscheiden sie sich durch dieses Verhalten von anderen bürgerlichen Parteien? Außerdem sitzt auch die AfD nach wie vor mit 83 Abgeordneten im Bundestag und sorgt mit ihrem Auftreten dafür, dass der gesamte politische Diskurs nach rechts verrückt wird und Rassismus, Sexismus und Transfeindlichkeit wieder salonfähig werden. Und das stellt eine wirkliche Gefahr dar.
Alles in allem zeigen die Grünen, nun da sie an der Regierung beteiligt sind, für welche Art von Politik sie wirklich stehen. Und wenn man die Wahlversprechen anschaut, muss man feststellen, dass sie eine 180-Grad-Wende hingelegt haben. Sie sind weder die Partei, die die notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz ergreift und den Protest von der Straße ins Parlament trägt, noch schaffen sie, den Grundsätzen ihres Parteiprogramms treu zu bleiben. Stattdessen zeigt sich nun – wie auch schon bei ihren früheren Regierungsbeteiligungen auf Bundes- und Landesebene – dass auch sie Politik im Interesse der Wirtschaftsbosse betreiben und nur versuchen, das mit ein bisschen Greenwashing sympathisch zu machen.