Kalter Krieg und heißer Planet – Warum die Klimabewegung sich mit dem Imperialismus beschäftigen muss

Bisher betrachten große Teile der Klimabewegung in Deutschland das Thema Klima isoliert. Die Führung von Fridays For Future (FFF) trennt die Klimafrage vom Ukraine-Krieg, der Konfrontation der imperialistischen Blöcke und dem sich verschärfenden Kampf um Rohstoffe und Absatzmärkte. Führende Aktive wie Luisa Neubauer versuchen, Klima so wählbar zu machen. Davon profitieren besonders die Grünen.

Von Mika Wagner, Köln

Die CO2-Neutralität der deutschen Wirtschaft wird als Ziel ausgegeben. Doch unter kapitalistischen Bedingungen kann die deutsche Klimaneutralität nur auf Kosten anderer Länder stattfinden. Der grüne Kapitalismus ist extraktivistisch, neokolonial und blutig.

Im Kapitalismus wird nicht für die Bedürfnisse der Menschen produziert. Kapital muss wachsen, ein Unternehmen, das stagniert oder einfach nur langsamer als andere Unternehmen derselben Branche wächst, kann in der Konkurrenz nicht bestehen. Der Staat versucht, seinem nationalen Kapital die besten Ausgangsbedingungen in der Konkurrenz um Absatzmärkte, Rohstoffe und billige Arbeitskräfte zu verschaffen. Somit wird im Weltmaßstab die Konkurrenz der Unternehmen zur Konkurrenz der Staaten um die Vorherrschaft ihrer nationalen Kapitale auf dem Weltmarkt.

Billige fossile Energieträger im Boden zu lassen, ergäbe einen kurzfristigen Nachteil für den jeweiligen Staat, wenn die imperialistischen Rivalen weiter mit der Extraktion Profite erzielen.

Grüner Kapitalismus

Auch die Kapitalist*innen wissen, dass es so nicht weitergeht. Wenn die Erde unbewohnbar geworden ist, kann kein Kapital mehr angehäuft werden. Der CO2-neutrale Umbau findet statt – zu langsam und begleitet von weiterer Nutzung fossiler Brennstoffe. Aber er läuft. Er geht jedoch nicht mit einem fundamentalen Wandel in der Produktion einher, bedeutet kein Ende des Wachstums und des kapitalistischen Energiehungers. Entsprechend muss die Energiewende in riesigem Maßstab stattfinden. Der wachsende Energiebedarf, der vorher durch Öl und Gas gestillt wurde, muss nun durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Da es aber die nötige Infrastruktur wie Wind- und Solarparks dafür noch nicht hinreichend gibt, wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine gewaltige Menge an Rohstoffen zu deren Bau benötigt.

Ähnlich verhält es sich bei der Verkehrswende. Diese wird unter kapitalistischen Bedingungen zur bloßen Antriebswende, zum bloßen Wechsel vom Verbrenner zum Elektromotor. Mit E-Autos lässt sich mehr Geld verdienen als mit Straßenbahnen. Die Aufrechterhaltung des motorisierten Individualverkehrs ist um ein unvergleichlich ressourcenintensiver als ein umfassender Umbau des Verkehrssystems weg von Autos und hin zum öffentlichen Verkehr.

Rohstoffknappheit

Wichtige Rohstoffe für E-Autos sind unter anderem Lithium, Kobalt, Nickel, Kupfer und seltene Erden, die entweder für die Speicherung oder Leitung von Strom notwendig sind. Die weltweiten Reserven an diesen Rohstoffen reichen für die Deckung dieses Bedarfs aus. Das Problem bei der Verfügbarkeit der Rohstoffe liegt in den Produktionskapazitäten. Es fehlt an Infrastruktur, diese Reserven aus dem Boden zu holen. Die Umstellung des globalen Fahrzeugbestands auf Elektroantrieb würde eine geschätzte Steigerung der Weltproduktion von Kobalt um 2000%, von Lithium um fast 3000% und von Seltenen Erden um 650% erfordern.

Diese Diskrepanz zwischen Bedarf und Produktionskapazitäten lässt drei Schlüsse zu: 1. Die Preise für diese knappen Rohstoffe werden in den nächsten Jahren steigen, weil die Konkurrenz um sie zunimmt. Das wirkt sich negativ auf die Profitabilität von Elektroautos und erneuerbaren Energien aus und würde die Umstellung weiter verzögern. 2. Die imperialistische Konkurrenz um diese knappen Rohstoffe wird zunehmen und zu zwischenstaatlichen Spannungen bis hin zu Kriegen führen. 3. Um im imperialistischen Konkurrenzkampf bestehen zu können, müssen die Staaten jede Möglichkeit ausschöpfen, diese Rohstoffe möglichst billig zu bekommen, egal wie zerstörerisch und blutig sie sein mag.

Aufrüstung und Emissionen

Für die internationale Konkurrenzfähigkeit eines Staates ist es entscheidend, wie gut Energie- und Antriebswende gelingen. In der chinesisch-amerikanischen Konkurrenz um die weltweite Hegemonie ist der Zugang zu den dafür nötigen Rohstoffen einer der entscheidenden Faktoren. Das wissen auch die imperialistischen Mächte, unter anderem deshalb bereiten sie sich auf künftige Konflikte um Rohstoffe vor und rüsten auf beiden Seiten auf.

Eine Studie aus dem Oktober 2023 schätzt, dass allein die NATO 2021-2023 einen durchschnittlichen jährlichen CO2-Ausstoß von 205 Millionen tCO2 hatte. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich der politische Druck auf alle NATO-Länder erhöht, jährlich mindestens 2% ihres BIPs für ihr Militär auszugeben. Wenn alle NATO-Staaten bis 2028 dieses Ziel erreichen, würde die NATO im Zeitraum von 2021 bis 2028 geschätzte 2 Milliarden tCO2 in die Atmosphäre blasen. Damit lägen die Emissionen der NATO-Armeen allein über denen der gesamten russischen Wirtschaft. Daher ist es Unsinn, wenn Klimaaktivist*innen den russischen Angriff auf die Ukraine als fossilen Krieg verurteilen, aber zur NATO schweigen.

Anti-imperialistische Klimabewegung

Klimawandel und Imperialismus sind eng miteinander verbunden. Die Klimakrise befeuert imperialistische Konflikte um kritische Rohstoffe, die für den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft benötigt werden. Dieser Umbau muss unter den Bedingungen imperialistischer Konkurrenz notwendigerweise zu Lasten von Mensch und Natur geschehen und hat einen neokolonialen Charakter. Der Neue Kalte Krieg zwischen China und den USA führt zudem dazu, dass kurzfristige Energiesicherheit über Klimaschutz gestellt wird. So wird die fossile Produktion weiter zementiert, wie wir es im Zuge des Ukraine-Krieges vor allem bei Erdgas gesehen haben.

Wegen dieser Untrennbarkeit von Klimawandel und Imperialismus ist es klar, dass sich die Klimabewegung anti-imperialistisch aufstellen muss. Der deutsche Imperialismus, die NATO und ihre Verbündeten müssen genauso kritisiert werden wie Russland und China. Allerdings wird hierzulande oft eine Haltung eingenommen, Klimaschutz mit dem deutschen Imperialismus vereinbar zu machen. Führende Klima-Aktivist*innen scheinen unfähig, Antworten auf Kriege wie in der Ukraine und in Gaza zu finden.

Besonders krass zeigt sich diese Schwäche bei Fridays For Future. FFF nahm gegenüber Greta Thunbergs Palästina-Solidarität eine der „deutschen Staatsräson“ entsprechende Haltung ein und setzte ihre Kritik am israelischen Staat mit „Antisemitismus“ gleich. Der deutsche Staat nutzt diese Gleichsetzung, um Proteste gegen das Massaker in Gaza zu diffamieren und zu kriminalisieren. Indem sich FFF Deutschland faktisch auf die Seite des israelischen Militärs und der Besatzung gestellt hat, hat sich die Gruppe in der internationalen Klimabewegung isoliert.

No climate justice on occupied land!

Durch Jahrzehnte der Besatzung und Blockade gehören die Menschen in Gaza zu den Gruppen der Weltbevölkerung, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Das hat der Krieg nicht gerade besser gemacht. Man stelle sich nur mal eine Überschwemmung in Rafah oder eine starke Trockenheit mit einer Verschärfung der Wasserkrise vor. Auch hier sind es die Menschen, die mit am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, die wegen kolonialer Machtverhältnisse am meisten unter ihren Folgen leiden.

Israel ist eines der klarsten Beispiele, wie Greenwashing kolonialer Praktiken aussehen kann. Israel brüstet sich damit, massive Aufforstung zu betreiben und so zur Klimaneutralität beizutragen. Diese Aufforstung findet jedoch auf ehemaligem palästinensischem Land statt, die Bäume werden auf den Ruinen palästinensischer Dörfer gepflanzt, womit den Menschen jede Möglichkeit auf Rückkehr genommen wird und der Herrschaftsanspruch des israelischen Staates auf ganz Palästina weiter festgeschrieben wird.

Eine anti-imperialistische Klimabewegung darf nicht vor der deutschen „Staatsräson“ und ihren medialen Vertreter*innen einknicken, sondern muss sich in Feindschaft zum deutschen Staat, zu Aufrüstung, zur NATO und zu allen Parteien, die das befürworten, begeben. Das schließt die vollständige Loslösung von den Grünen ein. Die Klimabewegung kann ihren Kampf nicht gemeinsam mit einer Partei führen, die mit ihrem Programm innerhalb des kapitalistischen Systems mit seinen Sachzwängen und Notwendigkeiten bleibt und somit in den letzten Jahren zu einem der lautstärksten Vertreter des deutschen Imperialismus geworden ist.

Die Klimabewegung muss sich dafür einsetzen, dass der grüne Umbau nicht in einer klimaneutralen Version derselben imperialistischen Strukturen und derselben Ausbeutungsverhältnisse endet, sondern mit dem Kampf für eine neue Gesellschaft einhergeht.