Es sollte der Einstieg in die große Debatte um kollektive Arbeitszeitverkürzung werden, die IG Metall wollte in der Stahl-Tarifrunde an alte Erfolge anknüpfen. Der Verhandlungsführer Knut Giesler, Bezirksleiter der IGM in NRW, hatte im Vorfeld der Tarifrunde davon gesprochen, dass die Kolleg*innen in den Gießereien, Hütten und Walzwerken kampfbereit seien. Ziel der Arbeitszeitverkürzung sollte der Erhalt von Arbeitsplätzen sein, um den anstehenden Umbau der Industrie hin zu „grünem Stahl“ zu bewerkstelligen. Dabei geizte er nicht mit Blicken in Richtung Arbeitgeber*innen, die das doch verstehen müssten.
Von Marc Treude, Aachen, aktiv in der IG Metall
Die letzte Tarifrunde in der Stahlbranche war die erste größere nach dem Ende der Pandemie. Dementsprechend waren die Erwartungen hoch, erreicht werden konnte im Jahr 2022 jedoch nur ein Reallohnverlust. Dennoch waren die streikenden Belegschaften nicht absolut unzufrieden, hatten sie doch gezeigt, dass sie noch kämpfen können. Entsprechend ging es in der Tarifauseinandersetzung Ende 2023 auch darum, sich einen Anteil am Produktivitätszuwachs zurückzuholen. Immerhin musste auch die hohe Inflation ausgeglichen werden. Entsprechend sah die Forderung nach einem Lohnplus von 8,5% und der Forderung nach bezahlter Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden aus. Darunter sollte und durfte es nicht gehen.
Hohe Kampfkraft in Verhandlungen verkauft
Die Beschäftigten wurden also mehrfach mobilisiert – und sie streikten! Vor der vierten Verhandlungsrunde am 14. Dezember wurde zu 24-Stunden-Streiks aufgerufen, es beteiligten sich 30.000.
Herausgekommen ist jedoch deutlich zu wenig: Für 2024 lediglich eine Inflationsausgleichsprämie von 1500 Euro, die in zehn Tranchen zu je 150 Euro zwischen Februar und November gezahlt wird. Erst ab dem 1. Januar 2025 gibt es ein Plus von 5,5%, die Einigung gilt bis Ende September 2025.
Die geforderte Arbeitszeitverkürzung muss von den Kolleg*innen teilweise selbst bezahlt werden: wer von jetzt 35 Stunden in der Woche zukünftig nur noch 32 Stunden arbeitet, bekommt nur 33 Stunden bezahlt. Gleichzeitig haben die Arbeitgeber die Zusage erhalten, dass die Arbeitszeit auch auf 38 Stunden erhöht werden kann, „falls die Transformation einen Mehrbedarf an Beschäftigung erfordert“. Dies könne aber nur auf Basis von freiwilligen Betriebsvereinbarungen geschehen, weiss man zu beruhigen.
Für die Beschäftigten ist dieses Ergebnis ein Schlag ins Gesicht, ihre Streikbereitschaft wurde verraten für nichts. Mitglieder der Tarifkommission berichteten, dass sie von den Verhandlungsergebnis im Radio hörten, während sie auf dem Weg zur Sitzung waren! Gleichzeitig erhielten die Unternehmen Subventionen in Höhe von 6 Milliarden Euro, für Dekarbonisierung und Umstellung auf Wasserstoff. Allein die Salzgitter AG erzielte 2022 einen Gewinn von rund einer Milliarde Euro. Von diesen Geldern kommt nun nichts bei den Beschäftigten an. „Sicherheit in der Transformation“´sagte Knut Giesler – die Wirklichkeit sieht leider anders aus.
Pressemitteilung der IG Metall: https://www.igmetall-nrw.de/news/2021/verhandlungsergebnis-stahl/
Weiterführender Artikel auf der Seite der VKG: https://vernetzung.org/tarif-in-der-stahlindustrie-da-war-mehr-drin/