„Heute früh war die Stadt in Rauch gehüllt“

Waldbrände in NordamerikaDer Klimawandel wirkt sich auf den Alltag der arbeitenden Bevölkerung auf vielerlei Art und Weise aus, vor allem bei den Jahreszeiten: der Winter bringt immer weniger Schnee, im Frühjahr kommen Regen und Fluten und im Sommer brennt die Sonne. Seit Mai sorgen Waldbrände in Kanada für Rauchwolken über weiten Teilen Nordamerikas. 

Nikolas Friedrich, München

Die Bilder aus Nordamerika wirken apokalyptisch: der Himmel in vielen Städten ist gelblich und die Sonne rot. Menschen packen ihre Coronamasken zum ersten Mal seit langem aus, um durch die Arbeits- oder Schultag zu kommen, ohne zu ersticken. Im Laufe der Wochen wurden mehr als 20.000 Menschen in ganz Kanada evakuiert. 

Viele Städte in der Region messen Rekordwerte der Luftverschmutzung. New York hatte am 07. Juni einen Hochwert von 465 µg/m³ (Feinstaubkonzentration in Mikrogramm pro Kubikmeter) -die ungesündeste Luftqualität der Welt,  höher als in Beijing und Shanghai.

Gabriel, ein New Yorker Lehrer, erzählt: „Meine Schule wurde am Ende ausgeräuchert. An dem Mittwoch haben wir noch nicht auf Distanzlernen umgestellt, aber am darauffolgenden Donnerstag und Freitag, als sowieso keine Kinder da waren.“

Montreal hatte am 24. Juni eine Feinstaubkonzentration von 225 µg/m³. Alex schrieb über den Tag: „Wegen der Windrichtung ist der Rauch zunächst an uns vorbeigezogen. Aber heute früh war die Stadt in Rauch gehüllt. Viele tragen Masken draußen und ich schätze, die meisten bleiben drinnen, falls sie können.“ Beide Städte waren jeweils an diesen Tagen die weltweiten Spitzenreiter der Luftverschmutzung. 

Näher an der Quelle des Rauches sind die Beschäftigten der Feuerwehr schon seit Mai überfordert, als die ersten Brände in Alberta begannen. Mit den Bränden auf der einen Seite und der Sparpolitik der konservativen Regierung auf der anderen Seite ist die berufliche Feuerwehr doppelt belastet. David Moris meinte, „Wir brauchen mehr von allem, immer mehr und mehr, bis wir die Situation unter Kontrolle kriegen.“

Die Waldbrände sind dieses Jahr besonders, da sie schon im Frühsommer beginnen. In Alberta gab es Brände schon im Mai, in Ontario und Quebec Anfang Juni. Die Ursachen sind unumstritten: Durch den Klimawandel regnet es im Sommer weniger, Waldbrände werden mit steigender Trockenheit wahrscheinlicher. 

Die Kombination aus einem milden Winter und einem heißen Frühjahr brachte besonders viel Zunder. Dazu kommt dieses Jahr noch das Wetterphänomen El Niño, das immer außergewöhnliche Hitze auf dem ganzen Planeten bringt. Das Schlimmste kommt diesen Sommer wohl noch. Die regelmäßigen Waldbrände Kaliforniens werden „die neue Normalität“ an der Ostküste.

Dieses Problem endet auch nicht an der Ostküste Nordamerikas. Weltweit werden Waldbrände häufiger, und sie verbrennen jährlich mehr Waldfläche. Länder wie Russland und Brasilien sind auch von diesem Trend betroffen. Auch die aktuellen Waldbrände in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind Anzeichen davon. 

Forschungsergebnisse zeigen, dass Waldbrände im Jahr 2021 eine Rekordmenge an CO2 ausgestoßen haben. So entsteht eine positive Rückkopplung: der Klimawandel führt zu mehr Trockenheit, die Waldbrände wahrscheinlicher macht, und der CO2-Ausstoß der Brände beschleunigt den Klimawandel weiter.  

Ereignisse wie diese zeigen es deutlich, dass die Klimakrise schon da ist, und dass Arbeiter*innen am meisten dafür zahlen. Die sogenannte Energiewende kommt offensichtlich zu langsam, um die nötigen Klimaziele zu erreichen. Wir können nicht warten, bis Energiekonzerne und die Großindustrie ihre Geschäftsfelder mit grünen Investitionen diversifiziert haben. Denn dafür hat die Arbeiter*innenklasse keine Zeit. 

Wir müssen den Klimawandel jetzt aufhalten und dessen aktuelle Effekte mindern. Massive Investitionen werden in den Bereichen Feuerwehr und Forstwirtschaft gebraucht, um auf kommende Brände vorbereitet zu sein. Eine Arbeitsplatzgarantie würde die Produktivkräfte bereitstellen, um Erneuerbare Energie und das Stromnetz auszubauen und mehr Fern- und Nahverkehr zu schaffen und zu befahren. Auch Beschäftigte in klimaschädlichen Sektoren haben das Know-How, um diese dringend notwendige Arbeit umzusetzen. Aber im Kapitalismus lässt sich Klimaschutz nicht, und schon gar nicht schnell, umsetzen, da immer  Profite erwirtschaftet werden müssen. Die Arbeiter*innenbewegung muss eine demokratisch geplante sozialistische Wirtschaft erkämpfen, um wirklichen Klimaschutz sicherstellen zu können. 

Bild: Anthony Quintano, CC BY 2.0)