Dorfantifa wirkt – tausende Menschen weisen AfD in Eitorf in die Schranken

In der kleinen Gemeinde Eitorf (20.000 Einwohner*innen) im südlichen Nordrhein-Westfalen protestierten am 23. Januar tausende Menschen gegen einen Auftritt der AfD. Das macht Mut für zukünftige Demonstrationen außerhalb der großen Städte.

Von Patrick Haas, Siegburg

In Eitorf residiert seit 2022 mit Roger Beckamp ein AfD-Abgeordneter, der für seine Verbindungen zur faschistischen Identitären Bewegung bekannt ist und auch nach den Enthüllungen der Correcitv-Recherchen verkündete, dass für ihn die „millionenfache Remigration“, also die faktische Deportation von Millionen Menschen ein politisches Versprechen wäre.

Die AfD bittet zum Tanz …

Mit diesen und ähnlichen inszenierten Tabubrüchen versucht er, sich und dem Kreisverband Rhein-Sieg der AfD die höchstmögliche Reichweite in den sozialen Medien zu verschaffen, um damit von der fehlenden Personalstärke abzulenken.

Die Gegendemo zum AfD-Auftritt organisierte ein „breites Bündnis“, das vorrangig aus den im Eitorfer Gemeinderat vertretenen Parteien bestand. Dieser Aufruf hatte inhaltlich deutliche Schwächen. So wurde der Verfassungsschutz als „demokratisches Kontrollorgan“ bezeichnet und jegliche Kritik an ihm als „antidemokratisch“ einem Framing unterzogen. An diesem Aufruf gab es schon im Vorfeld Kritik, die von der Linksjugend Rhein-Sieg formuliert wurde. Die Organisator*innen ließen über interne E-Mails verkünden, dass die Linksjugend bei der Demonstration nicht willkommen wäre. Dies zeigt, dass die bürgerlichen Parteien auch in der Provinz im Kampf gegen Rechts falsche Freund*innen sind.

Strategischer Fehler

Schon früh zeigte sich, dass die Demo groß werden würde, als sich am Eitorfer Bahnhof statt der 200 angekündigten Menschen immer mehr Personen einfanden und der Bahnhofsvorplatz in einem Menschenmeer versank. Dort erschien auch die Linksjugend mit unserem Transparent mit der Aufschrift “Dorfantifa – es gibt kein ruhiges Hinterland”, das bei vielen Anwesenden auf Sympathie stieß. Aufgrund des Andrangs setzte sich der Demozug mit Verspätung in Bewegung.

Kurz nach dem Start wurde schon die erste Schwäche in der Organisation der Demo offenbar: Aus Angst vor einer Konfrontation mit der AfD wurde der Parkplatz vor dem Veranstaltungsort der AfD überlassen. Diesen versuchten sie für eine eigene Kundgebung zu nutzen, um die Gegendemo zu provozieren. Doch schon vor dem eigentlichen Start der Gegendemo hatten sich hier vorrangig junge Menschen eingefunden, die den Parkplatz für den Gegenprotest eroberten. Als der Demozug am Parkplatz vorbeizog, gesellten sich spontan noch mehrere hundert Menschen dazu, die einfach an den wenigen Einsatzkräften vorbeigingen. So wurde das Dutzend AfD-Mitglieder auf den Eingangsbereich zurückgedrängt.  Zusammengekauert hinter einem Transpi und umkreist von behelmten Polizist*innen wurden sie durch den Gegenprotest niedergebrüllt. Als eine Soundbox ihren Weg auf den Parkplatz fand, konnten auch der Nieselregen und die Kälte die gute Stimmung nicht vermiesen. Selbst die Pfleger*innen eines Pflegedienstes, der ebenfalls beim Veranstaltungsort untergebracht ist, stimmten bei „Schrei nach Liebe“ mit ein, während sich die AfDler*innen frustriert ins Gebäude zurückzogen.

Schaler Nachgeschmack

Erst später erfuhren die Protestierenden auf dem Parkplatz, dass ihre Intervention auch ein anderes Ende hätte nehmen können, denn der Anmelder hatte sie von der Demonstration ausgeschlossen. Damit hätte die Polizei jederzeit den Parkplatz auch mit Gewalt räumen können. Hierzu kam es nur nicht, weil die Polizei mit zu wenigen Einsatzkräften vor Ort war und auch vorrangig damit beschäftigt war, die anwesenden AfD-Mitglieder und -Sympathisant*innen vor den Auswirkungen ihrer eigenen Provokationen zu bewahren. Es ist eine Sache, den Gegenprotest auf diese Weise zu spalten, auf einem anderen Papier steht jedoch die Tatsache, dass die Menschen auf dem Parkplatz hierüber nicht informiert wurden. Wenn die Demonstrationsleitung ihre spalterischen Absichten transparent kommuniziert hätte, wäre es möglich gewesen, eine spontane Kundgebung auf dem Parkplatz anzumelden.

Wie ernst ist ein bürgerlicher Protest gegen Rassismus überhaupt gemeint ist, wenn am Ende der Demo ein Mitglied der CDU in seinem Redebeitrag über eine „geordnete Migration“ spricht und nur die Vertreter*in der Linken darauf hinweist, dass „Nie wieder“ auch bedeutet „Nie wieder die Sprüche der AfD zu kopieren“?

Druck von unten

Auch wenn der Protest seine Schwächen hatte, zeigt alleine die große Anzahl an Protestierenden das Bedürfnis der Menschen, ihrer Entrüstung über die rassistische Politik der AfD Ausdruck zu verleihen. Die Linksjugend Rhein-Sieg wird deshalb weiter bei den lokalen Protesten aktiv sein und darauf hinweisen, dass eine Mobilisierung von unten notwendig ist, um die AfD auch im ländlichen Raum in die Schranken zu weisen.