Highway to 3 Grad – die Verkehrspolitik der Ampel

Die Beschlüsse der Ampel zur Verkehrspolitik zeigen, in welche Richtung sich die Regierung bewegt: Auf die Autobahn statt auf die Schiene.

Von Verena Saalmann, Köln

Der beschleunigte Ausbau von 144 Autobahnprojekten befeuert den Klimawandel. Zwar behauptet die FDP, dass ein Ausbau an Stauschwerpunkten Klimaschutz sei, weil dann weniger Stau entstehe und die Autos insgesamt weniger fahren würden. Das ist jedoch falsch. Untersuchungen zeigen schon seit 1960: Mehr Spuren bringen mehr Verkehr und weiteren Stau, nicht nur auf der ausgebauten Autobahn, sondern auch auf umliegenden Straßen.

2011 zeigte eine Studie in den USA, dass der Verkehr mit dem Straßenausbau im Verhältnis 1:1 wächst. Die Einzigen, die von einem Ausbau von Autobahnen profitieren, sind Schnellfahrer*innen außerhalb des Berufsverkehrs, Autokonzerne und -handel – nicht die normalen Autofahrer*innen, die zur Arbeit müssen.

Verkehrswegeplan aus grauer Vorzeit

Geregelt ist der Ausbau von Straße und Schiene im Verkehrswegeplan 2030 (BVWP). Er listet Infrastrukturprojekte auf, die zwischen 2016 und 2030 umgesetzt werden sollen. Er ist nicht neu, aber wird konstant überarbeitet und weiterfinanziert. Im März hat DIE LINKE im Bundestag die Kosten nachgefragt, Greenpeace hat auf Basis der Antwort gerechnet: Die geplanten Kosten der einzelnen Projekte waren meistens deutlich zu niedrig angesetzt. Bei nur 26 der Projekte waren die Kosten gleich oder geringer – bei 325 waren sie gestiegen, hatten sich teilweise vervielfacht. Basierend auf dieser Rechnung kommt Greenpeace zu dem Ergebnis, dass die Kosten im BVWP jährlich um über 10% steigen.

Um die ohnehin nicht ausreichenden Klimaziele der Regierung zu erreichen, müssen die Emissionen im Verkehr in den nächsten acht Jahren halbiert werden. Das geht nur über den Straßenbereich, der ca. 97% der CO2-Emissionen des Verkehrs verursacht. Eine Vielzahl der Verkehrswegeplan-Projekte sind auf mehr als acht Jahre ausgelegt, Bürgerinitiativen gehen bei manchen sogar von eher 20 Jahren aus, wie zum Beispiel beim Ausbau der A4 in Köln. Für den Ausbau wird die Rodenkirchener Brücke, die unter Denkmalschutz steht und eine der besterhaltenen Brücken in NRW ist, abgerissen und neu gebaut, mit mehr Spuren. Für das Bauprojekt verschwinden Wohn- und Naherholungsgebiete,  ein Wäldchen wird weiter zerschnitten und verkleinert und die Lebensqualität der Menschen in der Umgebung wird eingeschränkt.

Die Grünen versuchen ihre Zustimmung zum Autobahnbau damit zu verkaufen, dass eine höhere LKW-Maut für den Ausbau des Schienennetzes genutzt und verstärkt Photovoltaik an Autobahnrändern gebaut werden soll. Das ist jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, der die Klimaschädlichkeit nicht aufwiegt und die Umweltschäden nicht verhindert. Wie schon beim Ausbau der A49 in Hessen 2020, der Rodung des Hambacher Forstes oder der Zerstörung Lützeraths, geben sich die Grünen als Klimaschützer*innen, tragen die klimaschädliche Politik jedoch komplett mit. Damit ziehen sie gleich mit der FDP und machen Politik im Interesse der Auto- und Energiekonzerne.

Bahn siecht vor sich hin

CDU und CSU fordern eine weitere Zerschlagung des Bahn-Konzerns. Die Infrastruktur (Bahnhöfe, Schienen, Energie) soll vom Transport-Bereich getrennt werden, unter anderem, um mehr Konkurrenz zu ermöglichen. Das löst nicht das Problem des jahrelangen Sanierungsstaus im unterfinanzierten Schienennetz. Greenpeace hat berechnet, dass die aktuellen Sanierungsbeträge verdreifacht werden müssen. Um den angekündigten „Deutschlandtakt“ einzuführen, müssten die Ausgaben für den Ausbau versechsfacht werden. Eine Zerschlagung würde die Situation der Beschäftigten verschlechtern – und es käme zu dem aus anderen Bereichen bekannten Effekt, dass das Angebot in unrentablen Regionen schlecht bleibt oder gar nicht besteht.

Um das marode Schienensystem zu sanieren, bräuchte es viel: 17.000 km des Schienennetzes gelten als sanierungsbedürftig. Über 1000 Brücken haben gravierende Schäden, und müssten neu gebaut werden. Nach jahrzehntelangem Sparen ist der  Rückstau bei den Sanierungen enorm.

Da hört der Bedarf der Bahn noch nicht auf: Um den Umstieg vom Auto zum öffentlichen Verkehr zu schaffen, bedarf es eines riesigen Investitionspakets, das neben dem Ausbau und der Sanierung auch neue Züge im Nah- und Fernverkehr beschafft, zusätzliches Personal einstellt und die Löhne der Mitarbeiter*innen deutlich erhöht. Wir brauchen ein Schienennetz, das attraktiver ist als Inlandsflüge und PKW und gleichzeitig so bezahlbar, dass es sich jede*r leisten kann.

Umweltschäden

Problematisch ist nicht nur der Ausstoß der Autos, sondern auch der Bau, Betrieb und Unterhalt von Straßen ist stark klimaschädlich, nicht zuletzt wegen der benutzten Materialien. 

Neubauten durchschneiden Naturschutzgebiete, Wälder, Moore und andere Biotope. Lebensräume von bedrohten Tierarten werden zerstört. Diese Schäden werden in den Plänen des Verkehrsministeriums zumeist viel zu niedrig veranschlagt oder gar nicht berücksichtigt.

Auch nach dem Bau wird es nicht besser: Selbst wenn auf diesen Straßen irgendwann nur E-Autos fahren, bleibt es dabei, dass die Fahrzeuge umweltschädlich produziert werden müssen, dabei Stoffe wie Lithium und seltene Erden für Batterien verbraucht werden und immer mehr Altautos entstehen, die anderswo weiter Abgase ausstoßen.

Selbst da hört es noch nicht auf. Beim Fahren auf einer Straße entsteht Mikroplastik durch Abrieb: In Deutschland durchschnittlich mehr als 1 Kilo pro Person im Jahr, 33% der Mikroplastik in Deutschland entsteht durch den Straßenverkehr.  Dieses Mikroplastik landet zum größten Teil in der Natur und schadet dort Pflanzen und Tieren.

Statt weiter Vollgas auf der Autobahn zu geben, müssen wir die Notbremse ziehen. Der Verkehr muss bundesweit auf die Schiene verlagert werden. Dafür schlagen wir vor, die Autoindustrie zu verstaatlichen und bei demokratischer Planung auf den Bau von Bussen und Schienenfahrzeugen umzustellen.