In einem ntv-Interview wird Jan van Aken zum geplanten gigantischen Schuldenpaket befragt (05.03.25). Wir unterstützen, dass Jan van Aken die Aufrüstung klar ablehnt. Wir finden große Teile seiner Antworten allerdings unzureichend oder sogar in eine falsche Richtung weisend. Er verschenkt zudem die Gelegenheit, über die Hintergründe der weltweiten Hochrüstung und der wachsenden Kriegsgefahr aufzuklären und politische Debatten anzuregen. Deshalb wiederholen wir sinngemäß die Fragen und machen einen Vorschlag, was der LINKE-Vorsitzende stattdessen hätte antworten sollen. Hier unser fiktives Interview:
Frage: Im Wahlkampf war die CDU noch gegen die Aufhebung der Schuldenbremse. Jetzt wird der Weg freigemacht für die Aufhebung der Schuldenbremse und Schulden bis zu einer Billion Euro. Sind Sie überrascht? Was sagen sie dazu?
Antwort: Ich bin keineswegs überrascht. Die Schuldenbremse wurde 2009 beschlossen, um neoliberale Kürzungspolitik per Verfassung als alternativlos zu erklären. Sie wurde als Totschlagargument eingesetzt – gegen Forderungen nach höheren Ausgaben für Soziales, Bildung, Wohnen, Gesundheit. Deshalb war die LINKE richtigerweise gegen die Einführung der Schuldenbremse. Jetzt soll die Schuldenbremse allerdings abgeschafft werden, um Rüstungsausgaben in prinzipiell unbegrenzter Höhe zu finanzieren.
Wie wird sich ihre Partei bei den anstehenden Abstimmungen verhalten?
Wir sind gegen Aufrüstung. Wenn jetzt die Schuldenbremse abgeschafft werden soll, um diese Aufrüstung zu ermöglichen, stimmen wir dagegen. Auch bei dem sogenannten Sondervermögen für Infrastrukturmaßnahmen, korrekt müsste es “Sonder-Schulden-Paket” heißen, können wir nicht zustimmen. Von Klimaschutz ist überhaupt keine Rede, obwohl das ganz sicher eine existenzielle Frage ist. Es mag sein, dass bei den geplanten Infrastrukturmaßnahmen auch sinnvolle Dinge dabei sind. Wir wären auch dafür, dass die Länder mehr Möglichkeiten für Investitionen bekommen. Aber zuallererst geht es auch dort um Kriegsfähigkeit, z.B. zur Ertüchtigung von Straßen für Panzertransporte.
Und woher kommt das Geld für das gigantische Aufrüstungsprogramm? Es wird an den Finanzmärkten aufgenommen. Es gibt Kapitalbesitzende, die so reich sind, dass sie dem Staat diese Riesensummen leihen können. Man könnte sich das Geld also auch von ihnen holen – durch Rücknahme der vielen Steuergeschenke, etwa durch die Wieder-Einführung der Vermögenssteuer und Erhöhung der Kapitalertragssteuer auf ihr altes Niveau.
In Wahrheit passiert das Gegenteil: diese Schulden müssen zurückgezahlt werden, sogar mit Zinsen. Wer kassiert die Zinsen? Die reichen Konzerne und Einzelpersonen, die dem Staat das Geld leihen. Wer bezahlt die Zinsen? Die breite Masse der Bevölkerung, über Sozialabbau und steigende Preise. Das ist dann Aufrüstung und Umverteilung in einem Paket. Da kann die LINKE nur dagegen sein.
Sie sind gegen Aufrüstung. Halten sie es nicht für nötig, die Luftverteidigung in Deutschland zu stärken?
Verteidigung hört sich immer gut an. Der Trick bei solchen Fragestellungen ist doch: man greift sich einen Aspekt heraus und blendet alles andere aus. Tatsache ist: Die Bundeswehr wird gleichzeitig in allen Bereichen aufgerüstet. Mit Panzern, Drohnen, Flugzeugen, U-Booten, Fregatten, Artillerie. Es werden Hunderte Milliarden ausgegeben, um Geräte herzustellen, mit denen Soldat*innen und Zivilist*innen getötet und gegnerisches Kriegsmaterial zerstört werden können. Und irgendwann heißt es dann vielleicht: “Angriff ist die beste Verteidigung”.
Kann Putin durch Diplomatie zur Vernunft gebracht werden?
Die Frage unterstellt, Putin würde irrational handeln. Putin vertritt jedoch ganz “vernünftig” die wirtschaftlichen und politischen Interessen der besitzenden Klasse in Russland, kurz er handelt im Interesse des russischen Imperialismus. Die Chinesen verfolgen ihre imperialistischen Ziele. Die USA ebenso, unter Trump besonders aggressiv und mit neuem Schwerpunkt. Es ist das ganze System von Konkurrenz und Imperialismus, was “irrational” ist, nicht einzelne Regimes. Es ist Wahnsinn, dass Konzerne und Länder gegeneinander konkurrieren, um die jeweils höchsten Profite zu erzielen, während allein zur Überwindung der Klimakrise Kooperation, Planung und Nachhaltigkeit notwendig wären. Die europäischen Länder sind auch kapitalistische Länder. Sie wollen auch Zugang zu Rohstoffen, zu Absatzmärkten. Sie versuchen deshalb auch, ihre imperialistischen Interessen durchzusetzen. Dass es nicht um humanitäre Werte geht, sieht man, wenn man sich anschaut, mit wem die EU-Staaten verbündet sind: bis heute unterstützt Deutschland den israelischen Staat und damit “ethnische Säuberungen” und dessen genozidalen Krieg in Gaza.
Die Europäer haben nur das Problem, dass sie in viele verschiedene Nationalstaaten zerfranst sind, die selber untereinander in Konkurrenz stehen. Nationale Interessen stehen ständig einem gemeinsamen Handeln im Weg. Daher haben sie an Bedeutung gegenüber den USA, China und auch Russland verloren. Das soll durch mehr Rüstung ausgeglichen werden.
Wir erleben gerade den Kampf um die Neuaufteilung der Welt. In diesem Kampf können die Arbeitenden und die Armen dieser Welt nur verlieren. Sie sind es, die mit ihren bescheidenen Einkommen für die Aufrüstung und im Falle eines Krieges mit ihrem Leben bezahlen. So geht es gerade den einfachen Soldaten auf beiden Seiten der Front im Ukraine-Krieg.
Nicht nur Putin, sondern alle Kriegstreiber müssen gestoppt werden. China und die USA bereiten sich auf eine militärische Auseinandersetzung im pazifischen Raum vor. Die sogenannten europäischen Länder wollen weiter viel mehr Geld für Rüstung ausgeben als Russland.
Das Auftreten von Trump und Vance erweckt den Eindruck, die neue Konfliktlinie verläuft zwischen Autokratien und liberalen Demokratien. Wie sollen sich Parteien hierzulande verhalten?
Wir müssen unbedingt verstehen, was die eigentlichen Ursachen sind, warum jetzt wieder aufgerüstet wird, als Ziel “Kriegstüchtigkeit” genannt wird.
Die aktuelle Situation erinnert nicht zufällig an die Zeit vor dem I. Weltkrieg. Praktisch die ganze Welt ist heute wieder kapitalistisch. In den 1990er und in den Nuller-Jahren sah es eine Zeitlang so aus, als ob in der globalisierten Welt alle Länder profitieren würden. Doch das Kapital will stets vermehrt werden. Die Welt ist begrenzt, die Rohstoffe und Absatzmärkte sind begrenzt – der Zwang zur Kapitalvermehrung ist unbegrenzt.
Das betrifft alle kapitalistischen Länder, ob aktuell noch bürgerliche Demokratie oder autokratisch regiert. Die wirtschaftlichen Mechanismen sind dieselben. Deshalb wird auch der politische Unterschied geringer. In allen Ländern der EU werden demokratische Rechte nach innen und außen eingeschränkt. Die Militarisierung der Gesellschaft vertieft diesen Prozess. Am Anfang von Allem steht die einfache Erkenntnis: die Kapitalbesitzenden dieser Welt haben konkurrierende Interessen, so funktioniert das System. Alle anderen Menschen haben gemeinsame Interessen. Die Herrschenden bereiten sich auf neue Kriege vor, betreiben Aufrüstung.
Der entscheidende Punkt ist doch: Was macht die Klasse der arbeitenden Menschen? Was machen weltweit linke Parteien und Gewerkschaften? Traben sie hinter ihrer jeweils herrschenden Klassen her und predigen sogenannte “Vaterlandsverteidigung” wie im Ersten Weltkrieg? Oder schließen sie sich zusammen, bereiten sie sich vor, um nicht aufeinander schießen zu müssen?
Die LINKE will helfen, friedens-tüchtig zu werden. Wir sagen deutlich: „Kapitalismus bedeutet Krieg“, wir müssen ihn abschaffen, bevor er uns abschafft. Und der letzte Satz im kommunistischen Manifest ist aktueller denn je: ‘Arbeitende aller Länder vereinigt euch!’ Wir setzen uns für eine internationale Vernetzung und ein gemeinsames Vorgehen aller Kräfte ein, die gegen JEDE Aufrüstung in JEDEM Land sind, gegen ALLE Waffenlieferungen. Für Massenproteste gegen Aufrüstung und Krieg in jedem Land. Und wir setzen uns ein, für ein international gemeinsames Vorgehen gegen das kapitalistische System, das diesen Wahnsinn hervorbringt.