Am 9. Dezember wurde ein Abschluss angenommen, der bei etwas längerer Laufzeit und mit mehr Null-Monaten die Erhöhungsschritte des TVÖD übernimmt. Eine „Stadtstaatenzulage” gibt es nur für Erzieher*innen und wenige Sozialarbeiter*innen. Studentische Beschäftigte bekommen einen höheren Mindestlohn und länger laufende Arbeitsverträge, aber keinen Tarifvertrag.
Wie schon beim TVÖD bedeutet der Abschluss, dass bezogen auf die Zeit seit der letzten Tarifrunde 2021 Reallohnverluste hingenommen werden. Die gesammelte Inflation seit Herbst 2021 beträgt 13,3%, durch den Abschluss steigen die Löhne im Durchschnitt um 11,1%, also bleiben 2,2% Verlust.
Die tabellenwirksame Lohnerhöhung kommt in zwei Schritten: im November 2024 gibt es 200 Euro mehr Lohn, im Februar 2025 noch einmal 5,5%. Im ersten Jahr der Laufzeit wird lediglich die steuerfreie „Inflationsausgleichsprämie“ von 3000 Euro gestückelt ausgezahlt. Diese Erhöhungen gelten für eine Vollzeitstelle, Teilzeitkräfte bekommen bei den Festbeträgen entsprechend weniger. Für Azubis gibt es nur 1500 Euro gestückelte Einmalzahlung, außerdem insgesamt 150 Euro mehr Ausbildungsvergütung.
Erwartungen erfüllt, Forderungen nicht
Verglichen mit den Forderungen – 10,5%, mindestens 500 Euro auf ein Jahr Laufzeit – ergeben die erzielten Lohnerhöhungen auf die Laufzeit von 25 Monaten gerechnet für viele Kolleg*innen weniger als die Hälfte.
Statt der geforderten Stadtstaatenzulage von 300 Euro für die Beschäftigten der Länder Berlin, Bremen und Hamburg gibt es nur eine Tarifierung der in Berlin schon bestehenden Hauptstadtzulage von 150 Euro und eine Zulage für den Sozial- und Erziehungsdienst in den Stadtstaaten, von der wiederum die Schulsozialarbeiter*innen ausgeschlossen sind. In Hamburg und Bremen war die “Stadtstaatenzulage” die zentrale Forderung. Dass außer einer „Gesprächszusage“ für die nächste Tarifrunde nichts erreicht wurde ist eine schmerzhafte Niederlage. Dort gilt der TV-L für die gesamte Verwaltung, daher fallen viel mehr Beschäftigte als woanders unter diesen Tarifvertrag,
Dennoch dürfte ein großer Teil von ihnen mit dem Abschluss zufrieden sein. Von Anfang an haben ver.di und GEW viel mit dem zu erreichenden Niveau des TVÖD argumentiert. Der Organisationsgrad ist bei den Ländern erheblich geringer als bei den Kommunen, die Hälfte der Beschäftigten sind Beamt*innen und haben kein Streikrecht. Dementsprechend waren auch die Warnstreiks wesentlich kleiner. In dieser Tarifrunde nahmen etwa 70.000 Beschäftigte an Warnstreiks teil, beim TVÖD Anfang des Jahres waren es Hunderttausende, obwohl beide Tarifverträge jeweils über zwei Millionen Beschäftigte betreffen. Die Schwäche der Gewerkschaften ist der Grund, warum es den TV-L überhaupt gibt – die Länder haben sich vor knapp 20 Jahren vom vorher einheitlichen Tarifvertrag für den gesamten öffentlichen Dienst abgespalten, weil sie so schlechtere Löhne und Bedingungen, zum Beispiel bei der Eingruppierung, durchsetzen konnten.
War mehr drin?
Vor diesem Hintergrund erscheint es als Erfolg, dass die Löhne im TV-L im Februar 2025 das Niveau des TVÖD erreichen bzw. knapp darüber liegen werden. Ein Erzwingungsstreik, um ein besseres Ergebnis zu erkämpfen, wurde von vielen Beschäftigten aufgrund des geringen Organisationsgrads nicht als realistische Option gesehen.
Trotzdem bleibt die Frage, ob in der aktuellen Situation mehr möglich gewesen wäre. Im öffentlichen Dienst bleiben viele Stellen mangels Bewerber*innen unbesetzt. Trotz aller Sparpolitik fürchten auch die Landesregierungen, dass ihre Verwaltungsapparate nicht dauerhaft mit niedrigeren Löhnen als bei den Kommunen funktionieren werden. Mit einer klaren Orientierung auf fortgesetzte Warnstreiks und eine vierte Verhandlungsrunde hätte man weitere Zugeständnisse wie einen Tarifvertrag für die studentische Beschäftigte oder einen Ausgleich für die hohen Lebenskosten in vielen Großstädten erreichen können. Über diese Möglichkeit wurde innerhalb der Gewerkschaften diskutiert.
Die Bundestarifkommission hat diese Option aber ausgeschlossen, nachdem das jetzt angenommene Angebot der Länder auf dem Tisch lag. Sie ging davon aus, dass die Kolleg*innen angesichts des Angebots nicht mehr bereit gewesen wären, für weitere Verbesserungen zu streiken. Das wäre dann allerdings auch eine Folge der Argumentation der Gewerkschaftsführungen in der Vorbereitung der Tarifrunde, in der parallel zu den eigentlichen Forderungen viel von der Angleichung an den TVÖD gesprochen wurde, die als eigentliche Kernforderung wirkte. Frank Werneke bezeichnete den Abschluss mit Bund und Kommunen sogar als „Goldstandard“.
Wenn dann die Arbeitgeber eine (um ein Jahr verzögerte) Angleichung anbieten, sehen viele Kolleg*innen die Forderung als erfüllt und die Streikbereitschaft sinkt. Wenn man sich stärker auf die beschlossenen eigentlichen Forderungen konzentriert hätte, statt von Anfang an die Erwartungen zu senken, hätten ver.di und GEW vielleicht mehr erreicht.
Die ewigen 3000 Euro
Die Inflationsausgleichsprämie kommt in praktisch jedem Tarifabschluss seit ihrer Einführung durch die Bundesregierung 2022 vor. In den Gewerkschaften gibt es daran zu Recht viel Kritik, weil die 3000-Euro-Prämie nicht tabellenwirksam ist und damit nicht zur langfristigen Entwicklung der Löhne beiträgt und andererseits die Arbeitgeber dafür keine Sozialabgaben zahlen, so dass sie auch keine Auswirkungen auf die spätere Rente der Beschäftigten hat. Daher betrachten DGB-Gewerkschafter*innen die Einmalzahlung allenfalls als nettes Extra, aber nicht als Ersatz für tabellenwirksame Erhöhungen. Bei der Kommunikation des Abschlusses an die Gewerkschaftsmitglieder ließ der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke diese Kritik fallen und behauptete, die „Inflationsprämie“ sei alternativlos. „Würden wir darauf verzichten hätten wir nicht einen Prozentpunkt mehr, sondern eine zu versteuernde Einmalzahlung.“, erklärte er in einem Livestream im Anschluss an die letzte Verhandlungsrunde – eine seltsame Logik, mit der man Verzicht auf quasi jede gewerkschaftliche Forderung begründen könnte.
Foto: Taro Tatura