Im Juli soll der Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 verabschiedet werden und der Streit darum ist im vollen Gange. Die Vorschläge der FDP und der beschworene Sparkurs von Finanzminister Linder haben Wellen geschlagen. Der Kanzler stärkt Lindner den Rücken und meint „Jetzt ist erst mal Schwitzen angesagt“. Andere Ministerien betonen, dass sie mehr Mittel brauchen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden.
von Linda Fischer, Hamburg
Die Streitigkeiten innerhalb der Ampel sind Ausdruck verschiedener Herangehensweisen und Versuche, den kriselnden deutschen Kapitalismus angesichts des schärfer werdenden internationalen Konkurrenzkampfes und einer eskalierenden Blockkonfrontation in Stellung zu bringen. Einig sind sich die Ampelparteien darin, dass Aufrüstung und Militarisierung alternativlos seien und die Rechnung dafür von den Lohnabhängigen und Armen gezahlt werden soll.
Schuldenbremse für Soziales & Co.?
Die FDP setzt auf einen klassisch neoliberalen Kurs: Die Ausgaben müssten gesenkt werden. Das bedeutet für die FDP, dass es vor allem dem Sozialstaat weiter an den Kragen gehen müsse, Subventionen für erneuerbare Energien müssten gestrichen werden und gleichzeitig Steuern für Unternehmen gesenkt werden. Sie will an der Schuldenbremse festhalten, die eine Alternative zu ihrer neoliberalen Politik unmöglich macht.
Aus den Reihen von SPD und Grünen werden Stimmen lauter, die eine Aussetzung der Schuldenbremse fordern. Dahinter steht nicht etwa die Einsicht, die notwendige Klimawende endlich voranzutreiben, die marode (soziale) Infrastruktur massiv auszubauen oder bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sondern noch mehr Ressourcen in Krieg, Repressionsbehörden und Militarisierung zu stecken. „In Zeiten, in denen unsere Freiheit von einem aggressiven Russland und Extremisten aller Couleur so unter Druck gesetzt wird wie derzeit, muss man Gewissheiten auf den Prüfstand stellen – auch die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form“, betonte der Grünen-Fraktionsvize von Notz im „Tagespiegel“. Laut Verteidigungsminister Pistorius (SPD) müsse die Schuldenbremse bestehen bleiben, aber „hinter die elementare Pflicht des Staates, Sicherheit bereitzustellen, zurücktreten“.
Einig sind sich die Ampelparteien darin, dass die Schuldenbremse weiter dazu dienen sollte, bei Sozialem, Bildung, Klima und Gesundheit zu kürzen.
Schärfere Sanktionen für Bürgergeldempfänger*innen
Die von der FDP geforderte Abschaffung der „Rente mit 63“ dient der Einstimmung auf noch härtere Angriffe auf den Lebensstandard der arbeitenden Klasse. Die allgemeine abschlagsfreie Rente mit 63 gibt es nicht einmal mehr. Sie galt für alle vor 1953 geborenen, die 45 Versicherungsjahre auf dem Buckel haben und mittlerweile mindestens 71 Jahre sind. Das Rentenalter wird schrittweise je nach Alter und Versicherungsjahren angehoben. Bei allen, die 1964 oder später geboren sind, liegt es nach 35 Beitragsjahren beispielsweise mittlerweile bei 67 Jahren. Nur mit dauerhaften Abzügen (bis zu 14,4%) ist dann noch ein früheres Renteneintrittsalter möglich.
SPD- und Grüne-Vertreter*innen geben sich empört. Gleichzeitig hat die Ampel ein Rentenpaket II beschlossen, das den Status Quo bis 2039 fortschreibt, Arbeitnehmer*innen über höhere Rentenbeiträge stärker belastet und nichts gegen Altersarmut unternimmt. Hinzu kommt das Vorhaben, die private Altersvorsorge zu stärken und die Einrichtung eines „Generationenkapitals“ – eines vom Staat finanzierten Aktienfonds.
Alle Ampelparteien predigen den Demografie-Mythos als naturgegebenen Grund für die Krise der Rentenkassen. Den demografischen Wandel gibt es jedoch schon mehr als 100 Jahre, und der größte Teil davon liegt bereits hinter uns. Solange die Arbeitsproduktivität steigt, ist die Zunahme des Anteils älterer Menschen ohne Weiteres finanzierbar. Es kommt darauf an, wie der erwirtschaftete Reichtum zwischen Arbeit und Kapital verteilt wird.
Auch beim Bürgergeld ist die FDP mit der Forderung nach schärferen Sanktionen vorgeprescht, obwohl die Ampel gerade erst die Möglichkeit einer 100-Prozent-Sanktion beschlossen hatte und den Mitte 2023 eingeführten 75-Euro-Bürgergeld-Bonus für Weiterbildungen eingestampft hat.
Scheidungspapiere (noch) nicht unterschrieben
Ob Schuldenbremse und Sparkurs, Rentendebatte oder Bürgergeld: Alle Regierungspläne zeigen, dass die Ampel an der Seite des Kapitals gegen die Interessen der arbeitenden Menschen, Armen und Jugend steht. Die FDP will ihrer Wähler*innenklientel zusätzlich verdeutlichen, dass sie bei der Umverteilung von unten nach oben besonders engagiert ist. Ob die Vorstöße Klassenkampfrhetorik von oben bleiben oder die Debatte um die Schuldenbremse zum Richtungsstreit eskaliert, bleibt abzuwarten. Mit der aktuellen Unterstützung des Kanzlers und dem Einlenken im Rentenstreit könnte sich die Lage temporär beruhigen. Antworten auf die multiplen Krisen hat jedoch keine der bürgerlichen Parteien. Entscheidend wird sein, dass Gewerkschaften und Linke den Widerstand und Alternativen aufbauen gegen Militarisierung, Sozialabbau, Klimakatastrophe und das kapitalistische Profitsystem als Ganzes.