Krise im Wohnungsbau: Mieten stagnieren – Wohnungsnot wächst

Bei ihrem Amtsantritt hat die Ampel verkündet, für den Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr sorgen zu wollen. Diese Zahl wurde nie erreicht, und jedes Jahr werden weniger Wohnungen gebaut. 2023 waren es noch 270.000, für 2024 werden 225.000 prognostiziert. Der Grund: Nach kapitalistischer Logik macht Wohnungsbau keinen Sinn mehr.

von Jan Hagel, Hamburg

Dabei sind laut den aktuellsten Zahlen von 2022 etwa 600.000 Menschen in Deutschland wohnungslos. Die meisten von ihnen leben in Wohneinrichtungen und Notunterkünften, etwa 50.000 sind obdachlos und leben auf der Straße. Eine Sozialwohnung zu bekommen ist fast unmöglich, in vielen Orten stehen mehr Menschen auf Wartelisten als es überhaupt Sozialwohnungen gibt. Bundesweit sind das noch ca. eine Million – vor 20 Jahren waren es doppelt so viele, in den 1980ern gab es sogar vier Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Und es fehlen nicht nur Sozialwohnungen – generell gibt es kaum noch bezahlbaren Wohnraum, bei Neubauten liegen die Mieten pro Quadratmeter im Durchschnitt bei 22€ in Berlin, 17,40€ in Hamburg und 12,30€ in Leipzig.

Mieten: Zu hoch für Arbeiter*innen, zu niedrig für Konzerne

Nach vielen Jahren mit schnell steigenden Mieten sind die Mieten im Bundesdurchschnitt seit 2020 nur noch um etwa 2% im Jahr gestiegen – deutlich unterhalb der allgemeinen Inflation und sogar weniger als die Löhne. Das liegt vor allem daran, dass sich noch höhere Mieten kaum jemand leisten kann.

Die Mietentwicklung widerlegt auch die Behauptung von AfD und anderen Rassist*innen, dass hohe Mieten eine Folge von Zuwanderung und dem Wohnraum-Bedarf von Migrant*innen seien. Obwohl durch den Ukraine-Krieg 2022 fast eine Million Menschen nach Deutschland geflüchtet sind, sind die Mieten nicht gestiegen.

Aus Sicht der Immobilienkonzerne und Vermieter*innen müssten die Mieten aber noch teurer sein, damit sich der Bau neuer Wohnungen lohnt.

Lars von Lackum, Chef des Konzerns LEG, erklärt, dass „wir aktuell in Deutschland keinen bezahlbaren Wohnungsneubau hinbekommen“, weil bei 4000 Euro Baukosten pro Quadratmeter die Miete im Neubau mindestens 18 Euro betragen müsste. Anders ausgedrückt: Wenn die kompletten Baukosten nicht binnen knapp 20 Jahren von den Mieter*innen bezahlt werden, wollen die Konzerne nicht bauen. Sie brauchen schließlich das Geld dringend für ihre Aktionär*innen: Lackums LEG zahlte 2022 43% der gesamten Mieteinnahmen als Dividenden aus. Zudem steigen die Baukosten, und seit 2022 kosten Kredite wieder Zinsen.

Ähnliches gilt für private Bauherren: Je später ein Mietshaus Gewinn abwirft, desto größer die Gefahr, diesen Zeitpunkt nicht mehr zu erleben – da baut man lieber gar nicht erst und kauft stattdessen Aktien.

Im Kapitalismus ist das auch logisch und richtig, denn der Gewinn ist der einzige Zweck jeder wirtschaftlichen Tätigkeit, und wenn andere Investitionsmöglichkeiten schneller mehr Gewinn abwerfen wäre es falsch, Wohnungen zu bauen. Die Folge davon ist neben Wohnraummangel auch eine beginnende Krise der Bauindustrie: Aktuell sind in Deutschland die Hochbau-Kapazitäten nur zu 66% ausgelastet, Bauunternehmen warnen vor Pleiten und Massenentlassungen. Als Ausweg aus der Krise fordern sie gemeinsam mit den Wohnungsbaukonzernen „einfachere Bauvorgaben“, also die Absenkung teurer Klimaschutzanforderungen bei Neubauten.

Sozialismus: Bezahlbarer Wohnraum für alle

In einer sozialistischen Gesellschaft könnten die vorhandenen Kapazitäten genutzt werden um gute, energieeffiziente Wohnungen zu bauen. Nicht für Profite, sondern für die Menschen die darin wohnen. Die Mieter*innen müssten nicht für Dividenden zahlen, die Miete würde nach den Kosten für Instandhaltung und den gesellschaftlich notwendigen Bau neuer Wohnungen kalkuliert. Bei den aktuellen Baukosten müsste eine solche Kostenmiete im Bereich von 7 Euro pro Quadratmeter liegen. Die Baupreise enthalten aber auch die Profite, die die Besitzer*innen von Bauunternehmen, Baustoffherstellern, Baumaschinenfabriken und so weiter entlang der „Wertschöpfungskette“ abschöpfen. Auch sie könnten in einer sozialistischen Gesellschaft weitgehend eingespart werden.

Dass bezahlbare(re) Mieten sogar heute im Kapitalismus prinzipiell möglich sind, zeigen viele Genossenschaften und kommunale Wohnungsbaugesellschaften. Leider gehören aber die meisten Wohnungen profitorientierten Unternehmen und Privatvermieter*innen. Staatliche bzw. kommunale Wohnungen wurden zu großen Teilen privatisiert, und der Staat macht keine Anstalten, sich Wohnraum wieder anzueignen oder zu bauen. In Berlin hat zwar die Mehrheit der Bevölkerung 2021 die Enteignung der größten Immobilienkonzerne gefordert, passiert ist seitdem aber nichts, der damalige SPD-geführte Senat hat den Volksentscheid ebenso wenig umgesetzt wie die aktuelle Berliner GroKo.

Anscheinend ist der kapitalistische Staat heute – anders als vor 50 oder 100 Jahren – nicht mehr in der Lage, im großen Stil Wohnraum zu schaffen oder die Mieten zu senken.Schon die Forderung nach der Enteignung der größten Miethaie sprengt den Rahmen des im Kapitalismus möglichen.

Das heißt nicht, dass die Organisierung von Mieter*inneninitiativen, Protestaktionen und Mietenstreiks sinnlos wäre – es ist durchaus möglich, Zugeständnisse von einzelnen Vermieter*innen zu erkämpfen. Um aber die Wohnungsnot insgesamt zu überwinden, muss der Kapitalismus abgeschafft werden.

Foto: Im Fokus, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons