Gemischte Bilanz: Tarifabschlüsse 2024 im Nahverkehr

Von Januar bis Mai 2025 haben in allen Bundesländern außer Bayern Tarifrunden im Nahverkehr stattgefunden. Für die zahlreichen Tarifverträge, die unter den Sammelbegriff „TV-N“ fallen, gab es ein breites Spektrum verschiedener Abschlüsse.

von Jan Hagel, Hamburg

In Brandenburg, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen ging es um die Gehälter, in den anderen Ländern um den Manteltarifvertrag – also Zuschläge, Urlaub, Arbeitszeiten und teils die Jahressonderzahlung.

Bei den Entgeltrunden sticht der Abschluss in Brandenburg positiv hervor – nach sechs Nullmonaten gibt es immerhin 13%, mindestens 350 Euro Lohnerhöhung zum 1.7.24, weitere 2 % zum 1.1.25 – und das bei einer für ver.di-Verhältnisse kurzen Laufzeit von 18 Monaten. Damit wurden die geforderten 20%, mindestens 650 Euro auf ein Jahr nicht ganz zur Hälfte erreicht. Auch in Thüringen, wo es ohne Nullmonate rückwirkend zum 1. Januar 250 Euro plus 3 % mehr Gehalt gab und ab Juli weitere 4 % dazukommen fällt das Gehaltsplus höher aus als bei vielen Tarifabschlüssen der letzten Jahre, leider aber auf zwei Jahre Laufzeit.

TV-Naja

Bei der gemeinsamen Kampagne #wirfahrenzusammen von ver.di, Fridays for Future und klimapolitisch aktiven Linken standen die Arbeitsbedingungen und vor allem die Arbeitszeiten im Mittelpunkt. Aber nur in wenigen Ländern und Haustarifen hatte ver.di Arbeitszeitverkürzung über die Wochenarbeitszeiten gefordert. In den meisten Ländern setzten die Kolleg*innen auf Entlastung über zusätzliche freie Tage. Mitunter ging es auch in erster Linie um Zulagen oder Weihnachtsgeld, etwa in Rheinland-Pfalz oder bei der VHH in Hamburg.

Die Wochenarbeitszeit wird in insgesamt vier Tarifgebieten verkürzt, die Verbesserungen bleiben aber verglichen mit den Abschlüssen bei DB und Privatbahnen relativ bescheiden. Durchbrüche in Richtung 35-Stunden-Woche gab es keine.

Den größten Schritt zur Arbeitszeitverkürzung haben die Hochbahner*innen in Hamburg erreicht, gestützt auf ihren hohen Organisationsgrad und einige sehr effektive Streiktage. Ihre Wochenarbeitszeit sinkt auf 37 Stunden – allerdings in gemächlichen 30-Minuten-Schritten bis 2027. Wichtiger finden manche Kolleg*innen die Erhöhung der Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Der Abschluss sorgte nicht für große Begeisterung, wurde aber letztlich mehrheitlich angenommen.

In Baden-Württemberg wurde für den gleichen Zeitraum eine 37,5-Stunden-Woche vereinbart, in Schleswig-Holstein ebenfalls – dort aber erst zum Jahr 2029, so dass erst 2030 wieder über Arbeitszeit verhandelt werden darf. Die Tarifkommission hatte diese lange Laufzeit noch vor der letzten Verhandlungsrunde massiv kritisiert und die Arbeitszeitverkürzung als völlig unzureichend bezeichnet, dann aber genau diesen Punkten zugestimmt. In Hessen wird die Arbeitszeit um eine auf 38 Stunden verkürzt.

Die Arbeitszeitverkürzung über zusätzliche Urlaubs- bzw. Entlastungstage wurde in den meisten Mantel-Tarifrunden forciert, mit Ergebnissen im Bereich von 2 bis 5 Tagen. Häufig sind Urlaubstage an Schichtarbeit oder langjährige Betriebszugehörigkeit gekoppelt und kommen nicht allen Beschäftigten gleichermaßen zugute.

Streiks abgeblasen

In zwei großen Tarifbereichen gab es Urabstimmungen über Erzwingungsstreiks. In Nordrhein-Westfalen hatten über 97 % für Streik gestimmt, um die geforderten vier Entlastungstage für alle und zwei weitere für Fahrer*innen bzw. Schichtarbeitende durchzusetzen. Trotzdem ließ sich die ver.di-Tarifkommission auf eine Schlichtung ein, weil Schlichtungen sich als „effektives Mittel“ in Tarifkonflikten erwiesen hätten und die Öffentlichkeit kein Verständnis für weitere Streiks habe. Geeinigt wurde sich dann auf zwei freie Tage für alle Beschäftigten, zwei weitere für besonders belastete Kolleg*innen und eine Laufzeit von vier Jahren für die Urlaubsregelung. Bei der Urabstimmung zum Ergebnis zeigen 46 % Gegenstimmen verbreitete Unzufriedenheit.

Auch in Baden-Württemberg hatten die ver.di-Mitglieder in einer Urabstimmung für Erzwingungsstreik gestimmt, anstelle weiterer Streiks wurde dann aber verhandelt und abgeschlossen. Das Ergebnis ist nicht so schlecht wie in NRW, zusätzlich zu 1,5 Stunden Arbeitszeitverkürzung gibt es eine pauschale Zulage von 150 Euro monatlich für alle Beschäftigten. Auch hier blieb aber die Stimmung mit 35 % Gegenstimmen in der zweiten Urabstimmung eher verhalten.

Es bleibt zu hoffen, dass die Kolleg*innen, die gegen die Abschlüsse gestimmt haben nicht resigniert aus der Gewerkschaft austreten, sondern sich für einen konsequenteren Kurs einsetzen – am besten gemeinsam mit Aktiven aus den #wirfahrenzusammen-Bündnissen und kämpferischen Kolleg*innen aus anderen Bereichen, zum Beispiel in der Vernetzung für Kämpferische Gewerkschaften (VKG).

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