Die Union fordert im Bundestag die Einführung eines Sexkaufverbots in der Prostitution nach dem sogenannten Nordischen Modell. Fraglich ist, ob es ihr dabei tatsächlich um das Wohl der dort arbeitenden Menschen geht und wie hilfreich das Nordische Modell als Hilfe zur Bekämpfung von Missständen und Menschenhandel wirklich sein wird.
Elisa Mellin, Bremen
Das Nordische Modell wurde 1999 in Schweden entwickelt und ist seitdem in vielen nicht nur skandinavischen Ländern in Kraft getreten. Es sieht eine umfassende Kriminalisierung von Prostitution vor, ohne dabei die Menschen zu bestrafen, die in der Prostitution arbeiten. Gleichzeitig soll es für Angebote zum Ausstieg aus der Prostitution sorgen, unter der Bedingung, dass die ”Sexarbeit” umgehend eingestellt wird. Genauso beinhaltet es Aufklärungs- und Bildungsmaßnahmen in der Bevölkerung gegen Prostitution.
Die Meinungen über die Themen Sexarbeit, Sexindustrie und Prostitution polarisieren, auch in linken Kreisen. Die einen sehen in der Sexarbeit eine Dienstleistung wie jede andere und fordern eine Entstigmatisierung, die anderen sehen die Sexindustrie als entmenschlichend und in sich unterdrückerisch und sexistisch. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die der Sexindustrie und der Prostitution die Grundlage entziehen würde: Armut und Ausbeutung. Prostitition macht den Zugang zum Körper zur Ware, ist auf rassistische und sexistische Machtdynamiken angewiesen und reproduziert diese, auch in der Welt außerhalb der Bordelle. Vornehmlich sind es Frauen, die durch Armut, Perspektivlosigkeit, fehlende Aufenthaltserlaubnis, Drogenabhängigkeit oder von Männern in die Sexindustrie gezwungen werden. Viele Menschen, die in der Sexindustrie arbeiten, haben schon vor dem Einstieg Traumata erlitten und kommen aus prekären und gewaltvollen Verhältnissen. Wie einvernehmlich und freiwillig Prostitution tatsächlich ist, lässt sich nur sehr schwer feststellen. Außer Soldat*innen im Kriegseinsatz gibt es keinen anderen Beruf, bei denen 68%, nach anderen Statistiken sogar mehr, der dort Arbeitenden nach Beendigung ihrer Tätigkeit eine voll ausgeprägte Posttraumatische Belastungsstörung erleiden. Probleme wie Menschenhandel sind in diesen Statistiken noch gar nicht inbegriffen.
Natürlich sollten Menschen in der Prostitution trotzdem nicht stigmatisiert oder strafrechtlich verfolgt werden, damit ist niemandem geholfen. Das Nordische Modell wäre da doch eine gute Alternative, denn hier werden lediglich die Freier kriminalisiert – oder?
Das Nordische Modell
Tatsächlich gibt es einige Bündnisse und Vereine, sowie Aktivist*innen und/oder Aussteiger*innen, die das Nordische Modell unterstützen, allen voran Huschke Mau, die es geschafft hat mit ihrem Buch ”Entmenschlicht” den Diskurs über Prostitution in eine kritischere Richtung zu verschieben.
Haupstächlich soll das Sexkaufverbot die Nachfrage drosseln, aber es bleibt offen, wie gut das tatsächlich klappt. Viele Freier gehen ins Ausland oder auf den Schwarzmarkt, um sich dort zu bedienen und aktuell in der Prostitution Arbeitende fürchten um ihr Einkommen, da es aus verschiedensten Gründen meistens keine alternativen Angebote für sie gibt, auch nicht, wenn diese angeblich im Modell inbegriffen sind. So ein Gesetz muss von staatlichen Investitionen begleitet werden, zum Beipiel bräuchte es sofortige und gesicherte Aufenthaltsgenehmigungen, weil diese oft der einzige Weg für den Ausstieg sind und ebenso bräuchte es bezahlbaren Wohnraum, mehr Frauenhäuser und andere Schutzräume, Beratungsstellen und therapeutische Angebote, ebenso wie freien Zugang zu Verhütungsmitteln, Gesundheitsvorsorge, ärztlicher Versorgung und Sprachunterricht für den hohen migrantischen Anteil in der Prostitution.
Es ist stark zu bezweifeln bis absolut ausgeschlossen, dass die Union solche Maßnahmen vorsieht, wenn sie vom Nordischen Modell spricht und auch die von der Fraktion vorgeschlagenen Hilfsangebote können schnell wieder weggekürzt oder gar nicht erst umgesetzt werden, so wie es in Schweden bereits passiert ist.
Wird die Union jetzt feministisch?
Tatsächlich ist auffällig, dass ausgerechnet CDU/CSU nun das Sexkaufverbot fordern.
2001 stellten sie sich gegen die Legalisierung der Prostitution in Deutschland und wollten somit, dass sie weiterhin als ”Sittenwidrigkeit” geahndet wird. Von Entstigmatisierung kann hier keine Rede sein, denn so betrachtet die Union Prostitution womöglich immer noch: Als sittenwidrig, nicht moralisch vertretbar, nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar – aber sie stellt ihre Forderung unter dem Deckmantel einer feministischen Revolution innerhalb der konservativen Parteien.
Die CDU hat in den letzten Jahren vermehrt vor allem Wählerinnen verloren, seitdem Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer nicht mehr im Amt sind, gibt es keine weiblichen Spitzenpolitikerinnen mehr in der Union, auch in keinem Landtag (außer in Hessen) gibt es eine CDU-Fraktionsvorsitzende. Die ”starken Frauen” am großen Hebel kommen vornehmlich aus der SPD und den Reihen der Grünen.
Es liegt nahe, dass die Union einen ”progressiveren” Imagewechsel wagen will, um mehr Zuspruch von Frauen zu bekommen. Das wird auch sichtbar durch die Gründung des Netzwerks Women@CDU, in dem Frauen auf paternalistische Art und Weise ermutigt werden, sich an der Kommunalpolitik zu beteiligen. Darin wird Christine Stumpp, stellvertretende CDU-Generalsekretärin zitiert: “Ich kann den Frauen nur Mut zusprechen. Es sieht manchmal komplizierter aus als es ist.”
Dass die Union überhaupt diese Tendenz einschlagen muss, liegt an den vielen starken feministischen Kämpfen in den letzten Jahren, die weltweit Erfolge erzielen konnten.
Wer sich fragt, was die CDU in den letzten Jahrzehnten für das Wohlergehen von Frauen und transgeschlechtlichen Menschen (die verstärkt von Prostitution betroffen sind) getan hat, wird wenige bis keine Inhalte finden. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass sich mit der Einführung des Nordischen Modells in das Programm der CDU Dinge zum Guten wenden werden, schon gar nicht angesichts der zahlreichen Kürzungen, die vor allem im sozialen und gesundheitlichen Sektor vorgenommen werden sollen – und der Staat, ebenso wie die Polizei als dessen Personifikation, spielen im Kampf um Verbesserungen für Unterdrückte eigentlich nie eine positive Rolle.
Bild: Andreas Trojak, CC BY 2.0 DEED