Barbie-Film: Geschickt vermarkteter Feminismus oder Empowerment?

Der Barbie-Film bewegt die Massen: Alle gehen hin, alle schreiben darüber, alle sprechen darüber. Bereits jetzt hat er weltweit rund eine Milliarde Dollar eingespielt. Vor Greta Gerwig hatte bisher keine Solo-Regisseurin diese Gewinnmarke geknackt. Wir fragen uns, was hinter dem Film steckt – tatsächlicher Fortschritt, Inklusion und Diversität, oder doch nur ein Rebranding von Mattel?

Von Elisa Mellin, Bremen

Einerseits strömen Millionen Frauen und Mädchen aller Altersstufen begeistert in die Kinos, andererseits wettern verbitterte Männer über die angeblich porträtierte Misandrie. Das zeugt von einer Kraft, die andere Filme nicht haben. Wann wird im Hollywood-Kino schon so deutlich und oft das Patriarchat benannt? Es wird explizit über die Schwierigkeiten und Unmöglichkeiten im Leben von Frauen gesprochen, ohne sie lächerlich zu machen; über unerfüllbare Schönheitsideale, Herausforderungen in der Mutterschaft, Karriere und in romantischen Beziehungen mit Männern, die ihre Gefühle nicht zeigen dürfen, weil sie dann nicht mehr als stark gelten. Dem gegenüber werden Männer als dumm, schwach, unfähig, tollpatschig und abhängig dargestellt, in einem ständigen unerbittlichen Konkurrenzkampf untereinander und für den weiteren Verlauf der Geschichte weitgehend irrelevant.

Mattels Rebranding

Der Film platzt vor Diversität fast aus den Nähten, es gibt (nur) eine Barbie im Rollstuhl, eine (ja, nur eine) “dicke“ Barbie und tatsächlich spielt dort sogar eine Trans-Frau mit (ja, nur eine), nämlich Schauspielerin Hari Nef, ganz zum Grauen etlicher Republikaner*innen. Die blonde, weiße Hauptfigur nennt sich im Film selbst die “stereotypische” Barbie.
Jahrzehntelang verkörperte Barbie starre Geschlechterrollen und unerfüllbare Körperbilder, umhüllt von einem fragwürdigen Pseudofeminismus, der den Mädchen vorgaukelt, sie könnten trotz aller Schwierigkeiten alles werden, während sie dabei makellos, dünn, jung und sexy sind. Mattel schaut hier mit einem Augenzwinkern und ein wenig Selbstkritik auf sich selbst zurück. Diese ist Kern einer klug ausgetüftelten Rebranding-Strategie des Unternehmens: 2014 verkauften sich Barbies so schlecht wie niemals zuvor, weil sie in zu krassem Gegensatz zu den Lebensrealitäten von Frauen und Mädchen standen, die Puppe sei nicht mehr inspirierend und divers genug. 2019 begann Mattel mit dem Launching immer inklusiverer Puppen wie die im Film gezeigte Rollstuhl-Barbie, eine Barbie mit Beinprothese, mit Hörgerät oder eine Barbie mit Trisomie 21. Barbies aller Hautfarben und Kulturen kamen auf den Markt, große Barbies, kleine Barbies, dünne und “dicke“, eher normal gebaute Barbies, und noch viele mehr. Der Film ist im Grunde nur die Kirsche auf dem Marketing-Eisbecher. Bedeutend  ist aber die Tatsache, dass dieses Rebranding nötig war – es zeugt von einem progressiven Wandel im Bewusstsein der Menschen.

Reclaiming Pink

Und auch der Feminismus hat sich verändert. Während in der Vergangenheit zum Beispiel als “weiblich“ geltende Attribute (kurze Röcke, High Heels, Make Up, etc.) im Protest abgelehnt und eher “männlich“ gelesene Attribute reproduziert wurden, wird jetzt erkannt, dass auch die Ablehnung dessen Teil des Patriarchats ist. Was weiblich gelesen wird, wird nicht mehr ins Lächerliche gezogen und abgelehnt, sondern sich angeeignet, zurückerobert und gefeiert.

Der Film bietet am Ende keine Lösung, weder für die Frauen in der realen Welt noch für die Kens in Barbieland. Die einzige erkennbare Schlussfolgerung ist offenbar, dass wir das Patriarchat überwinden können, wenn wir nur oft genug darauf aufmerksam machen und die Verfassung ändern. Natürlich stellt der Film, der nicht nur von Warner Brothers, sondern auch von Mattel selbst produziert wurde, den Kapitalismus nicht infrage. Aber dennoch stellt er für viele vor allem junge Frauen und Mädchen eine erfrischende, ermutigende, tatsächlich inspirierende und ganz reale Veränderung in der Gesellschaft dar. Nutzen wir das für die feministische Bewegung, für unseren Kampf gegen das Patriarchat, gegen Diskriminierung und für eine sozialistische Gesellschaft, wo Diversität und selbstbestimmtes Leben für alle wirklich möglich wird!