Nach der Ampel rechts?

Deutschlands Wirtschaft stagniert am Rande der Krise, die Bundesregierung ist schon einen Schritt weiter. 

Von Sebastian Rave, Bremen

Christian Lindner 18-seitiges Wirtschaftspapier liest sich wie ein Trennungsbrief. Er meint, die Ursache für die wirtschaftliche Schwäche seien “Regulierungs- und Bürokratiedickicht” (einige zahme Verpflichtungen für Arbeitgeber), zu wenig Arbeitsstunden, zu viel Klimaschutz sowie der Protektionismus im Zuge “geoökonomischer Faktoren” (gemeint ist die Polarisierung zwischen den imperialistischen Blöcken). Seine “kreativen” Lösungen: Sozialleistungen kürzen, Arbeitszeit verlängern, den Kohleausstieg und Subventionen in Erneuerbare beenden und deutsches Erdgas durch Fracking gewinnen. Die Schuldenbremse sei wichtig, deswegen müssen Investitionen in Infrastruktur und Bundeswehr (!) priorisiert werden. 

Der Streit in der Ampel ist Ausdruck einer politischen Auseinandersetzung innerhalb der herrschenden Klasse. Die neoliberale Globalisierung wurde in der Ära der Restauration des Kapitalismus von den 1990ern hegemonial. Deutschland wurde mit seinem Geschäftsmodell, Maschinen und Autos sowohl in die USA als auch nach China zu exportieren, zum großen Gewinner. Mit dem “Neuen Kalten Krieg”, also der Polarisierung zwischen den imperialistischen Blöcken um die USA einerseits und um China und Russland andererseits, änderte sich das grundlegend. “Geoökonomie”, also Strafzölle und Verlagerung von strategischer Produktion in die eigene Einflusssphäre, sowie Militarisierung prägen die neue Ära. Die genaue Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik dieser neuen Ära ist noch im Fluss – und darum dreht sich der Streit. 

Weitere Kürzungen drohen

Lindner, seine FDP und die CDU, die das Papier lobten, repräsentieren den Flügel des Kapitals, der am Marktradikalismus des Neoliberalismus festhält, aber auf eine verschärfte Ausbeutung von Mensch und Natur setzt, und stützt sich vornehmlich auf das Kleinbürgertum (“Mittelstand, das Handwerk und neue und junge Unternehmen”). In radikaler Reinform wird diese Politik von Milei in Argentinien vorgeführt, wo als Folge von Sozialkahlschlag mit der Kettensäge mehr als die Hälfte der Menschen in Armut abgerutscht sind, und auch Trump hat ähnliches vor. SPD und Grüne hingegen orientieren sich stärker am Großkapital, das strategische staatliche Investitionen fordert (Industriestrompreis, Abwrackprämien zugunsten [deutscher] E-Autos), um aus der Krise zu kommen. Ihr Modell des kapitalistischen Staatsinterventionismus ist aber keine Alternative für Lohnabhängige.

Merz scharrt schon mit den Füßen, bereit, Lindners Kürzungspolitik garniert mit AfD-Rhetorik gegen Geflüchtete umzusetzen, wenn die Ampel scheitert. SPD und Grüne zeigen jetzt schon ihre Kompromissbereitschaft, und sind ohnehin dabei, wenn es um Aufrüstung, Militarisierung und Angriffe auf Asylsuchende geht. Sie haben mit ihrer Politik und ihrem Scheitern einer möglichen noch rechteren Regierung den Boden bereitet. Gewerkschaften und Linke müssen sich auf zukünftige Angriffe vorbereiten.

Foto: PantheraLeo1359531, CC BY 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by/4.0, via Wikimedia Commons