Warum DIE LINKE Berlin aus Neukölln lernen kann
Die Berliner*innen straften bei der Wiederholungswahl die rot-grün-rote Koalition deutlich ab, wobei die SPD am stärksten verlor. Ohne gleichzeitig stattfindende Abstimmungen zum Bundestag und zum Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co Enteignen ging die Wahlbeteiligung massiv von 75,4% auf 63,5% zurück – stärkste Kraft sind die Nichtwähler*innen.
Von Johannes von Simons, Berlin
Klare Wahlgewinnerin ist die CDU mit 28,2%, mit 10,2 Prozentpunkten Zuwachs. Das ist zwar das beste Ergebnis seit 1999, aber die Hälfte ihrer Wähler*innen gab an, die CDU aus Protest gewählt zu haben. 75% der Berliner*innen waren laut Umfragen „wenig oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit des rot-grün-roten Senats“. Verständlich, denn als wichtigstes Thema wird weiterhin Wohnen empfunden und die Berliner Regierung hat den sehr eindeutig gewonnenen Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne nicht umgesetzt. Allein im letzten Jahr stiegen die Berliner Angebotsmieten laut Institut für deutsche Wirtschaft um 8,3%.
LINKE verliert im Anpassungsmodus
Die LINKE hat abermals als Teil einer Regierungskoalition verloren. Der Verlust von „nur“ 1,9 Prozentpunkten täuscht dabei darüber hinweg, dass die absoluten Stimmen von 265.000 auf 185.000 gesunken sind. Gut 40.000 der bisherigen LINKE-Wähler*innen blieben ganz zu Hause. Die größten Verluste gab es für sie in den östlichen Berliner Außenbezirken, wo auch mehrere Direktmandate verloren gingen.
Bei den Wähler*innen unter 45 Jahren sind die Grünen stärkste Kraft, was bedeutet, dass es der LINKEN nicht gelungen ist,mit ihrem eigentlich guten ökologischen Programm zu punkten. Dabei hätten sowohl die Räumung von Lützerath auf Bundesebene als auch die von den Grünen initiierte Privatisierung der Berliner S-Bahn gute Gelegenheiten dazu geboten.
Der wesentliche Grund, warum DIE LINKE auf Landesebene und in den ostdeutschen Bezirken verliert, ist, dass sie statt in den Angriffs- in den Anpassungsmodus gegangen ist. Statt die SPD für ihre Law-and-Order-Politik nach Silvester anzugreifen, die Grünen für ihre Heuchelei rund um Lützerath und die Koalition wegen der Nichtumsetzung des Volksentscheids infrage zu stellen, hat sie das Signal gesendet, dass ihr der Machterhalt in der Koalition wichtiger ist. Klaus Lederer meinte am Wahlabend in der ARD, dass die Inhalte der LINKEN nur in der Regierung umgesetzt werden können. Die Wahrheit ist, dass DIE LINKE in der Koalition gefangen war, keinen Kampf darum geführt hat, sich abzusetzen, ihre inhaltlichen Versprechen nicht umsetzen konnte und deswegen verloren hat.
Neukölln gegen den Trend
Dass auch eine andere Strategie möglich ist, wurde in Neukölln deutlich: Hier wurde ein aktiver antikapitalistischer Wahlkampf geführt und die hervorragenden Ergebnisse von 2021 überwiegend verteidigt. Im Wahlkreis Neukölln 2 wurde ein Haustürwahlkampf geführt, mit Direktansprachen an über 10.000 Türen, sodass die LINKE-Kandidatin Jorinde Schulz mit 30,7% erneutdie meisten linken Erststimmen ganz Berlins gewann; den Grünen unterlag sie aber leider wieder knapp. Lucy Redler, Mitglied der SAV, erreichte im Wahlkreis Neukölln 1 auf der Basis eines antikapitalistischen, oppositionellen Wahlkampfs ebenfalls sehr gute 26,2% und damit das viertbeste Erstimmenergebnis der LINKE Berlin. Der LINKE-Bezirksverband zeigte damit, dass ein kämpferischer, zuspitzender Wahlkampf die Berliner*innen mehr überzeugt als eine Orientierung auf ein „weiter so“ mit der rot-grün-roten Regierungskoalition.
Keine Koalition ohne Enteignung!
Die Enteignung der Immobilienkonzerne wird nicht in Regierungsgesprächen mit der SPD zu machen sein, sondern wird nur durch erneuten massiven Druck der Mieter*innenbewegung und aus den Kiezen durchgesetzt werden. Die Berliner SPD-Spitze hat bereits angekündigt, nach dem Erfolg der CDU auch einen eventuellen neuen rot-grün-roten Koalitionsvertrag deutlich konservativer gestalten zu wollen. Anstatt also in einer Koalition weiter „das kleinere Übel“ umzusetzen, sollte die LINKE sich an Protesten beteiligen, diese mit organisieren und eine klar antikapitalistische Politik betreiben. Die Experten*innenkommission zum DWE-Volksentscheid hat bestätigt, dass eine Umsetzung auf Basis der Anwendung von Artikel 15 Grundgesetz möglich ist, und eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat kürzlich belegt, dass dadurch die Mieten von mehr als 200.000 Haushalten um 16% gesenkt werden könnten. Es gilt also, an dem Thema zusammen mit der Mieter*innenbewegung maximalen Druck aufzubauen, und das ist nur aus der Opposition heraus möglich.
Foto: DIE LINKE Berlin