Der Zynismus der Grünen ist kaum in Worte zu fassen. Katrin Henneberger, ehemalige Pressesprecherin von Ende Gelände und heute grüne Bundestagsabgeordnete, schien in einem Interview völlig überwältigt von der eigenen Heuchelei. Sie schaute verwirrt und redete unzusammenhängende Sätze. Sie habe in eineinhalb Jahren Bundestag gelernt, wie mächtig RWE sei. Immerhin, sie hat was gelernt.
Die erfahrenen Grüne-Spitzenpolitiker*innen wissen das schon längst. Es stört sie nicht. Zwei Jahre an der Regierung und der Klimaschutz ist keinen Zentimeter nach vorne gekommen. Keine Verkehrswende, keine Umstellung der Produktion, kein Durchbruch bei den Erneuerbaren. Noch immer kein günstiges Nahverkehrsticket, aber das erste LNG-Terminal hat den Dienst aufgenommen.
Die grüne Spitze sieht ihre Funktion darin, den deutschen Staat samt Militär fit zu machen für den kapitalistischen Konkurrenzkampf gegen andere Staaten. Sie rufen am lautesten nach Kampfpanzern und riskieren die weitere Eskalation in der Ukraine. Menschenrechte sind wohl zweitrangig, denn gleichzeitig buckeln sie vor dem mörderischen Saudi-Regime und den Despoten von Katar. Ihre Maßnahmen gegen das iranische Regime sind symbolisch bis halbherzig, den deutschen Konzernen sollen zukünftige Geschäfte nicht versaut werden.
Kanonenboot-Anton
Einige Grüne drehen völlig frei im imperialen Wahn: Anton Hofreiter wird mit dem Satz zitiert „Wenn uns ein Land seltene Erden vorenthält, können wir entgegnen: Was wollt ihr eigentlich essen?“. In der Geopolitik müsse man „mit dem Colt auf dem Tisch verhandeln“. Das ist der Traum von der Rückkehr zur „Kanonenbootpolitik“ der imperialistischen Mächte im 19. Jahrhundert, die mit ihren Flotten vor den Küsten schwächerer Staaten auftauchten und die Öffnung von Märkten oder Unterwerfung erzwangen. Und ein konkreter Beitrag zur Kriegsvorbereitung im Pazifik.
Die Kapitulation vor RWE und den Autokonzernen und die aggressive Außenpolitik der Grünen sind untrennbar miteinander verknüpft. Es sind keine Abweichungen, vorübergehende Verwirrungen oder gar taktische Manöver. Die Grünen sind die modernisierte Version einer Partei der Herrschenden – obwohl sie von vielen Durchschnittsverdiener*innen oder auch Menschen, die sich als links und fortschrittlich sehen, gewählt werden.
Die Linie von Lützerath
Für bei den Grünen organisierte Aktivist*innen wie Luisa Neubauer oder die sich links gebende Grüne Jugend schlägt mit der Zerstörung von Lützerath die Stunde der Wahrheit: Sie können sich im Einzelfall kritisch äußern, aber ansonsten einreihen, bis sie mit Posten und Mandaten an der Reihe sind – und damit das „Modell Kevin Kühnert“ wählen. Oder sie ziehen einen klaren Trennstrich zwischen sich und der Partei von RWE und Rheinmetall.
Wahrscheinlich sehen sie die LINKE, die ein weit besseres Programm und eine bessere Praxis in der Klimafrage hat, wegen ihrer gegenwärtigen multiplen Krise nicht als Alternative. Das verkompliziert die Lage. Dann müssen sie einen anderen Weg aufzeigen. Ober eben doch die schäbige Kühnert-Variante wählen.