Das Weltbild der AfD: Rassistisch, sexistisch, neoliberal

Ein Flusskrebs zerreißt das Wahlprogramm der AfD mit seinen Scheren. Eine Anspielung darauf, dass AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah Feminismus und den Sozialstaat als "Krebs" bezeichnet.

Die AfD profitiert von Verunsicherung und Frustration über wirtschaftliche Lage und Kriegsgefahr. Sie wird auch von Arbeiter*innen, Erwerbslosen und Jugendlichen gewählt. Doch die Umsetzung der Forderungen der AfD würde auf einen Generalangriff auf den Lebensstandard und die Rechte der arbeitenden Bevölkerung hinauslaufen. Das Wirtschaftsprogramm der AfD ist wie eine FDP auf Chrystal Meth, gewürzt mit dem Gift von Rassismus, Sexismus und dem Hass gegen Minderheiten. Faschisten wie Höcke verkleistern den sozialen Kahlschlag mit ihrer Rhetorik als „national und sozial“.

Zusammengestellt von Doreen Ullrich, Aachen, Verena Saalmann und Claus Ludwig, Köln.

Arbeiter*innenfeindlich

Die AfD agiert gegen Tarifbindung und Streikrecht. Rene Springer, Vorsitzender der AfD Brandenburg, erklärte, dass die Gewerkschaften nicht die Interessen der arbeitenden Bevölkerung vertreten, und spricht von „substanzloser Klassenkampfrhetorik“. Guido Reil, Abgeordneter im Europaparlament, drohte der IGBCE (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie) mit „einem Todesstoß“ – ein Schelm wer da an 1933 denkt.

Arbeitslose sollen zu bis zu 15 Stunden unentgeltlicher, gemeinnütziger Arbeit in der Woche zwangsverpflichtet werden, unter Androhung von Sanktionen. So würde es ermöglicht sozialversicherungspflichtige Jobs zu streichen und sie kostenlos von den Menschen machen zu lassen, die sie sonst bezahlt machen würden.

Die Bundesagentur für Arbeit soll aufgelöst werden, so dass Arbeitslose direkt vom Jobcenter betreut werden. Da die Agentur für Arbeit bisher auch für die Arbeitslosenversicherung zuständig war, würde diese Umgestaltung viel Raum bieten, die frühere AfD-Forderung nach der Privatisierung der Arbeitslosenversicherung wieder aufzugreifen. Die Situation der Pflegekräfte würde durch die AfD weiter verschlechtert: Laut Wahlprogramm 2021 will sie statt bedarfsgerechter Planung Personaluntergrenzen in Kliniken einführen, die dann sogar zeitweise unterschritten werden dürfen. Gleichzeitig will sie eine weitere Privatisierung von Kliniken fördern.

Unsozial

Der aktuelle Sozialstaat sei Krebs, schreibt Spitzenkandidat Maximilian Krah auf X. Eine Äußerung, die gut in die inhaltlichen Positionen und das Handeln seiner Partei passt. Von den Forderungen profitieren vor allem Reiche und Besserverdienende, wohingegen die ärmeren Teile der Gesellschaft leer ausgehen.

Familien mit einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro und zwei Kindern würden durch die Steuerpläne der AfD 21 Euro im Jahr sparen. Eine Familie mit 300.000 im Jahr würde 42.620 Euro sparen. Eine Steuererhöhung für Spitzenverdiener lehnt die AfD grundsätzlich ab, genauso wie eine Vermögens-, Schenkungs- und Erbschaftssteuer.

Immobilienunternehmer Christian Krawinkel spendete der AfD 100.000 Euro. Dort, wo die Partei in Parlamenten vertreten ist, geht sie gegen Mietpreisbremsen vor. Im Brandenburger Wahlprogramm wird sogar gegen sozialen Wohnungsbau an sich gewettert: „Der soziale Wohnungsbau verfehlt häufig sein Ziel, sozial schwächeren Menschen preisgünstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen“ – die AfD geht entsprechend gegen kommunalen Wohnungsbau vor. Stattdessen setzt sie auf den Erwerb von Wohneigentum. In ihrem Europawahlprogramm benennt sie als Ursachen für den Mangel an bezahlbaren Wohnungen – wenig überraschend – die Migration, Klimaschutzregeln und die EU.

Inklusion lehnt die AfD ab. Kinder mit Behinderung bezeichnet Björn Höcke als „Belastungsfaktor“, der aus den Schulen herausgehört, abgesondert in eigene Klassen. Zeitgleich will sie das „Leistungsprinzip“ an den Schulen stärken und über eine verschärfte Auslese die Menge der Abiturient*innen senken – eine Maßnahme, die vor allem die Kinder aus einkommensschwachen Familien trifft.

Die AfD betrachtet Rente und Pflege als unproduktive Ausgaben. Der DGB hat in einem Faktencheck ausgerechnet, dass die Forderungen der AfD nach einem abschlagsfreien Renteneintritt erst nach 45 Beitragsjahren, und ohne ein festes Renteneintrittsalter, bedeuten würden, dass 44 % der Arbeiter erst mit 65 Jahren in Rente gehen könnten, jeder vierte müsste sogar mit 70 Jahren noch weiterarbeiten. Bei den Arbeiterinnen müsste die Hälfte noch nach dem 70. Lebensjahr weiterarbeiten. Das ist eine drastische Anhebung des Rentenalters durch die Hintertür.

Alles andere als friedlich

Der Parteivorsitzende Chrupalla nennt die AfD eine „Friedenspartei“. Sie tritt gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für Verhandlungen mit Russland ein. Das klingt ungewöhnlich für eine rechtsextreme Partei, deren Repräsentant Alexander Gauland 2017 meinte, die Deutschen dürften stolz sein auf „die Leistungen deutscher Soldaten“ im Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Aus dem Europawahlprogramm 2024 geht allerdings hervor, dass es der AfD nicht um Frieden und Abrüstung geht, sondern darum, wie die militärische Durchsetzung „deutscher Interessen“ gelingt: „Mit einer starken eigenen Streitkraft kann Deutschland in die Lage versetzt werden, die amerikanischen Streitkräfte mittelfristig auf deutschem Boden abzulösen (…) Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands muss unverzüglich wiederhergestellt werden (…) Die größte Herausforderung sehen wir hierbei in der Aufstockung des Personals auf die notwendige Größe sowie der Beschaffung und Einführung von neuen Waffensystemen im entsprechenden Umfang (…) Außenhandels-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik müssen aufeinander abgestimmt werden. Die Freiheit der See- und Handelswege und damit der Zugang zu Rohstoffen, Energie und Absatzmärkten sind sicherzustellen.“

Zudem fordert sie die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Die AfD will mehr Geld, mehr Waffen, mehr Soldaten, damit der deutsche Staat militärisch die eigenen wirtschaftlichen Interessen durchsetzen kann. Sie steht damit in der Traditionslinie des deutschen Militarismus. Das Ziel der Unabhängigkeit von USA und EU ist auch die Basis für die „russlandfreundliche“ Politik der AfD, nicht allein ihre politischen Sympathien für das reaktionäre Regime Putins.

Ihre Unfriedlichkeit zeigt die AfD schon heute durch ihre Vorstöße zur Militarisierung der Abwehr von Fluchtbewegungen: „In den letzten Jahren wurden Migrationsbewegungen gezielt als Mittel der hybriden Kriegsführung und zum Zwecke der politischen Erpressung eingesetzt (…) Zum Schutz unserer Freiheit, unserer Lebensweise und unserer Identität muss die irreguläre und illegale Masseneinwanderung aus kulturfremden Regionen nach Europa beendet werden (…) Die Grenzstaaten werden außerdem ermächtigt, zur Wahrnehmung des Grenzschutzes technische und personelle Unterstützung ihrer Streitkräfte (Militär) heranzuziehen.“ (Europawahlprogramm 2024).

Frauenfeindlich

„Feminismus heute ist Krebs“ (Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl).

In Ihrem Wahlprogramm von 2021 warnt die AfD vor „Fremdbetreuung mit Entwicklungsrisiko“ und will für Eltern ein Betreuungsgeld für drei Jahre als Lohnersatzleistung, maximal in Höhe des durchschnittlichen Nettolohns. Das ist de facto eine „Herdprämie“ als Lösung für fehlenden Kita-Ausbau und Personalmangel. Zur Situation der Kitas äußert sich die AfD nicht, außer dass sie eine Stärkung der Betriebskindergärten wünscht. Deutschlands erster AfD-Bürgermeister Hannes Loth aus Raguhn-Jeßnitz hat trotz gegenteiliger Wahlversprechen die Kita-Gebühren erhöht.

Das Recht auf Abtreibung lehnt die AfD ab. In ihrem Grundsatzpogramm schreibt sie, sie „wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie zu einem Menschenrecht zu erklären“. Sie will die Hürden bei der Schwangerschaftskonfliktberatung erhöhen. Ziel der Beratung sei der „Schutz des ungeborenen Lebens“. Die AfD unterstützt die sogenannten „Märsche für das Leben“, eine Mobilisierung von ultra-konservativen Abtreibungsgegnern.

Gleichstellung ist für die AfD kein Thema, diese sei diskriminierend für Jungen und Männer, deshalb will sie die Gleichstellungsbeauftragten abschaffen. Die Abgeordnete Nicole Höchst sagte im Bundestag: „Die strukturelle Benachteiligung von Frauen gleicht einem Yeti: Jeder spricht darüber, aber noch niemand hat ihn ernsthaft gesehen“. Im AfD-Programm spielt die Frage der Löhne für Frauen schlicht keine Rolle. Dr. Eva Maria Schneider-Gärtner aus der AfD-Fraktion Mecklenburg Vorpommern schreibt zum Equal Pay Day: „Der Equal Pay Day und die Lohngleichheits-Debatte stempeln Frauen als Arbeitskraft ab, ohne deren herausragender gesellschaftliche Bedeutung als fürsorgliche Mutter Rechnung zu tragen.“

Die AfD will Frauen nur als Gebärmaschinen und kostengünstiges Care-Personal an Heim und Herd. Sie ist eine frauenfeindliche und antifeministische Partei. Familie ist für die AfD nur die „traditionelle“ mit Vater-Mutter-Kind. Die AfD ist für Frauen nicht nur unwählbar, sondern unzumutbar. Bekämpfen wir sie – auf allen Ebenen!