Die Weltmeisterschaft des Elends, der Unterdrückung und der Ausbeutung

Schreckliche Arbeits-, Lohn- und Lebensbedingungen für migrantische Arbeiter*innen, kaum Rechte für Frauen und LGBTQI+-Personen, und die kolossalen Umweltkosten für Bau und Nutzung der Stadien: Die diesjährige Fußballweltmeisterschaft der Männer bietet reichlich Anlass zur Wut.

von Johannes von Simons, Berlin

An Sklaverei grenzende Arbeitsbedingungen in sengender Hitze, beschlagnahmte Pässe und ein miserabler Lohn, schreckliche Unterbringung: Das ist der Alltag Hunderttausender Arbeitsmigrant*innen, vor allem aus Südostasien und Nordostafrika. Seit 2010 sind auf den WM-Baustellen mindestens 10.000 Menschen ums Leben gekommen.Die FIFA-Mafia, die durch massive Korruption die Veranstaltung in Katar vor 12 Jahren durchgesetzt hat, ist verantwortlich für diese mörderischen Großbaustellen. 

Ohne die WM hätten sich laut FIFA die Rechte migrantischer Arbeiter*innen nicht verbessert. Das ist falsch. Obwohl das „Kafala“-System der de-facto-Sklaverei auf den Druck hin abgeschafft wurde, hat sich in der Praxis fast nichts geändert, auch nicht an der Einbehaltung von Löhnen. 

Konzerne profitieren, Politiker*innen heucheln

Als noch kurz vor Anpfiff Regierungspolitiker*innen und bürgerliche Medien diese Missstände anprangerten, war das nichts als himmelschreiende Heuchelei. Deutsche Unternehmen und Politiker*innen waren auch diesmal vorne mit dabei: Vor der Vergabe an Katar reisten im Frühjahr 2010 u.a. die damalige Kanzlerin Merkel und Niedersachsens Ministerpräsident Wulff zusammen mit Vertreter*innen von VW, Porsche, Hochtief und anderen Großunternehmen ins Emirat. Und auch damals wurde, neben den Milliardenaufträgen an private Firmen und trotz der verheerenden Menschenrechtslage, schon direkt von „Interesse am Zugang zu den katarischen Gasvorkommen“ gesprochen. Und bei allen drei genannten Firmen ist Katar inzwischen Großaktionär, ebenso wie bei Siemens und der Deutschen Bank.

Korruption, Allianzen mit autoritären Regimen, sinnlose Prestige-Investitionen, die den sozialen Bedürfnissen zuwiderlaufen: Das sind alte FIFA-Gewohnheiten. Zwischen der WM im faschistischen Italien 1934 bis heute liegen u.a. die WM 1978 in Argentinien unter einer brutalen Militärdiktatur und die WM 1982 in Spanien, die 1966 noch während der Franco-Herrschaft vergeben wurde. Die WM 2018 in Putins Russland, zeitgleich vergeben wie Katar, war ebenso von Korruption überschattet wie die WM 2006 in Deutschland. 

Proteste rund um Weltmeisterschaften wurden oft brutal unterdrückt, wie in Brasilien 2014, als Streiks und Demonstrationen forderten, dass das Geld nicht für die WM, sondern für soziale Zwecke verwendet werden sollte. Profit und Prestige sind das „Kerngeschäft“ der FIFA und ihrer politischen Verbündeten – da passt es ins Bild, dass die DFB-Führung kurz vor dem WM-Start sogar bei der „One Love“-Armbinde einknickte.

Wie üblich tragen Fußballspieler und Fans die Hauptlast der Entscheidungen, die weit über ihren Kopf hinweg getroffen werden. Viele Kneipen wollen die WM-Spiele diesmal nicht übertragen. Viele Fans fragen sich zurecht, ob sie das Recht haben, den Sport, den sie lieben, in diesem Winter zu verfolgen. Ein privater Boykott allein wird jedoch weder die Situation in Katar noch die Zukunft unseres Sports beeinflussen.

FIFA und Konzerne raus aus dem Fussball!

Die FIFA sitzt auf einem Milliarden-Geldberg, der im krassen Gegensatz zu den fehlenden Mitteln der großen Mehrheit der Vereine, Ehrenamtlichen, Fußballer*innen und Fans weltweit steht. Die irrsinnigen Summen, die an die Spitzen des Weltfußballs fließen, zeugen von der Perversion des Sports durch das kapitalistische System, dessen unvermeidliches Nebenprodukt die Korruption von Organisationen wie der FIFA sind.

Die vorhandenen Gelder müssen für den wirklichen Sport verwendet werden, für die Entwicklung einer grundlegenden Infrastruktur und Trainingseinrichtungen für diejenigen, die Fußball spielen und den Sport als Hobby betreiben. Mit diesen Mitteln könnte ein echter, gesunder und freundschaftlicher Wettbewerb entwickelt werden, bei dem es um nichts anderes geht als um den Sport. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass die Verwaltung und Kontrolle der Sportvereine und -verbände in unseren Händen liegt.

Bild: Stefan Müller, CC BY-NC 2.0