Türkei & Iran: Kombinierter Angriff auf Kurdistan – Bundesregierung fordert „Mäßigung“ beim Töten von Kurd*innen

Die türkische Luftwaffe bombardiert kurdische Gebiete in Nordsyrien, mehrere Dutzend Menschen wurden getötet. Der türkische Präsident Erdogan hat die Bodenoffensive angekündigt, um den gesamten Norden Syriens zu besetzen. Schon jetzt werden weite Gebiete von türkischen Truppen und den ihnen unterstellten rechtsgerichteten islamistischen Einheiten kontrolliert. Hat die Bundesregierung angesichts der Verbrechen Erdogans sofort Sanktionen gegen die Türkei verhängt? Welche Luftabwehrwaffen liefert Deutschland an die kurdischen Selbstverteidigungseinheiten (YPG)? 

Von Claus Ludwig, Köln

Am 22. November besuchte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Ankara und sagte, die Bundesregierung stehe im Kampf gegen den Terrorismus “an der Seite der Türkei”. Sie rief zur “Mäßigung” auf. Was meinte sie damit – sollen die türkischen Truppen etwa maßvoll Zivilist*innen töten, vielleicht halb so viele wie bisher? Die türkische Regierung hat für ihren Angriff auf syrisches und irakisches Territorium und die Bombardierung ziviler und militärischer Einrichtungen der kurdischen Selbstverwaltung die faktische Unterstützung der Bundesregierung und der NATO. Die deutsche Regierung ist Komplize dieses Verbrechens.

Regionale Diktaturen gemeinsam

Die türkische Luftwaffe bombardierte gleichzeitig kurdische Orte im Nordirak. Ebenso wie die des Iran. Iranische Bodentruppen gehen seit September gewaltsam gegen die demonstrierende Bevölkerung vor, die größte Brutalität haben die “Revolutionsgarden”, Basiji und Polizei in den kurdischen Gebieten im Westen Irans entfaltet. In der Stadt Mahabad schossen sie wahllos auf Wohnhäuser. Innerhalb weniger Tage Mitte November erschoss sie mehrere Dutzende Menschen, darunter auch einen neunjährigen Jungen.

Erdogan greift Rojava (kurdisch für Westen, so der Name des Gebiets in Nordsyrien) einerseits an, weil er von seiner innenpolitischen Krise und den wirtschaftlichen Problemen ablenken will, in Vorbereitung auf die Wahlen 2023. Äußere Feinde sind für unter Druck stehende Herrschende immer nützlich. Aber es geht um mehr: Mit dem Krieg gegen die Kurd*innen schiebt Erdogan die nationale Spaltung in den Vordergrund. Das iranische Regime eskaliert gleichzeitig in den kurdischen Gebieten, um die Bewegung im gesamten Land zu schwächen, indem es den Kampf für Frauenrechte, demokratische Rechte und für die Interessen der arbeitenden Klassen und der Armen in den Hintergrund drängt und eine ethnische Konfrontation provoziert. Das Regime will an den Kurd*innen ein blutiges Exempel statuieren und die Menschen in anderen Regionen des Iran einschüchtern.

NATO-Heuchelei

Die NATO rüstet die angegriffene Ukraine ebenso aus wie den Angreifer Türkei. Ihre Empörung über den russischen Angriff auf die Ukraine ist pure Heuchelei. Das NATO-Mitglied Türkei geht genauso vor. Die NATO liefert keine Waffen zur Rettung der Demokratie, sondern für die Durchsetzung ihrer Interessen.

Die Menschen in Kurdistan und im Iran können sich nicht auf die Bekundungen der westlichen Regierungen verlassen, sie stünden für Menschenrechte oder gar eine “feministische Außenpolitik”. Diese sind keine Hilfe im Kampf für die Befreiung von der Unterdrückung.

Im Rahmen der Erweiterung der NATO zum Kampf gegen Russland bekam das Erdogan-Regime direkte Unterstützung zur Unterdrückung der Kurd*innen. Erdogan wurde erlaubt, die Auslieferung kurdischer Aktivist*innen und das Verbot kurdischer Organisationen in Schweden und Finnland zur Voraussetzung für die NATO-Mitgliedschaft dieser Staaten zu machen.

Der deutsche Staat betätigt sich auch hierzulande als Erfüllungsgehilfe Erdogans, indem er gegen kurdische Aktivist*innen vorgeht. Sogar Fans der zweiten Mannschaft von Bayern München wurden bei einem Spiel der Regionalliga von Polizist*innen verprügelt, weil sie ein Banner mit der Aufschrift “FC Bayern Fanclub Kurdistan” hochhalten. Auch ein Kind wurde verletzt, als die Polizist*innen losprügelten. Bei Demos gegen den aktuellen Angriff geht die Polizei immer wieder gewaltsam gegen Kurd*innen vor, die Fahnen kurdischer Organisationen tragen – selbst von solchen, die wie YPG und YPJ, offiziell in Deutschland gar nicht verboten sind.

USA und EU sind mit dem iranischen Mullah-Regime verfeindet und wollen dieses durch ein Regime ersetzen, welches mit dem Westen verbunden ist und die iranische Wirtschaft an denselben verkauft. Sie hoffen, den Aufstand im Iran dahingehend politisch beeinflussen zu können. Doch während sie den “regime change” im Iran befürworten, ist es ihnen kurzfristig wichtiger, der Regierung Erdogan den Spielraum zu lassen, die kurdische Bewegung in Nordsyrien anzugreifen. Damit sind sie indirekt auch verantwortlich für die tödlichen Angriffe des iranischen Staates auf die kurdischen Städte.

Die Angriffe in Syrien und dem Iran gehören zusammen. Sie sollen die revolutionären Bewegungen gegen Unterdrückung und Ausbeutung ablenken, spalten und zerschlagen.

Die Gewerkschaftsbewegung und die Linke in Deutschland müssen sich endlich aufraffen und selbst die Solidarität organisieren, sowohl mit der revolutionären Bewegung im Iran als auch mit den angegriffenen Kurd*innen in Syrien, dem Irak und der Türkei. Dabei kann es nicht darum, gemeinsam mit bürgerlichen Politiker*innen salbungsvolle Reden zu halten, wie sie auf den Iran-Demos schon häufiger zu hören waren. Linke und Gewerkschaften müssen die Heuchelei der Herrschenden in Deutschland aufdecken, müssen die Geschäfte anprangern, die deutsche Konzerne sowohl mit dem Mullah-Regime als auch mit der Regierung Erdogan machen, müssen die Ampel-Regierung dafür kritisieren, dass sie Erdogan den Rücken stärkt.

  • Solidarität mit der revolutionären Bewegung im Iran, nieder mit der Diktatur der Mullahs!
  • Türkische Truppen raus aus Nordsyrien!
  • Demokratische Rechte für die Kurd*innen, für ein demokratisches, sozialistisches Kurdistan, für eine sozialistische Föderation des Mittleren Ostens!
  • Weg mit dem Verbot der PKK und der kurdischen Vereine!

Foto: GUE/NGL, CC-BY-SA 2.0