Neben der rassistischen Migrationsdebatte spielt die Hetze gegen das Bürgergeld und die Menschen, die es empfangen eine größere Rolle im Wahlkampf der bürgerlichen Parteien. Bezieher*innen von Bürgergeld werden für das fehlende Geld im Staatshaushalt verantwortlich gemacht. Die etablierten Parteien befinden sich derzeit auf einem Kahlschlagkurs im sozialen Bereich, während sie Hunderte Milliarden für Rüstung ausgeben wollen. Kürzungen beim Bürgergeld sollen angeblich dabei helfen, das Loch, das die Militarisierung in den Haushalt reißt, zu stopfen. Die tatsächlichen Einsparungen sind jedoch gering. Hetze und Kürzungen haben andere Motive.
Von Flora, Köln
AfD, Union und FDP argumentieren alle, dass “Arbeit sich wieder lohnen” soll. Das wollen sie aber nicht durch höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen gewährleisten. Stattdessen soll beim Bürgergeld gekürzt werden. Arbeitende im Niedriglohnsektor werden gegen Arbeitslose ausgespielt und als Sozialschmarotzer*innen dargestellt, die zu Unrecht staatliche Hilfe erhalten würden. Diese staatliche Hilfe wird als unfair gelabelt, einerseits, weil die Bezieher*innen als “arbeitsscheu” dargestellt werden, andererseits wegen der Illusion, dass durch die fehlenden Steuereinnahmen der Arbeitslosen Geld für den Haushalt fehle. Es geht den Steuerzahlenden ja sowieso schon schlecht; warum sollten nicht Arbeitende mehr erhalten? Diese Idee mischt sich mit der rassistischen Hetze gegen Geflüchtete.
Konkret geht es vor allem um Sanktionen und Leistungskürzungen bei sogenannten Totalverweigerer*innen, um sie wieder ins Arbeitsleben zu zwingen. Diese Idee vertreten nicht nur Parteien wie AfD, Union und FDP. Hubertus Heil, SPD-Arbeitsminister, hat bereits Ende 2023 die Idee eingebracht, Personen, die Jobangebote ablehnen, vorübergehend das Bürgergeld zu streichen. Die Entlastung des Haushalts wird als weiterer Grund für Kürzungen des Bürgergeldes vorgegeben. Allerdings wären die tatsächlichen Einsparungen gering im Vergleich zu den enormen Steuerentlastungen für die Besitzenden und Top-Verdiener*innen, die von allen etablierten Parteien angestrebt werden.
Lächerliche Beträge
Unter den 5,6 Millionen Bezieher*innen von Bürgergeld sind nur 1,6 Millionen erwerbsfähig. Nur wenige zehntausend davon sind sogenannte Totalverweigerer*innen. Demgegenüber nehmen Schätzungen zufolge 35 bis 40% der eigentlich Berechtigten ihren Anspruch auf Bürgergeld nicht wahr. 42,6 Milliarden Euro wurden im Jahr 2024 für Bürgergeld ausgegeben. Durch Sanktionen bei sogenannten Totalverweigerer*innen würden zusätzlich 150 Millionen Euro eingespart werden. Auf der anderen Seite soll das einkommensstärkste 1% drastisch durch Steuern entlastet werden. Die gesamten Steuersenkungen liegen bei der FDP bei 188 Milliarden Euro und bei der AfD: 181,2 Milliarden Euro. Die Union will um 110,6 Milliarden Euro entlasten, Grüne um 39,5 Milliarden Euro und SPD um 11,4 Milliarden Euro. Je rechter die Partei ist, desto stärker werden vor allem die Reichen und Gutverdienenden entlastet. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt entlastet die FDP die Superreichen um ca. 10%. Es ist eindeutig, dass man durch strenge Sanktionen beim Bürgergeld nicht ansatzweise so viel Geld sparen kann wie man durch die Besteuerung der Reichen einnehmen würde.
Die FDP behauptet, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde um 240 Milliarden Euro wachsen, wenn die Bürgergeldempfänger*innen ins Arbeitsleben zurückkehren, das würde viel mehr bringen als die eigentlichen Ersparnisse bei den Sozialleistungen. Doch allein für die Finanzierung der im Wahlkampf versprochenen Steuerentlastungen der CDU wären über mehrere Jahre 10% Wirtschaftswachstum nötig, was quasi ausgeschlossen ist. Bisher hat sich niemand getraut, die Pläne der FDP gegenzurechnen.
Hartz IV
Die von der CDU beschlossene Agenda 2030 lehnt sich an die“Agenda 2010” von Kanzler Schröder (SPD) an. Damals sollte mit der Einführung von “Hartz IV” die deutsche Wirtschaft durch Druck auf die Löhne international konkurrenzfähiger gemacht werden.
Das eigentliche Motiv hinter den Kürzungen des Bürgergeldes ist der Ausbau des Niedriglohnsektors. Arbeitslose sollen dazu gezwungen werden, jeden miesen Job anzunehmen – unabhängig vom Beruf oder der Bezahlung. Dieser Angriff ist daher nicht nur ein Angriff auf die aktuellen Bezieher*innen des Bürgergeldes, sondern auf alle Arbeiter*innen. Dadurch, dass mehr Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, herrscht mehr Konkurrenz unter den Arbeitenden um eine Arbeitsstelle. Dementsprechend nehmen mehr Menschen Jobs an mit schlechten Arbeitsbedingungen, niedrigen Löhnen und langen Pendelzeiten.
Zusammengefasst führen die angekündigten Reformen beim Bürgergeldr zu mehr Stress auf dem Arbeitsmarkt für Arbeiter*innen, da es mehr Arbeitskräfte auf dem Markt gibt ohne soziale Absicherung und ohne sichere Arbeitsplätze. Die Löhne geraten unter Druck und der Abwertungswettlauf – ist man ärmer mit Niedriglohnjob oder Bürgergeld? – eskaliert weiter. Daher ist es auch Aufgabe der Gewerkschaften, den Kampf gegen Kürzungen beim Bürgergeld zu führen.