Ford Köln: Ende der Illusion Sozialpartnerschaft – Kampf um jeden Arbeitsplatz

Keine Atempause für die Beschäftigten der Autoindustrie: Nach VW plant nun auch Ford massiven Stellenabbau. Von europaweit 4000 Arbeitsplätzen, die der Konzern bis Ende 2027 streichen will, sollen 2900 bei Ford Köln wegfallen. Die Angst vor einer kompletten Schließung des Werkes ist groß, die Wut auch. Am 21. November legten 2000 Beschäftigte die Arbeit nieder und zogen vor die Europazentrale des Konzerns. Bei der Betriebsversammlung am 27. November sollen die Beschäftigten weitere Details erfahren. 

Von Conny Dahmen, Köln

Aktuell arbeiten in Köln 13.000 Beschäftigte für den Konzern, 2018 waren es noch 20.000. 2019 hatte Ford sechs Werke in Europa geschlossen und 4000 Jobs in Köln gestrichen. Das Ford-Werk Saarlouis schließt Ende 2025. Letztes Jahr verkündete der Konzern bereits, dass 2000 Arbeitsplätze in der Entwicklung wegfallen. Seit dieser Woche sind Kolleg*innen in Kurzarbeit, die offiziell bis (weit) ins nächste Jahr andauern soll – wahrscheinlicher ist, dass die Produktion nicht noch einmal in bisheriger Weise aufgenommen wird. Die 2300 betroffenen Beschäftigten, die bis zu den Weihnachtsferien im Wechsel jeweils eine Woche arbeiten und eine Woche ausgesetzt werden, fragen sich, ob sie jemals wieder normal arbeiten werden.

Die Angst vor Schließung des Standortes besteht schon längst. Seit Juni diesen Jahres produziert Ford Köln einen wahren Ladenhüter, den E-SUV „Explorer“, dessen Produktion ein Jahr verspätet aufgenommen wurde. Seit dem September wird der “Capri” produziert. In Statements verweist Ford auf erhebliche Verluste bei der PKW-Produktion in Europa und den „intensiven Wettbewerb“ besonders der europäischen Standorte mit mit „neuen Konkurrenten und wirtschaftlichem Gegenwind“ in der Elektromobilität, und jammert über „die strengen CO2-Regulierungen“ bei einer schwachen Nachfrage nach Elektroautos.

Zweifellos hat Ford zu spät auf das falsche sterbende Pferd gesetzt. In Köln-Niehl in der Nähe des Werkes wurden große Flächen angemietet, um die E-SUVs zu lagern, die die Händler nicht mehr abnehmen. Mit dem schlechten Timing ist Ford keine Ausnahme, sondern – auch als US-Konzern – beispielhaft für die deutschen Autobosse, die Klimawandel und den Trend zur E-Mobilität lange ignorierten und weiterhin – mithilfe von Dieselbetrug und “Dienstwagenprivileg” – weiterhin profitable große Spritschleudern herstellen ließen. Währenddessen subventionierte der chinesische Staat die heimische Produktion von E-Autos, die heute in großen Mengen und zu günstigen Preisen auch nach Europa exportiert werden. (Deutsche) Fahrzeuge mit Verbrennermotor finden hingegen immer weniger Absatz in China (-12% im ersten Halbjahr 2024). Der hektische Umstieg von Ford, VW und Co. auf (große, teure) E-Autos kam zu spät, um noch mithalten zu können.

Die Krise der deutschen Autoindustrie ist aber nicht einfach dem Missmanagement geschuldet, sondern vor allem ein Ergebnis der gewachsenen Konkurrenz zwischen den kapitalistischen Mächten, vor allem durch den Aufstieg Chinas, die sich mit der weiteren Verfestigung der Macht- und Wirtschaftsblöcken verschärft. Die exportorientierte Industrie der BRD ist Verliererin der „Zeitenwende“ mit Re-Shoring, hohen Zöllen, drohenden Handelskriegen usw.

Kampf um jeden Arbeitsplatz, Kampf um eine echte Verkehrswende

So ist die deutsche Autoproduktion seit 2017 von 5,7 auf 3,5 Millionen Fahrzeuge jährlich gesunken, von 2018 bis 2023 wurden 60.000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie abgebaut. „Sozialverträglichkeit“ und „Sozialpartnerschaft“ werden von den Bossen aufgekündigt, Vereinbarungen und Sicherheiten gelten nicht mehr. Beschäftigte und Gewerkschaften sehen sich Massenentlassungen und massiven Lohnsenkungen gegenüber.

Die IG Metall und alle DGB-Gewerkschaften und müssen endlich Widerstand organisieren anstatt mit Zugeständnissen und Lohnverzicht die Aggression der Konzerne zu belohnen und deren Salami-Taktik zum Opfer zu fallen.

Die IG Metall hat die jüngste Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie mit einem schwachen Ergebnis von effektiv weniger als 2% pro Jahr abgeschlossen, ohne die Beschäftigten über einzelne Warnstreiks hinaus zu mobilisieren. Sie hat damit den Reallohnverlust der letzten Jahre fortgeschrieben und damit der falschen Logik der Bosse, Lohnverzicht würde Arbeitsplätze sichern, nachgegeben. Das Gegenteil ist der Fall: ein entschlossener Kampf für höhere Löhne hätte auch die Gegenwehr gegen Entlassungen befördert. 

Die IG Metall hatte für die Tarifrunde bei VW den Vorschlag gemacht, die Ergebnisse der allgemeinen Metall- und Elektrorunde zu übertragen, aber die Gelder nicht an die Kolleg*inne4n auszuzahlen, sondern sie zur “Sicherung” von Arbeitsplätzen einzusetzen. Die Bosse haben die “Sozialpartnerschaft” aufgekündigt, die IGM-Führung träumt weiter davon. 

Doch die Forderungen des Konzerns gehen weit darüber hinaus. VW will 10-20% Lohnsenkung, drei Werke schließen, Zehntausende Arbeitsplätze abbauen. Wenn die IGM nicht kapitulieren will, muss sie ab dem 1. Dezember – dann ist die Friedenspflicht beendet – in einen umfassenden Streik bei VW gehen.

Die IGM Köln-Leverkusen kündigte in ihrem Statement vom 20.November „entschlossenen Widerstand“ an: Ihre politischen Forderungen an die etablierten Parteien sind allerdings illusionär oder schwach. Die IGM fordert die Einführung einer neuen Förderung für E-Mobilität vor der Bundestagswahl, um Kaufanreize für E-Autos – und damit vermeintlich dem toten Pferd „Explorer“ – zu schaffen. Bundesweit setzt die IG Metall auf den „Wechsel der Antriebstechnologien“ anstatt auf den industriellen Umbau weg vom Individualverkehr.

Doch wenn der Stellenabbau der letzten Jahre und die jetzige Krise der Autoindustrie eines zeigen, ist das: Lohnverzicht sichert keine Arbeitsplätze, sondern nur Profite. Nur konsequenter Widerstand sichert Arbeitsplätze, der Kampf für Arbeitszeitverkürzung – vollem Lohn- und Personalausgleich – , und die Umstellung der Produktion auf Fahrzeuge für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie eine echte Verkehrswende.

Die IG Metall und die VW-Betriebsräte müssen die VW-Tarifrunde nutzen, um Streiks zur Verteidigung jedes Arbeitsplatzes zu organisieren, nicht nur dort, sondern auch bei Ford.

Wir schlagen vor:

  • Verteidigung aller Arbeitsplätze und Werke bei Ford, VW und anderen Betrieben, nein zum Lohnverzicht.
  • Vorbereitung des Vollstreiks in den VW-Werken ab 1. Dezember.
  • Streik-Komitees an allen Standorten aufbauen, mit direkter demokratischer Kontrolle durch die Beschäftigten
  • DGB-Gewerkschaften, Klimabewegung und Linke sollten Solidaritäts-Komitees aufbauen
  • Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich,
  • Enteignung aller Konzerne, die Werke schließen, Vergesellschaftung unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten.
  • Umbau der Produktion auf benötigte Produkte wie Busse und Bahnen, gesellschaftliche Planung der Verkehrswende.
  • Umfassende staatliche Investitionen in den klimagerechten Umbau des Verkehrs, finanziert durch höhere Steuern der Reichen und die Gewinne der Autoindustrie.

Die Autoproduktion bei Ford und VW zu reduzieren ist tatsächlich sinnvoll und notwendig – die Kolleg*innen zu entlassen, auf keinen Fall. Um den Klimawandel zu bekämpfen, brauchen wir einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems, und dafür brauchen wir alle Facharbeiter*innen, Techniker*innen und Ingenieur*innen. 200.000-300.000 zusätzliche Arbeitskräfte würden allein in der Fahrzeugproduktion benötigt, plus 220.000 bei Bahn, ÖPNV und dem Umbau der Infrastruktur. Durch eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden entstünden weitere 85.000 Jobs allein in der Produktion.

Kampf um jeden Arbeitsplatz, Mobilität für alle

Klingt das utopisch und realitätsfern? Gerade das Beispiel des Kölner Nahverkehrs zeigt den Irrsinn des aktuellen Verkehrswesens. Es zeigt, dass eine Umstellung der Produktion ohne Alternative ist. Hier bricht scheinbar gleichzeitig mit der Autoproduktion auch der Nahverkehr zusammen. Im täglichen Betrieb der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) gibt es laufend Ausfälle von Bussen und Stadtbahnen, Verspätungen und Chaos – an einigen Stellen vor allem wegen Unfällen oder Falschparkens von Autos. Zu den Kürzungen nach der Pandemie und jahrelangen Dauerbaustellen wie der Mülheimer Brücke kommen seit dem letztem Wochenende neue Fahrplaneinschränkungen, wobei einige Bahnlinien noch seltener fahren oder ganz eingestellt werden. Personalmangel und Krankenstände sind die Begründungen, außerdem die erneute Verzögerung bei der Lieferung neuer Stadtbahnen durch Alstom und Ersatzteilen für die alten.

Würde statt des privaten Großkonzerns Alstom, der offenbar lohnendere Aufträge priorisiert, ein kommunales Unternehmen die Bahnen und Busse in den Ford-Fabrikhallen herstellen, könnte die KVB zügig versorgt werden. Würden die KVB-Beschäftigten Löhne auf Ford-Niveau verdienen, mit entsprechenden Schichtzulagen, gäbe es vermutlich keinen Personalmangel. Würden diese Beschäftigten eine geringere Wochenstundenzahl zu weniger stressigen Bedingungen arbeiten, wäre der Krankenstand vermutlich weit niedriger.

Die Fabriken der Autohersteller und Zulieferer darauf umzustellen, wäre technisch kein Problem; die Arbeitsplätze im öffentlichen Verkehr aufzuwerten, damit sie attraktiv für die Beschäftigten der Autoindustrie werden, nur eine Frage des Geldes – was zum Beispiel in auf den Konten der Aktionär*innen der Autokonzerne liegt. Die Kolleg*innen in der Autoindustrie haben für die Großaktionär*innen und Manager*innen Gewinne ohne Ende erwirtschaftet. Selbst in dieser schweren Krise machen die Konzerne noch Profite: VW machte 2023 16 Milliarden Euro Profit, Daimler 14, BMW 11,5 Milliarden. Diese Profite werden sie retten wollen, zu Lasten der Kolleg*innen und letztendlich uns allen.

Kampf um jeden Arbeitsplatz, Kampf für eine lebenswerte Zukunft für alle

Kapitalismus bedeutet Produktion und Politik nach Profitinteressen, anstatt für Mensch und Planeten. Daher müssen wir selbst für diesen gesellschaftlich notwendigen Umbau kämpfen und ihn organisieren. Die Konzerne der Auto – und der Zulieferindustrie müssen enteignet, vergesellschaftet und unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten, der Klima- und Verkehrsexpert*innen und der Bevölkerung gestellt und gemanagt werden. Die Gewerkschaften, vor allem die IG Metall, sollten zusammen mit der Klimabewegung ein Programm entwickeln, um gleichzeitig Beschäftigung, Einkommen und Qualifikationen durch Umstellung von Produktion und massive Investitionen in den Ausbau der klimagerechten Mobilität zu sichern, und ein Bündnis der Beschäftigten, der Klimabewegung und Verkehrsinitiativen für einen öffentliches klimagerechtes Verkehrssystem organisieren, dass alle tariflich bezahlten und qualifizierten Arbeitsplätze der heutigen Auto-Kolleg*innen erfolgreich verteidigen kann.

Um all diese Fragen intensiver zu diskutieren, organisiert die SAV Köln folgende Veranstaltung, zusammen mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG), Interventionistische LINKE (IL), Antifa AK Cologne, RWE & Co enteignen

Veranstaltung in Köln, mit Stefan Krull, Publizist, ehemaliger Betriebsrat bei VW Wolfsburg

Welche Alternativen gibt es zu Werksschließungen, Entlassungen und Lohnverzicht in der Autoindustrie?

Montag, 2. Dezember, 19 Uhr im Naturfreundehaus Kalk, Kapellenstr.9a, Köln

Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0,