TVÖD-Forderungsdiskussion gestartet: Für mehr Geld und weniger Arbeit

Januar 2025 steht die nächste Tarifrunde im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen an. Um gut vorbereitet in die Auseinandersetzung zu starten, hat ver.di schon im Juni die Forderungsdiskussion begonnen. Neben Lohnerhöhungen steht die Arbeitszeitfrage im Vordergrund.

von Jan Hagel, Hamburg

Eigentlich ist Arbeitszeitverkürzung schon seit einigen Jahren Thema, in den letzten Tarifrunden stand wegen Corona und dann der massiven Inflation der Jahre 2021-23 aber zu Recht die Verteidigung der Reallöhne im Mittelpunkt.

In den letzten Monaten wurde bei ver.di im öffentlichen Dienst vor allem von Arbeitszeiten und Entlastung gesprochen. Das passt zu einigen Tarifabschlüssen der letzten Zeit. Die GDL hat die 35-Stunden-Woche für Lokführer*innen ab 2029 durchgesetzt, ver.di im Nahverkehr Verkürzungen um bis zu zwei Stunden. Es geht beim Thema Arbeitszeit aber nicht nur um Wochenstunden, sondern auch um die Vergütung von Schichtarbeit (z.B. Wechselschichten im Krankenhaus), Samstags-, Sonntags- und Feiertagsdiensten sowie die Verkürzung der Lebensarbeitszeit durch einen früheren Renteneintritt über Altersteilzeit.

In vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes finden die Kolleg*innen diese Punkte wichtiger als eine kürzere Wochenarbeitszeit, doch auch Arbeitszeitverkürzung und Vier-Tage-Woche sind durchaus populär. Das hat eine Umfrage von ver.di im gesamten öffentlichen Dienst Anfang des Jahres mit über 200.000 Befragten ergeben.

Entlastung ist nötig – mehr Geld auch

Aus den Ergebnissen wird klar, dass die Beschäftigten in vielen Bereichen dringend Entlastung brauchen. 56% aller Kolleg*innen glauben, dass sie ihren Job unter den aktuellen Bedingungen nicht bis zur Rente aushalten. Besonders hoch ist der Anteil im Rettungsdienst (86%), in der Sozialarbeit (79 bzw. 74,5%), der Pflege (73,9%) und bei der Müllabfuhr (69,9%). Gleichzeitig haben Kolleg*innen in diesen Bereichen Arbeitszeitverkürzung und 4-Tage-Woche niedriger priorisiert als andere.

Hier zeigt sich die Achillesferse des Kampfes um Entlastung: Gerade unter den Kolleg*innen mit besonders hoher Arbeitsbelastung halten manche Arbeitszeitverkürzung wegen des Fachkräftemangels für unrealistisch. Angesichts der Erfahrung von immer mehr Arbeit, die auf immer weniger Schultern lastet, ist das verständlich. Deshalb ist auch eine motivierende Lohnforderung nötig, um die Kolleg*innen in diesen überwiegend gut organisierten Bereichen mitzunehmen. Auch wenn die Inflation nachgelassen hat, sind seit Anfang 2023 die Preise um knapp 5% gestiegen, Mieten und Lebensmittelpreise bleiben hoch. Weil die hohen Preise Kolleg*innen in den unteren Entgeltgruppen besonders hart treffen, sollte ver.di einen festen Erhöhungsbetrag, zum Beispiel 300 Euro, statt nur einer prozentualen Erhöhung fordern.

In der Diskussion über Entlastung ist oft von „Wahlmodellen“ die Rede. Damit ist gemeint, dass sich Kolleg*innen individuell zwischen mehr Lohn und kürzerer Arbeitszeit entscheiden können. Das erscheint vielen attraktiv, kann aber ein zweischneidiges Schwert sein. Gerade bei hoher Arbeitsbelastung lastet auf den Kolleg*innen oft ein Druck, Vollzeit zu arbeiten, echte Wahlfreiheit ist nicht unbedingt gegeben. Außerdem wird so zum individuellen Problem der Beschäftigten, wenn der Lohn nicht reicht: „Wenn du mehr Geld willst, kannst du kannst ja mehr Stunden machen.“

Weg mit der Zwangsschlichtung

Alle ver.di-Mitglieder im öffentlichen Dienst können sich an der Beschäftigtenbefragung beteiligen. Wer noch nicht in der Gewerkschaft ist, sollte jetzt eintreten und an der Forderungsdiskussion teilnehmen. Betriebsgruppen können schon jetzt überlegen, wie sie ab Januar möglichst viele Kolleg*innen zu Warnstreiks mobilisieren, um Entlastung und mehr Lohn durchzusetzen. Angesichts der Kürzungspolitik der Ampel und der immer gleichen Klagen über leere kommunale Haushalte ist mit einer harten Tarifrunde zu rechnen. Daher muss sich ver.di alle Optionen offenhalten. Die Schlichtungsvereinbarung, durch die 2023 nach starken Streiks die Dynamik gebrochen wurde, gehört rechtzeitig vor Jahresende gekündigt.