Immer wieder sprechen deutsche Politiker*innen von Menschenrechten, Frauenunterdrückung und Demokratie, wenn es um den Iran geht. Deren Missachtung ist jedoch kein Grund für die deutsche Wirtschaft, keine Geschäfte mit dem Iran zu machen.
Von Verena Saalmann, Köln
Die 4 Milliarden, die bilateral in den letzten Jahren maximal umgesetzt wurden, sind für Deutschland vergleichsweise gering. Im Vergleich mit anderen Ländern ist der Iran aus deutscher Sicht nur unter den Top 50 der Außenhandelspartner. Zusätzlich schwankten durch die immer wieder verhängten Sanktionen die Exporte deutscher Firmen stark und viele Geschäfte werden undurchsichtig über Drittländer vollzogen. Aktuell sind noch 60 Firmen im Iran offiziell aktiv, obwohl die USA 2018 neue Sanktionen verhängt haben, die auf den Handel mit dem Iran empfindliche Strafen setzen.
Trotz der eher überschaubaren Summen bemüht sich die deutsche Wirtschaft um Beziehungen zum Iran: 2019 veranstalteten das Außenministerium und der iranische Botschafter ein “Business Forum Iran” in Berlin und versuchten damit, die Geschäftsbeziehungen weiter auszubauen. Es gab Vorträge, die erklärten, wie man die Handelsbeschränkungen umgehen könne. Menschenrechte, Frauenrechte und Demokratie waren kein Thema.
2016 hielt der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken eine eigene Messe in Teheran ab, um die Beziehungen weiter auszubauen und die Exporte von Maschinen und Anlagen (damals das wichtigste Exportgut in den Iran) weiter auszubauen. Damit wollten sie an die Erfolge anknüpfen, die früher gemacht worden waren – 2005 waren Maschinen im Wert von 2,7 Milliarden exportiert worden. Erfolg hatte das aber nicht: Durch die neuen Sanktionen 2018 brachen die Exporte komplett ein (die Gefahr, Strafen aus den USA zu bekommen, war vielen Firmen zu groß). Das Ergebnis: chinesische Unternehmen haben die deutschen Maschinenbauer vom Markt verdrängt.
Zukünftige Geschäfte
Wichtiger für das deutsche Kapital als die Frage, , wie viel bisher dort verdient wurde, ist die Frage , was man dort noch verdienen kann. Für den Iran steht Deutschland auf Platz 6 der Handelspartner, der wichtigste in der EU – somit hat die deutsche Wirtschaft ihren Fuß bereits in der Tür und eigentlich gute Aussichten auf die Ressourcen zuzugreifen, die im Iran liegen: Öl- und Erdgasquellen, die für die deutsche Wirtschaft eine lukrative Alternative zu russischem Öl bieten. Iran ist hinter den USA und Russland der drittgrößte Gasproduzent und verfügt über die weltweit viertgrößten Ölreserven.
Wie kritisch die deutsche Wirtschaft das Mullah-Regime sieht, erklärte der Vorstandsvorsitzende des Lobbyverbands BWA am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar: “Die deutsch-iranischen Wirtschafts- und Kulturbeziehungen verfügen über ein historisch gewachsenes und von tiefer gegenseitiger Wertschätzung getragenes Fundament.” Im Sommer 2022 reiste er mit dem iranischen Botschafter und einer Delegation aus Unternehmensvertreter*innen in den Iran – um die Wirtschaftsbeziehungen auszubauen.
Imperialistische Widersprüche
Die Haltung der herrschenden Klasse Deutschlands zum iranischen Regime ist komplex. Geopolitisch stehen die Herrschenden in Deutschland auf der gegnerischen Seite, sind eng mit Irans regionalen Konkurrenten Saudi-Arabien und Israel verzahnt und tragen die US-Strategie mit, Iran kleinzuhalten. Angesichts der Partnerschaft Iran mit Russland und China kann sich das zuspitzen. Es ist kein Zufall, dass die neueste Sanktionsrunde nicht mit der Unterdrückung der Proteste begründet wurde, sondern mit den Lieferung von Drohnen an die russische Armee.
Gleichzeitig haben deutsche Konzerne traditionell gute Geschäfte mit dem Iran gemacht, unabhängig davon, welche Art Diktatur an der Macht war. Dies ist aktuell durch die US-bestimmten Sanktionen oft nur noch über Umwege möglich. Mit dem politischen Gegner des eigenen Staates Geschäfte zu machen, ist keine Besonderheit, sondern kapitalistische Normalität. Oft genug verkauften Rüstungskonzerne Waffen an beide Seiten. Dieser Widerspruch basiert darauf, dass Kapitalist*innen einerseits nur ihre eigenen kurzfristigen Interessen verfolgen, die Staaten jedoch wie “ideelle Gesamtkapitalisten” agieren, also die strategischen und geopolitischen Interessen aller Besitzenden eines Landes verfolgen.
Im Kern geht es für die deutschen Kapitalbesitzer*innen darum, die Verbindungen nicht abreißen zu lassen und sich auf zukünftige Geschäfte einzurichten – unabhängig davon, ob es politische Veränderungen gibt oder ob “Ruhe” einkehrt und profitable Deals mit dem Mullah-Regime möglich werden.
Bild: Von Kasra.emamsafari – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons