Hamburg-Lohbrügge: Widerstand gegen Heizkostenabzocke

Hunderte Anwohner*innen des Hamburger Stadtteils Lohbrügge kamen am 28.10. zu einer Versammlung vor dem örtlichen Fernwärme-Holzheizkraftwerk von e.on zusammen. Sie protestieren gegen die extremen Erhöhungen ihrer Heizkostenabschläge und Nachzahlungsaufforderungen von ca. 1000 bis zu 4000 Euro für das Jahr 2021.

Von Linda Fischer, Hamburg

Um 150 bis 400 Prozent hat e.on die monatlichen Vorauszahlungen erhöht. Vor Ort berichtet ein Rentnerehepaar, dass sie nun 600 Euro pro Monat für ihre Heizung zahlen sollen. Eine alleinstehende Frau über 200 Euro für ihre 50qm Wohnung. Eine andere Mieterin und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern erzählt, dass die Miete nun zur Hälfte aus Heizkosten bestehe und sie nicht wisse, wie sie ihren Kindern erklären soll, dass der Sportverein vielleicht nicht mehr drin ist.

„Nur wenn wir nicht zahlen, wird e.on reagieren“

Die Initiator*innen sind einzelne Nachbar*innen einer Straße, die sich ausgetauscht und anschließend erste Versammlungen organisiert haben. Sie unterstützen andere Anwohner*innen (Menschen, denen es schwer fällt, auf Deutsch zu schreiben und ältere) Widerspruchsschreiben an e.on zu verfassen und die SEPA-Lastschrift zu kündigen. Rechte Kräfte sind explizit nicht erwünscht, man müsse zusammenhalten. Es wird dazu aufgerufen, die Erhöhungen gar nicht oder nur im Rahmen des Möglichen zu zahlen. 

„Nur wenn wir nicht zahlen, wird e.on reagieren“, so ein Initiator im Interview mit Bergedorf.tv. Die gegründete Interessengemeinschaft will außerdem versuchen, mit e.on und der Bezirkspolitik ins Gespräch zu kommen. Bei der Versammlung wurden Namen und Handynummern der Betroffenen für eine Whatsapp-Gruppe gesammelt. Mikrofondurchsagen und Beiträge gab es nicht. Sie hätten wahrscheinlich dazu beitragen können, noch mehr Anwesende zu erreichen und in den Austausch über die nächsten konkreten Schritte zu gehen. 

Extraprofite für Energieriesen

Den Anwesenden ist bewusst, dass ihre explodierenden Kosten nur sehr bedingt mit den realen Kostensteigerungen für e.on zusammenhängen. Noch im Mai berichtete das Hamburger Abendblatt, dass Lohbrügge der Energiekrise trotzen würde, da die Bioenergie, die in dem Holzheizkraftwerk aus Resten der Natur (Holzabfällen der Umgebung) erzeugt wird und nur zu ca. 20 Prozent aus Gas, emissionsschonend und angeblich „absolut krisenresistent“ sei. 

In der Realität zeigt sich, dass regionale Bioenergie allein nicht ausreicht, um bezahlbare Energie zu garantieren. Die aktuellen Preise sind das Ergebnis der absurden Preisgestaltung eines auf Profitmaximierung ausgerichteten Energiemarktes, der es ermöglicht, dass e.on massive Extraprofite auf dem Rücken der ca. 7500 Lohbrügger*innen macht, die auf die Fernwärme angewiesen sind. Dies gibt indirekt auch der e.on-Sprecher zu, wenn er im Hamburger Abendblatt beteuert, dass sich das Unternehmen „Preisentwicklungen auf den Energiemärkten nicht entziehen“ könne.

In Gesprächen drücken viele ihre Existenzsorgen, Überforderung mit der Situation und Unverständnis dafür aus, dass Fantasiepreise gezahlt werden sollen. Angesichts der umfassenden Krise kommen grundsätzliche Fragen und Diskussionen auf: Welche Parteien sind noch wählbar? Wie sehr betreibt die Politik Lobbyismus für Reiche und Konzerne? Wie kann etwas gegen die Energieriesen ausgerichtet werden? Wie können erneuerbare Energien endlich konsequent umgesetzt werden? Wie kann der Reichtum gerecht verteilt werden? Und sind große Bewegungen in Deutschland vorstellbar? 

Die Lohbrügger*innen zeigen, wie wir beginnen können, die Ohnmacht, die viele angesichts der umfassenden Krise spüren, zu durchbrechen. Sie haben unseren Respekt, unsere Unterstützung und Solidarität verdient!