Mit Beginn der Corona-Pandemie bekam der Bereich der Pflege viel mediale Aufmerksamkeit. Schnell wurde klar, dass Klatschen allein die Situation in den Pflegeberufen nicht verbessern würde. Bis jetzt hat sich die Situation für die Beschäftigten im Pflegebereich jedoch nicht gebessert.
Von Kyra, Hamburg
In Deutschland fehlen allein in der Altenpflege 158.798 Fachkräfte, um eine angemessene Betreuung zu gewährleisten. Statistische Hochrechnungen, basierend auf den Daten des Vorjahres, zeigen, dass seit Beginn des Jahres 153.158 Überstunden in Kliniken angesammelt wurden. Dazu kamen seit Beginn des Jahres 61.370 Krankheitstage in allen Pflegeberufen, und 179.444 Auszubildende brachen bis jetzt ihre Ausbildung vorzeitig ab.
Profite vor Gesundheit
Die Gründe für die extrem suboptimale Situation in der Pflege lassen sich auf zwei politische Entscheidungen zurückführen, deren Auswirkungen heute sichtbar sind. Mitte der 1980er Jahre beschlossen die etablierten Parteien, es sei sinnvoll, Krankenhäuser wie kapitalistische Unternehmen zu führen, mit dem Ziel der Profitmaximierung. Krankenhäuser hatten vorher ein gesetzlich geregeltes Gewinnverbot, nun konnten sie insolvent gehen und mussten dementsprechend sparen, zum Beispiel beim Personal. Aus Sicht der Kapitalist*innen war diese Entscheidung sinnvoll, da man neue Anlagemöglichkeiten in einem bereits gesättigten Markt schaffte und aufgrund einer alternden Gesellschaft langfristig mit Profiten rechnen konnte.
Ein weiterer Grund war die Einführung der Fallkostenpauschalen 2004, der Diagnosis Related Groups (DRG). Seitdem wurden von den Krankenkassen nicht mehr die tatsächlichen Behandlungskosten übernommen, sondern nur noch jeweils standardisierte und fixe Pauschalen für die jeweiligen Behandlungen gezahlt.
Das aktuelle Gesundheitssystem ist darauf ausgelegt, Therapieentscheidungen aufgrund von Kostenberechnungen zu treffen und nicht nach dem gesundheitlichen Nutzen. Der permanente finanzielle Druck, führt zu verkürzten Liegezeiten und Eingriffen, die nicht immer sinnvoll sind.
Der ebenfalls auf Profitorientierung basierende systematische Stellenabbau hat zu physischen und psychischen Belastungen bei den Arbeitnehmer*innen geführt. Die häufigsten Erkrankungen in dem Bereich sind Burnout und Rückenprobleme. Nachwuchsmangel und Berufsflucht sind die Folgen.
Es mangelt an neuem Personal. Denn aufgrund der aktuellen Situation in der Pflege wirkt die Ausbildung zur Pflegekraft nicht attraktiv. Zurzeit dauert es etwa 230 Tage, bis eine freie Stelle neu besetzt werden kann. Nicht nur in der Pflege selbst gibt es Probleme. Auch im Bereich rund um den Pflegesektor – Küchen, Wäsche und Facility-Management -, die häufig durch Subunternehmen oder Zeitarbeitsfirmen gestellt werden, gibt es prekäre Arbeitsverhältnisse.
Streiks für Entlastung
In den letzten Jahren gab es jedoch vermehrt Arbeitskämpfe in der Pflege. Die Beschäftigten erkämpfen bessere Tarifverträge und dementsprechend weniger Belastung. Die Berliner Kliniken setzten 2021 einen Tarifvertrag Entlastung durch, 2022 streikten die Kolleg*innen in Nordrhein-Westfalen 11 Wochen dafür. Auch in Jena, Homburg und Mainz gab es Streiks. Doch auch, wenn teilweise Verbesserungen erkämpft wurden, reicht das nicht. Denn nach wie vor sind die Arbeitsbedingungen in der Pflege mangelhaft.
Deshalb gehen wir am 12.5., dem internationalen Tag der Pflegenden, in verschiedenen Städten auf die Straße, um für bessere Arbeitsbedingungen im Pflegesektor zu kämpfen. Wir fordern massive Investitionen in ein kostenloses, öffentliches Sozial- und Gesundheitssystem für alle; sowie mehr Personal und Ressourcen, bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten ohne Lohneinbußen.
Für einen gemeinsamen Kampf der Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialwesens aus allen Bereichen und in allen Berufen. Für eine Gesellschaft, die sich auf die Gesundheit von uns allen und nicht auf die Profite der Wenigen stützt – eine sozialistische Alternative zur kapitalistischen Krise!