Nein zur Wehrpflicht, Militarisierung stoppen

Minister Pistorius macht Ernst mit der “Kriegstüchtigkeit”. Um die Bundeswehr aufzustocken, soll Druck auf Jugendliche ausgeübt werden. Ab 2025 sollen die männlichen 18jährigen verpflichtet werden, einen Fragebogen auszufüllen. Das “Verteidigungsministerium” schreibt in seinen FAQ: “Wird es Sanktionen für die geben, die eine Erfassung verweigern? Es wird auch Sanktionen geben müssen.” Für weibliche 18jährige ist das Ausfüllen des Fragebogens freiwillig.

Von Claus Ludwig, Köln

In ihren Werbekampagnen stellt sich die Bundeswehr mal als hip, mal als attraktiver Job und mal als notwendig dar. Doch auch die massive Präsenz der Rekrutierer*innen auf Jobbörsen und Schulen hat nicht dazu geführt, die Soll-Stärke der Truppe von 203.000 zu erreichen. Die Ist-Stärke liegt bei knapp 183.000, sinkt sogar.

Die geplante Erfassung der Bereitschaft und Fähigkeiten, zur Bundeswehr zu gehen, ist der erste Schritt zur Wiedereinführung der Wehrpflicht. Es soll zunächst einen freiwilligen sechsmonatigen Grundwehrdienst geben, der auf 23 Monate verlängert werden kann. Pro Jahrgang sollen 400.000 erfasst werden, zunächst 5000 und später 20.000 sollen jeweils eingezogen werden.

Die Bundeswehr war in den letzten 30 Jahren eine Armee von Spezialist*innen für begrenzte Interventionen im Ausland. Aus dem Krieg in der Ukraine haben die Politiker*innen den Schluss gezogen, dass ein Krieg nicht nur mit Hightech, sondern auch mit “Menschenmaterial” geführt werden muss. Wer Krieg führen will, braucht dafür zumindest einen Teil der Jugend.

Imperialistische Konkurrenz

Bei Pistorius’ Überlegungen, spätestens 2033 einen Krieg gegen Russland führen zu können, geht es nicht darum, “uns” oder “die Demokratie” zu verteidigen. Wir erleben aktuell eine Eskalation der kapitalistischen Konkurrenz um Einfluss, Absatzmärkte und Rohstoffe, befeuert durch das geringe Wachstum des Weltmarktes, verschärft durch die Klimakrise. Blöcke formieren sich – EU, NATO und Verbündete auf der einen Seite, China, Russland und Verbündete auf der anderen. Die arbeitenden Menschen und die Jugend haben nichts zu gewinnen in diesen Konflikten. Sie sollen als Soldat*innen und in den Fabriken die Profite und Privilegien der heimischen Kapitalist*innen verteidigen.

Die bürgerlichen Politiker*innen wissen genau, dass es nicht allein der Despot Putin ist, der den Frieden bedroht, sondern dass das gesamte Wirtschaftssystem die Gewalt hervorbringt – der Kapitalismus trägt den Krieg in sich “wie die Wolke den Regen”, so der französische Sozialist Jean Jaurès vor dem 1. Weltkrieg. Nach seiner Chinareise Mitte Juni warnte Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) vor einer Ausweitung des Handelskonflikts mit China. Beim “Tag der Industrie” in Berlin nutzte er eine dramatische Formulierung: „Das wäre gegen unsere Interessen und zwar nicht nur ökonomisch (…) Dann würden wir nicht über Handelskriege oder bedrohliche Handelskriege reden, sondern da können wir ‘Handel’ auch weglassen.“

Drohungen gegen Ukrainer*innen

Um die jungen Deutschen wird noch geworben, im Umgang mit den hier lebenden Ukrainer*innen gehen Politiker*innen zunehmend zu Drohungen über. Der rechte Spiegel-Autor Blome bringt es auf den Punkt: “Arbeiten oder kämpfen!” fordert er in seiner Kolumne. Wer hier keinen Job findet, soll kein Bürgergeld bekommen und gedrängt werden, in die Ukraine zurückzukehren. Dort gilt Wehrpflicht, die Möglichkeit zur Verweigerung gibt es nicht. Junge Ukrainer sollen zur Durchsetzung der westlichen Wirtschaftsinteressen den Abnutzungskrieg gegen die russischen Truppen führen.

Zwei Fliegen mit einer Klappe: Es wird unterstellt, die Geflüchteten aus der Ukraine würden sich vor der Arbeit drücken und Sozialleistungen missbrauchen. Das lenkt von den Ursachen der finanziellen und wirtschaftlichen Probleme ab und spaltet die Bevölkerung. Gleichzeitig wird das Töten und Sterben als erste Bürgerpflicht dargestellt.

Die Jugend zahlt mehrfach

Die Aufrüstung kostet Hunderte Milliarden. Die Reichen werden dafür nicht zur Kasse gebeten, ihre Steuern werden nicht erhöht. Sie profitieren als Aktienbesitzer*innen vom Boom der Rüstungskonzerne wie Rheinmetall. Die Militarisierung wird durch weitere Kürzungen bei Sozialleistungen und durch die weitere Zerstörung der Infrastruktur – Bildung, Gesundheit, öffentlicher Verkehr, Wohnungsbau – durch staatliche Investitionsverweigerung finanziert.

Jugendliche sitzen in verfallenden Schulen mit zu wenig Lehrkräften (wenn sie es trotz maroden Bussen und Bahnen zur Schule schaffen). Wohnungen werden unbezahlbar, gute Jobs zur Mangelware. Als Belohnung werden sie halb gelockt, halb unter Druck gesetzt, sich kriegsbereit zu melden.

Die Arbeiter*innenbewegung und die Linke in Deutschland eiert bisher rum. Gewerkschaften haben sich bestenfalls zaghaft gegen die Militarisierung ausgesprochen, schlimmstenfalls tragen sie Aufrüstung mit – weil Jobs in der Rüstungsindustrie entstehen oder weil sie die Propaganda unterstützen, “wir” wären die Guten. In den Führungsebenen der Partei Die Linke gibt es offene Unterstützer*innen der NATO und von Waffenlieferungen in die Ukraine, einer der Gründe, warum die Partei in einer existenziellen Krise steckt. Außerparlamentarische Gruppen wie die IL (Interventionistische Linke) beziehen keine klare Position, versuchen, das Thema zu vermeiden.

Ein Kurswechsel ist dringend nötig: Konsequente Ablehnung von Militarismus und Aufrüstung; weder NATO noch Russland/China, gegen alle imperialistischen Lager, für die Vereinigung der arbeitenden Menschen weltweit gegen Kriegsgefahr und Aufrüstung.

Gewerkschaften, linke Parteien, Gruppen und Initiativen sollten eine Kampagne gegen die Schritte hin zur Wehrpflicht starten und verlangen, dass Milliarden-Pakete für Schulen, Kliniken, Wohnungsbau, Klimaschutz und gut bezahlte, sinnvolle Jobs geschnürt werden. Die Rüstungsindustrie muss vergesellschaftet, die Produktion umgestellt werden.

Gewerkschaften und Linke sollten sich schützend vor die Jugendlichen stellen – durch eine umfassende Mobilisierung an den Schulen sollten Widerstandsnester gegen Bundeswehr-Werbung und gegen die Einführung des Fragebogens geschaffen werden.  Im Vietnam-Krieg Ende der 1960er Jahre haben US-Wehrpflichtige ihre Einberufungsbescheide verbrannt.

Heute wird der Fragebogen vielen Jugendlichen zunächst harmlos erscheinen – ihnen wird schließlich versprochen, der Wehrdienst sei rein freiwillig. Die Arbeiter*innenbewegung muss  ihnen klar machen, dass auch sie später noch von Zwangsdiensten betroffen sein könnten, zum Beispiel nach Ausbildung oder Studium.

Der Tag der Abstimmung über Pistorius’ Wehrdienst-Gesetz  im Bundestag und das Inkrafttreten des Gesetzes können Anlässe zu ersten Protesten werden.