Schon seit mehreren Monaten befindet sich die GDL bei der Deutschen Bahn, der City-Bahn Chemnitz und Transdev in Tarifauseinandersetzungen, mit weiteren Eisenbahnunternehmen hat sie bereits Tarifverträge abgeschlossen. Sie kämpft für berechtigte Forderungen: 555€ mehr Lohn, 35-Stunden-Woche für Schichtarbeitende bei vollem Lohnausgleich, 3000€ steuerfreie Einmalzahlung und geregelte Freizeit bei Schichtarbeit.
von Jan Hagel, Hamburg
Nach mehreren Verhandlungsrunden und zwei bundesweiten Warnstreiks führte die GDL im Dezember Urabstimmungen bei der Deutschen Bahn, Transdev (privatisierte Regionalbahnen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, NRW und S-Bahn Hannover), der City-Bahn Chemnitz und mehreren Leiharbeitsfirmen durch, bei denen überall deutlich über 90% der Kolleg*innen für Streik stimmten. Über Weihnachten und Silvester wurde aber nicht gestreikt, so dass der Erzwingungsstreik am 10.1. mit einer 60-stündigen Arbeitsniederlegung begann.
Die Beteiligung war, wie bei GDL-Streiks üblich, hoch. Im Fernverkehr fielen 80% der Züge aus, im Nahverkehr fuhren etwa in Hamburg zu den Stoßzeiten nur ein Viertel der üblichen S-Bahnen.
Bei Transdev wurde der Streik sechs Stunden früher beendet, weil das Unternehmen sich bereit erklärt hatte, „über alle Forderungen ernsthaft zu verhandeln.“
Anders als in früheren Tarifrunden war Hetze gegen die GDL dieses Mal nicht das Hauptthema in den bürgerlichen Medien. BILD und Co. griffen zwar wie üblich die GDL an, weil sie wagt ihr Streikrecht wahrzunehmen, aber zu Beginn der Erzwingungsstreiks waren vor allem die am 8.1. stattgefundenen Proteste von Landwirt*innen, die mit Straßenblockaden ebenfalls den Verkehr beeinträchtigten, das bestimmende Thema. Ihnen wurde, trotz verursachter Staus, vor allem von rechten Zeitungen mit deutlich mehr Wohlwollen begegnet als streikenden Bahnbeschäftigten.
Vor dem 8.1. hatten Telegram-Kanäle aus der Querdenken-Bewegung und dem Umfeld der AfD versucht, die GDL für einen vermeintlichen „Generalstreik“ gemeinsam mit Bauernverbänden und Speditionsunternehmer*innen zu vereinnahmen. Die Proteste von Selbstständigen und Unternehmer*innen, die sich als Besitzer*innen ihres eigenen Bauernhofs oder Fuhrparks quasi selbst „bestreiken“ und ihre Forderungen nach Erhalt von Subventionen oder Steuervergünstigen an den Staat richten sind aber etwas anderes als ein Streik von Arbeiter*innen, die von ihrem Betrieb mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen fordern und durch den kollektiven Entzug ihrer Arbeitskraft unmittelbar Druck aufbauen können.
Deutschlands beste Gewerkschaft?
Die GDL wird nicht nur in den Medien weiterhin als die kämpferischste Gewerkschaft in Deutschland wahrgenommen. Ihre reine Lohnforderung ist in dieser Tarifrunde zwar geringer als die der größeren Bahngewerkschaft EVG Anfang des Jahres, aber die zusätzlich geforderte Arbeitszeitverkürzung um drei Stunden bei vollem Lohnausgleich und vor allem die Bereitschaft, als einzige Gewerkschaft in einer großen Tarifrunde einen Erzwingungsstreik nicht nur anzudrohen, sondern auch durchzuführen macht Eindruck und verdient die Solidarität aller Arbeiter*innen.
Die EVG hatte bei der Deutschen Bahn im Sommer 2023 zwar nach mehreren Warnstreiks eine Urabstimmung durchgeführt, sich dann aber auf eine Schlichtung eingelassen und ohne weitere Streiks einen Abschluss akzeptiert, der von fast der Hälfte ihrer Mitglieder abgelehnt wurde.
Aber auch die GDL hat schon während des Arbeitskampfs Abstriche bei den Forderungen gemacht. Ihre Führung bezeichnet den im Dezember erreichten Tarifabschluss bei Netinera, deren Züge unter anderem unter den Marken ODEG, vlexx, metronom und erixx fahren, als „historisch“, „marktprägend“ und will ihn auf die DB übertragen. Erreicht wurden bei 2 Jahren Laufzeit 420€ Lohnerhöhung, jeweils 210€ im März und Dezember 2024 – das entspricht dem Niveau des letzten EVG-Abschlusses. Zusätzlich wurde die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn für Schichtarbeitende erreicht, aber mit einem gesonderten Tarifvertrag, der bis 2027 gilt und in diesem Zeitraum die Arbeitszeit schrittweise auf 35 Stunden reduziert.
In ihrer Pressemitteilung zu Netinera betont die GDL, dass dort „nicht ein einziges Mal“ gestreikt wurde und gibt sich betont sozialpartnerschaftlich, die Mitglieder wurden zum Abschluss – wie beim Beamtenbund üblich – nicht befragt.
Arbeiter*innen brauchen (arbeits-)kampfbereite und demokratisch organisierte Gewerkschaften, um ihre Interessen durchzusetzen. Um das zu erreichen, sollten Kolleg*innen in den DGB-Gewerkschaften, aber auch in der GDL sich zusammenschließen, zum Beispiel in der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften