Ab dem 1.9. läuft der TV-L (Tarifvertrag der Länder) aus. Aktuell werden bei ver.di und der GEW Forderungen für die kommende Tarifrunde diskutiert. Der Tarifvertrag der Länder gilt für ca. 1,2 Millionen Beschäftigte in 15 Bundesländern und ist maßgeblich für die Besoldung von ähnlich vielen Beamt*innen.
von Jan Hagel, Hamburg
Unter den TV-L fallen neben angestellten Lehrkräften die Beschäftigten von Hochschulen, Unikliniken und Landesministerien sowie die Stadtverwaltung in Hamburg. Hessen hat als einziges Bundesland einen separaten Tarifvertrag und ist von der Tarifrunde nicht betroffen.
Wie schon vor zwei Jahren werden tausende studentische Beschäftigte an den Hochschulen, deren Jobs bisher nicht tariflich geregelt und häufig prekär sind, einen Tarifvertrag für sich (TVStud) fordern und die Chance nutzen, gemeinsam mit den anderen Hochschulbeschäftigten zu streiken.
Ausgangslage: Reallohnverlust
Die letzte Tarifrunde im Herbst 2021 stand noch im Zeichen der Corona-Pandemie. Trotz der schon damals beginnenden Inflation waren ver.di und GEW mit einer bescheidenen Forderung nach 5% mehr Lohn in die Verhandlungen gegangen. Nach starken Warnstreiks wurde in der dritten Verhandlungsrunde weniger als die Hälfte der Forderung erreicht, für das Jahr 2022 verzichteten die Gewerkschaften komplett auf eine Lohnerhöhung und ließen sich mit einer Einmalzahlung abspeisen.
In diesem Jahr sind die Streikmöglichkeiten nicht mehr durch Corona begrenzt. Stattdessen könnten aber die gesunkenen Erwartungen nach den Tarifabschlüssen bei der Post, der Bahn und bei Bund und Kommunen die Streikbereitschaft schwächen, denn bei jeder Tarifrunde kommen mit der „Inflationsprämie“ versüßte Reallohnverluste heraus.
Echter Inflationsausgleich statt Prämie
Nötig wäre aber mehr: die Inflation liegt immer noch über 6% pro Jahr, seit 2021 sind die Reallöhne um 10% gesunken. Um die Preissteigerungen der vergangenen Jahre und die aktuelle Inflation auszugleichen, müsste man also ca. 16% Lohnerhöhung auf ein Jahr Laufzeit fordern.
Die ver.di-Betriebsgruppe an der Freien Universität Berlin schlägt zudem vor, für eine automatische Anpassung der Löhne an die Inflation zu kämpfen, wie sie neuerdings auch von der LINKEN gefordert wird. In Belgien und Luxemburg sind solche Indexlöhne üblich, sie wurden von starken Gewerkschaften vor vielen Jahrzehnten durchgesetzt und seitdem erfolgreich verteidigt.
Leider wird dieser Ansatz im DGB bisher kaum aufgegriffen, nur in einzelnen Haustarifen, zum Beispiel in der Luftfahrt, wurden von der Inflation abhängige zusätzliche Lohnerhöhungen vereinbart. In einer großen Tarifrunde wie beim TV-L könnte die Forderung nach Lohnindexierung eine starke Wirkung entfalten. Die Mehrheit der Arbeiter*innen in Deutschland würde die Forderung unterstützen und hoffen, dass sie zum Vorbild für ihre eigenen Löhne wird.
Wie viel der Staat seinen Beschäftigten bezahlt, ist letztlich eine politische Entscheidung. Landesbeschäftigte können mit Streiks weniger unmittelbaren wirtschaftlichen Druck erzeugen als in der Privatwirtschaft, zumal bei den Ländern etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten nicht streikberechtigte Beamt*innen sind. Daher ist bei Streiks im öffentlichen Dienst Solidarität aus der Bevölkerung besonders wichtig, und inspirierende Forderungen können dazu beitragen.