Rechtsruck mit Ansage: Wahlen in Sachsen und Thüringen

Ein wichtiger Faktor bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ist die Frustration über die Ergebnisse von 34 Jahren Vereinigung inklusive sozialer Verwerfungen, Billigjobs und Missachtung der Menschen im Osten. Das verschmolz mit der globalen Lage, die von Krieg, Aufrüstung, Nationalismus, wachsenden Ängsten und Ethnisierung von sozialen Konflikten geprägt ist. Die in sämtlichen Medien verbreitete Feindschaft gegen Geflüchtete, die von den etablierten Parteien, der AfD ohnehin und vom BSW als Sündenböcke für die Abstiegsängste markiert werden, wirkt als Bindemittel dieser beiden Komponenten.

Von Claus Ludwig, Köln und Sebastian Rave, Bremen

Die Ampel-Parteien als Ausdruck der liberalen Verwaltung des Kapitalismus liegen zusammen bei unter 10,5% (Thüringen) und 13,3% (Sachsen). Sie jammern sich als Bundesregierung weiter durch und hoffen, dass es nicht weiter abwärts geht. Die SPD ist der völligen Vernichtung entgangen; anders als die FDP, die in Sachsen mit 0,9% hinter Tierschutz, Freien Wählen und den faschistischen “Freien Sachsen” liegt, knapp vor “Die Partei”. Die Grünen sind zahlenmäßig auf das reduziert worden, was sie inhaltlich schon lange sind: eine Partei arroganter, wohlhabender, die Armen verachtender Schnösel, die andere moralisch belehren, während sie selbst bei allen schmutzigen Deals mitmachen.

Die Linke kollabiert in der Fläche und wird zu einer Partei junger Menschen in Groß- und Unistädten. Die AfD als rechtsextremes Alternativangebot, macht den Durchmarsch bei allen Altersschichten und Berufen und wird zur bestimmenden Kraft. Die CDU hält ihre Ergebnisse. Die nächsten Jahre werden zeigen, inwieweit die Union sich “trumpisiert” und mit der AfD zusammenarbeitet. Aktuell hat sie beide Optionen – Richtung Mitte und Rechtsextreme. CDU-Minderheitsregierungen mit faktischer AfD-Duldung könnten als bauliche Maßnahme zum Abtragen der wackligen “Brandmauer” dienen.

In Thüringen reichen die Stimmen von CDU, SPD und BSW nicht zur Mehrheit im Landtag. Journalist*innen wiesen mehrfach darauf hin, dass ein einziger Übertritt von der Linken zur BSW die nötige Stimme bringen würde. Offensichtlich wird hinter den Kulissen fleißig mit Lockangeboten gearbeitet. Wenn es in zwei Wahlgängen zum Ministerpräsidenten keine absolute Mehrheit gibt, reicht im dritten Wahlgang die relative Mehrheit. 2020 kam so Kemmerich (FDP) mit den Stimmen der AfD kurzzeitig ins Amt. Dieses Mal wäre SA-Zitierer Höcke selbst, der davon profitieren würde. Es ist davon auszugehen, dass dies derzeit nicht im Interesse der ökonomisch Herrschenden ist, allerdings ist ein Kontrollverlust nicht ausgeschlossen. 

Abstimmung gegen NATO-Kurs

Die Landtagswahlen waren eine Abstimmung gegen die NATO-Unterstützung der Ukraine, gegen Kriegsvorbereitungen und Aufrüstung. Die Partei Die Linke, die Gewerkschaften und auch Bewegungen wie FFF mit ihrem Versagen bzw. ihrer Weigerung, eine klare Position gegen Militarismus und Aufrüstung zu beziehen, haben der Fake-Kriegsgegnerschaft der AfD und des BSW den Weg geebnet. Diese gebärden sich als Friedenskräfte, aber betreiben eine eigene nationalistische Agenda, die Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zu derjenigen der etablierten Parteien aufweist. Sie saugen Honig daraus, dass das Feld für sie frei ist und sie “Friedenspolitik” und Gegnerschaft gegen Waffenlieferungen in die Ukraine mit Abschottung, Rassismus und Antifeminismus verbinden können. Sie nutzen die berechtigte Skepsis vieler Menschen in Ostdeutschland gegenüber “Westorientierung” und Bündnis mit dem  US-Imperialismus aus.

Das Selbstverständnis als Friedenspartei, die alle imperialistischen Kriege ablehnt, war lange wichtig für den Zusammenhalt der Linken. Viele führende Mitglieder haben das mit ihrer offenen oder versteckten Unterstützung für die Ukraine und die NATO zerstört. Ihr dröhnendes Schweigen zum genozidalen Krieg Israels gegen Gaza hat den Effekt verstärkt.

Linke und die Arbeiter*innenbewegung müssen gegen alle imperialistischen Lager eintreten, sowohl gegen die, die mit dem Schießen begonnen als auch gegen die, die diese Situation passiv-aggressiv befördert haben. Sie müssen deutlich machen, dass die Unterdrückten und Arbeitenden auf allen Seiten nichts zu gewinnen haben, wenn sie sich gegenseitig umbringen und es nötig ist, die eigene soziale Kraft gegen die jeweils Herrschenden zu richten. 

Weder AfD noch BSW wollen oder können eine Bewegung gegen die Militarisierung anschieben. Sie werden die Jugend nicht gegen die drohende Wehrpflicht mobilisieren. Sie werden nicht dafür kämpfen, dass die Milliarden in Bildung, bezahlbare Wohnungen, Gesundheitswesen und Verkehr fließen. Das müssen Linke und Gewerkschafter*innen tun.

Fluchtbewegungen

Das mediale und politische Dauerfeuer gegen Geflüchtete lässt sich nicht allein durch die Zahlen erklären. 2023 sind netto 600.000 Menschen nach Deutschland migriert, weit weniger, als demografisch sinnvoll wäre. Auch die sogenannte “illegale Migration” findet keineswegs unkontrolliert und ausufernd statt. In der ersten Jahreshälfte 2024 sind rund 110.000 Menschen ohne gültige Papiere in die EU eingewandert. Als “illegal” bezeichnen deutsche Behörden auch den Grenzübertritt aus einem benachbarten EU-Land.

Die Kampagne verfängt, weil die Migration auch Ausdruck der eskalierenden globalen Krisen und Konflikte ist. Kriege führen zur Massenflucht. Viele ahnen, dass weit größere Wanderungsbewegungen folgen, wenn die Klimakatastrophe Teile des Planeten unbewohnbar macht. Die heutigen Geflüchteten sind ein Ausblick auf kommende Entwicklungen.

Die Fluchtbewegung aus Syrien ist ein Ergebnis der Niederlage des arabischen Frühlings und des Umschlagens der sozialen Revolte in Syrien in einen ethnischen Bürgerkrieg. Dieser hat auf allen Seiten reaktionäre Bewegungen wie den “Islamischen Staat” hervorgebracht. Wenn die Hoffnung schwindet, solidarische, gemeinsame Lösungen für soziale Ungerechtigkeit oder den Klimawandel zu finden, dann schlägt die Stunde der rechten Spalter, die “wir” gegen “die” predigen und die Ethnisierung sozialer Fragen vorantreiben. 

Es ist kein großes Geheimnis, dass noch nie in der Geschichte Migrationsströme durch Mauern, Grenzregime, Repression und Abschottung gestoppt wurden. Im Kapitalismus werden durch den Export von Kapital und Waren Grenzen niedergerissen. Sämtliche Maßnahmen gegen Geflüchtete dienen lediglich dazu, von den Ursachen der Probleme abzulenken und führen zu Spaltung, Hass und falschen Frontstellungen in den Zielländern.

Beim Kampf gegen die völlige Vernichtung des Asylrechts geht es nicht nur um “Humanität” oder “Mitgefühl”. Es geht um die Frage, wie die lohnabhängigen Menschen mit den Verwerfungen des Kapitalismus umgehen: Gemeinsam die Ursachen bekämpfen, die Reichen entmachten, Produktion und Verteilung solidarisch organisieren. Oder sich spalten lassen nach Nation, Herkunft, Religion und die Erzählung der Herrschenden übernehmen, man könne nur durch Abschottung oder militärische Gewalt Sicherheit gegen “die Feinde” durchsetzen und die sozialen Errungenschaften verteidigen, die genau diese eigene herrschende Klasse zerstört.

Sozialer Abbau Ost

Die AfD wurde stark von Menschen gewählt, die ihre wirtschaftliche Lage negativ beurteilen. Das ist häufig eine subjektive Einschätzung, es sind nicht die Ärmsten, die die AfD wählen,  diese spricht allerdings enttäuschte Aufstiegshoffnungen oder abstiegsbedrohte “Mittelschichten” an.  Viele “einfache” Menschen, mit niedrigerem Bildungsabschluss, männliche und mittelalte Beschäftigte wählten die AfD. Arbeiter*innen wählten die AfD überdurchschnittlich. Sie ist in geringerem Maße Protestpartei als 2014. Damals gaben in Thüringen 57% an, sie aus Enttäuschung von anderen Parteien zu wählen, heute sind es nur noch 40%.  

Deindustrialisierung und allgemeiner Verfall von sozialer Infrastruktur sind nach 35 Jahren Wiederherstellung des Kapitalismus nicht spurlos am politischen Bewusstsein in Ostdeutschland vorbeigezogen. Die ostdeutsche Provinz ist nicht von Immigration, sondern von Auswanderung geprägt. Dazu kommt, dass ostdeutsche Beschäftigte im Schnitt 14% weniger als ihre Kolleg*innen im Westen verdienen. Armut und Arbeitslosigkeit sind in Ostdeutschland immer noch höher als im Westen. 

Kein Wunder, dass nur noch zwei Fünftel “Westparteien” (SPD, CDU, Grüne, FDP) wählen wollten. Und gerade die AfD positioniert sich als Vertreterin ostdeutscher Interessen. Sie lenkt die Wut und Unzufriedenheit, die soziale Ursachen hat, auf rassistische und nationalistische Bahnen. Wer das Gefühl hat, gegen “die da oben” nichts ausrichten zu können, tritt nach unten. 

Die linke Lücke

Die Rechten konnten so stark werden, weil die Linke schwach ist. Zeiten von Krisen erfordern klare und radikale Antworten. Die Partei Die Linke hat keine Alternativen formuliert, sondern sich für die schmutzigen Jobs bei der Krisenverwaltung des Kapitalismus angeboten. Die Regierungsbeteiligungen in Thüringen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen haben nicht dazu geführt, dass sich die Lebensverhältnisse für Beschäftigte, Mieter*innen, Frauen oder Geflüchtete verbessert haben. Überall hat die regierende Linke Mitverantwortung für reaktionäre Politik übernommen wie jüngst in Bremen für die Schließung des Krankenhauses Links der Weser.

Die Partei ist zum Teil des politischen Establishments geworden, hat sich abgekapselt von Unzufriedenheit und Wut und sich damit selbst überflüssig gemacht. Das destruktive Agieren der Truppe um Sahra Wagenknecht hat diesen Prozess verstärkt, doch er ist nicht die Ursache. Das Versagen bei Ukraine und Gaza hat die Partei über die Klippe gestoßen, nachdem die Linke schon zuvor als Interessenvertretung der Mieter*innen, der Erwerbslosen und Armen unglaubwürdig geworden ist.

Das ist ein internationaler Trend. Die seit den 2000ern neu entstandenen linken Parteien sind fast sämtlich an ihrer Halbherzigkeit zugrunde gegangen. Die Kapitulation der damals regierenden griechischen Linkspartei Syriza 2015 vor den Drohungen der EU war ein Wendepunkt. Die linken Parteien haben sich nicht klar für die Interessen der arbeitenden Klasse eingesetzt. Wenn die Klassenfrage in den Hintergrund tritt und auch die Linke keine klare Haltung vertritt, dann bekommen “kulturelle” Fragen mehr Gewicht: Herkunft, Sprache, Religion, sexuelle Identität, an denen die Rechte spaltet und Verwirrung stiftet, bis hin zur Absurdität eines “Kulturkampfes” um Wärmepumpen. 

Trump, Meloni, Wilders und Höcke verdanken ihren Aufstieg dieser Krise der Linken. Sie finden vor sich ein relativ freies Feld für Lügen, Hetze und Ablenkung. In Frankreich läuft dieser Prozess auch, doch im Unterschied zu vielen Ländern ist die Polarisierung auf der politischen Ebene nicht einseitig, sondern es gelingt immer wieder, eine in der arbeitenden Klasse verankerte politische Alternative von links zu formulieren.

Ist noch was zu retten?

Der abgewählte Ministerpräsident Ramelow (Linke) bietet an, einer Minderheitsregierung aus CDU, SPD und BSW an die Macht zu verhelfen, schließt auch eine Koalition nicht aus. Die Linke ist in Thüringen das entscheidende Zünglein an der Waage. Wenn sie sich jetzt an das politische Zentrum klammert, erweist sie dem Kampf gegen die AfD einen Bärendienst. Es ist die Nicht-Unterscheidbarkeit der etablierten Parteien, die die AfD nutzen kann. Ihr Image als Protestpartei ist ihr Erfolgsgarant. 

In Thüringen kann Die Linke gezwungen sein, eine AfD-Regierung zu verhindern, indem sie der CDU ins Amt verhilft. Doch sie darf keine Verantwortung für die reaktionäre Politik dieser Regierung übernehmen, nicht für Kürzungshaushalte, nicht für rassistische Politik gegen Geflüchtete oder die Aufrüstung der Polizei. Sie darf sich weder an Regierung beteiligen noch Duldungs- oder Tolerierungsverträge unterschreiben. Denn wenn sie sich weiter ans politische Zentrum klammert, nutzt das der AfD, die sich als Anti-Establishment-Partei verkauft und gegen eine Allparteien-Koalition wettern kann, die die Lebenssituation der arbeitenden Bevölkerung nur verschlechtert.

Die Regierung Ramelow hat keinerlei Verbesserungen für Arbeitende, Jugendliche oder das Klima durchsetzen können. Warum sie also wählen? Die einzige Hoffnung von Ministerpräsident Ramelow und Staatssekretär und Reformer-Oberstratege Benjamin Hoff war, darauf zu setzen, dass Wähler*innen die AfD verhindern wollen: “Bodo oder Barbarei”. Diese “Strategie” ist – außer in den größeren Städten wie Jena, Weimar und Erfurt – gescheitert; nicht nur, weil das BSW enorm viele enttäuschte ältere Linke-Wähler*innen gezogen hat. 39.000 Linke-Wähler*innen sind gleich zur CDU gegangen, um damit die Barbarei zu bekämpfen. 23.000 zogen die Barbarei vor und wählten die AfD – in dem Fall wahrscheinlich wirklich eher aus Enttäuschung und Protest als aus ideologischer Überzeugung. 

In Sachsen ist die Linke bei ihrer Kernkompetenz, “sorgt am ehesten für soziale Gerechtigkeit” von 27 auf 9% abgestürzt. Leichte Zugewinne gab es nur bei unter 34-jährigen. Die Linke ist in den Großstädten stärker und konnte in Leipzig zwei rettende Direktmandate holen. Dazu kommt: Wer länger in Sachsen lebt, wählte seltener Die Linke. Vor allem jüngere Zugezogene in den Großstädten haben – wahrscheinlich aus antifaschistischen Motiven – der Partei ihre Stimme gegeben. Der langanhaltende Abwärtstrend der Linken, von 23,6% (2004), 18,9% (2014), 10,4% (2019) auf jetzt 4,5% begann mit der Zustimmung zur Privatisierung öffentlicher Wohnungen in Dresden und in Zwickau 2004.  2014 schrieben die Dresdner Neuesten Nachrichten: “Wer es ‚denen da oben‘ mal zeigen will, für den ist die Ost-Linke längst viel zu zahm“. Daran hat sich nichts Grundlegendes geändert, beim Thema Krieg und Frieden ist der Großteil der Ost-Linken sogar noch weiter vor dem bürgerlichen Mainstream eingeknickt. Der Weg der Anpassung an den bürgerlichen Politikbetrieb ist der Weg der Selbstzerstörung der Linken.

Eine Linke in dieser Form ist kein Instrument für arbeitende Menschen, die ihre Lebenssituation verbessern wollen. Natürlich sind die Probleme der Linken nicht nur hausgemacht. Jahrzehnte ohne erfolgreiche Klassenkämpfe haben ebenso einen Effekt gehabt wie das Einmarschieren rassistischer Erzählungen mit großen Schritten, befeuert vor allem durch die bürgerlichen Parteien von CDU bis Grüne, die sich mit Abschiebephantasien übertrafen. Doch eine Linke, die sich nur auf ein moralisches Dagegenhalten bei diesem Thema beschränkt, so wichtig das auch ist, reicht nicht aus, um eine Gegenerzählung dazu wirkmächtig zu machen. Den Mitgliedern der Linken, den Aktivist*innen und vor allem den Gewerkschaften in Ostdeutschland fällt jetzt eine besondere Verantwortung zu, den Kampf gegen Rechts mit dem Kampf gegen Militarisierung und Kürzungen zu verbinden.

Die Lage ist ernst

Die AfD ist ein Faktor, das Land nach rechts zu schieben, die Spaltung der arbeitenden Klasse entlang ethnisch oder religiöser Grenzen oder kultureller Fragen voranzutreiben. Als Sperrminorität in Thüringen und Regierung im Wartestand in beiden Ländern hat sie weitaus mehr Möglichkeiten dazu – propagandistisch, finanziell, institutionell.

Sie treibt die bürgerlichen Parteien nicht vor sich her, diese rennen bei der Frage von Flucht in Asyl mit vollem Tempo, aus eigenem Antrieb, in die gleiche Richtung. Sie überbieten sich täglich mit Slogans über Gefahren, Terror und die Begrenzung “illegaler” oder jeder Migration, schüren Ängste, heizen die Stimmung an und verschaffen der AfD dadurch Gehör. Wenn sich alle bürgerlichen Parteien einen Wettstreit bieten, wer die AfD-Rhetorik am besten kopiert, bevorzugen viele das “Original”. 

Viele hofften 2015, dass Merkel mit ihrem “Wir schaffen das” Recht behalten würde. Doch um “das” zu “schaffen” hätten umfassende öffentliche Investitionen stattfinden müssen. Kitas, Schulen, das Gesundheitswesen, der öffentliche Verkehr hätte ausgebaut werden müssen, finanziert von den Millionären und Milliardären, die seitdem so viel reicher geworden sind. Die erneuerbaren Energien hätten umfassend ausgebaut werden müssen, um qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Öffentlicher Wohnraum hätte geschaffen werden müssen, um eine Situation zu verhindern, in der hier geborene und kürzlich angekommene auf einem verknappten Wohnungsmarkt konkurrieren müssen. 

Heute kommt der Frust über den maroden, täglich ungerechteren Kapitalismus mit der gewaltigen Welle von Propaganda gegen Geflüchtete zusammen, die alle Parteien rechts der Linken betreiben. Die Geflüchteten sind von ihnen erfolgreich als Sündenböcke für das Versagen des Systems geframed worden, das für unbezahlbare Wohnungen, Inflation, mies bezahlte Jobs und eine verfallende Infrastruktur verantwortlich ist.

Den hunderttausenden Menschen, die vor Gewalt und Krieg nach Deutschland geflohen sind, die traumatisiert und isoliert sind, wird viel zu häufig keine ausreichende psychologische oder sozialarbeiterische Begleitung zur Seite gestellt. Wenn eine winzige Minderheit gewalttätig wird, ist das ein Alarmsignal, dass diese Betreuung verbessert werden muss. Perspektivlose, ausgegrenzte und labile Menschen sind anfälliger für gewalttätige Ideologien. Ihnen zu helfen ist eine nachhaltigere Lösung, als das Problem abzuschieben. 

Geflüchteten, die durch die Dublin-Regelung in ein anderes EU-Land ausreisen müssen, sollen laut Beschluss der Ampel-Regierung Gelder entzogen werden, sie werden faktisch ausgehungert. Die CDU fordert inzwischen, diese Regelung auf “Geduldete” auszudehnen, also Geflüchtete, die keinen individuellen Anspruch auf Asyl haben, aber wegen der Lage in ihrem Herkunftsland nicht abgeschoben werden. Diese Schikanen treiben Menschen in Verzweiflung und einige direkt in die Kriminalität, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht anders bestreiten können. Dieser brutalisierte staatliche Rassismus löst kein Problem, sondern vertieft die vorhandenen Spaltungen, indem Menschen in existenzgefährdende Situationen gestoßen werden.

Das Wachstum der AfD war bisher nicht von einem entsprechenden Wachstum rechtsextremer Gewalt begleitet.  Doch niemand soll sich täuschen: die Durchbrüche in Sachsen und Thüringen werden organisierte Nazi-Banden und rassistische Mobs ermutigen. Die Angriffe auf den CSD in Bautzen und die Nazi-Mobilisierung gegen den CSD sogar in Leipzig sind klare Warnungen. Die Faschist*innen haben ihre Hetze diversifiziert, neben Migrant*innen sind auch queere Menschen und Klimaaktivist*innen gefährdet. Letztendlich richtet sich die rechte Gewalt gegen die gesamte Linke und die organisierte Arbeiter*innenbewegung. 

Trotz des Aufschwungs der AfD konnten in einigen Regionen Sachsens auch offen faschistische Kräfte rechts davon punkten. Die “Freien Sachsen” holten landesweit 2,2% (über 52.000 Stimmen) und im Wahlkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge IV glatte 4%.

Was tun?

Die AfD hat eine Basis von überzeugten Unterstützer*innen. Sie wird zur Regierungsoption für die herrschende Klasse. Wir werden sie nicht kurzfristig zurückdrängen können, sondern brauchen eine langfristige Strategie. Klassische Antifa-Politik, die darüber aufklärt, dass Höcke ein Faschist ist und die AfD gefährlich, reicht nicht mehr aus. Demonstrationen können eine Rolle dabei spielen, antifaschistische Kräfte zusammenzubringen, aber sie werden die AfD nicht stoppen. Es kann allerdings nötig werden, die Selbstverteidigung gegen rassistische und Nazi-Übergriffe zu organisieren. 

Rechtsruck, Nationalismus und Militarisierung marschieren mit großen Schritten über den Globus, und machen vor Deutschland nicht halt. Die imperialistische Blockkonfrontation bestimmt die Weltlage, heizt regionale Konflikte an, droht, ganze Ökonomien zu vernichten, verhindert die Bekämpfung der Menschheitsaufgabe, den Klimawandel zu stoppen und gefährdet die Lebensgrundlage aller.

Rosa Luxemburg schrieb zu Beginn des Ersten Weltkriegs, dass die bürgerliche Gesellschaft vor einem Dilemma stehe: entweder Übergang zum Sozialismus oder Rückfall in die Barbarei. Die antifaschistische Bewegung, die Gewerkschaften und die Linke können nicht länger die Augen vor diesem Dilemma verschließen. 

Es braucht, dringender denn je, klare Opposition dagegen. Der Rassismus der AfD und all der Bürgerlichen, die sich äußerlich von ihr distanzieren, aber lautstark ihr Lied mitsingen, kann man nicht entgegentreten, ohne auch gegen dem Nationalismus, dem Militarismus, dem damit verbundenen Sozialabbau und der Wurzel all dessen, dem Kapitalismus zu widersprechen. 

Wir stellen diesen Verhältnissen ein Programm entgegen, dass die Interessen aller Lohnabhängigen, unabhängig von Herkunft und Geschlecht, formuliert: Gegen die Aufrüstung, gegen alle Sozialkürzungen. Jobs verteidigen, Produktion umstellen. Die Reichen müssen zahlen, die großen Konzerne gehören enteignet und demokratisch kontrolliert. Nur so können wir den Boden austrocknen, auf dem die Rechten zur Zeit scheinbar unaufhaltsam wuchern können.

Bild: Martin Heinlein – CC BY 2.0 – https://flic.kr/p/2ipN9im