Öffentlicher Dienst: NEIN zu diesem Tarifabschluss!

Nach der von den Arbeitgebern erzwungenen Schlichtung wurde bei den Verhandlungen am 5./6. April die Schlichtungsempfehlung als Tarifabschluss bestätigt. Ab April gibt es 3% mehr Lohn (mindestens 110 Euro), 2026 eine Erhöhung um 2,8%. Die Forderung von ver.di und GEW wird zu etwa einem Drittel erfüllt. Die “freiwillige” Arbeitszeitverlängerung erzeugt mehr Druck auf Kolleg*innen.

Die Arbeitgeber – vertreten durch Noch-Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) – hatten wie in jeder Tarifrunde auf die schlechte Finanzlage der Kommunen verwiesen und die Forderungen nach 8%, mindestens 350 Euro mehr Lohn und drei zusätzlichen Urlaubstagen als unbezahlbar dargestellt. Sie weigerten sich lange, ein Angebot zu unterbreiten. Nach drei Verhandlungsrunden und mehreren Warnstreiks leiteten sie die Schlichtung ein und verhinderten damit weitere Streiks.

Mit dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten und CDU-Hardliner Roland Koch als Schlichter war für die Beschäftigten dabei nicht viel zu erwarten. Die Arbeitgeber sind bei ihrer harten Linie geblieben und haben klar gemacht, dass von den 500 Milliarden Euro Sondervermögen für “Infrastruktur” gar nichts bei den Kolleg*innen ankommen wird.

Wie immer falsche Rechnungen

Laut dem ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke bedeuten die Erhöhungen einen Inflationsausgleich für die 2,5 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen. Das ist jedoch offen. In über zwei Jahren kann viel passieren. Trumps angekündigte Zölle und entsprechende Reaktionen der EU können die Preise sprunghaft steigen lassen, durch die massive kreditfinanzierte Aufrüstung wird mit mehr Inflation gerechnet. Gerade deshalb ist die lange Laufzeit von 27 Monaten problematisch.

Bürgerliche Medien und die Bundesregierung behaupten, dass die Löhne um 5,8% erhöht würden und stellen das der 8%-Forderung von ver.di gegenüber, als seien die Arbeitgeber ver.di weit entgegen gekommen. Das ist eine falsche Rechnung. Am Ende der 27 Monate Laufzeit sind die Löhne zwar 5,8% höher als zu Beginn. Doch die Forderung von 8% bzw. 350 Euro Erhöhung bezog sich auf ein Jahr. Im Jahr darauf wäre die nächste Erhöhung auf der Grundlage der dann schon höheren Löhne verhandelt worden.

Um die Forderung mit dem Abschluss vergleichen zu können, müssen die prozentualen Erhöhungen über 27 Monate pro Jahr berechnet werden. Das ergibt – grob gerechnet – je nach Entgeltgruppe Erhöhungen von 2,5 bis 3%, die um 10% erhöhte Jahressonderzahlung wurde dabei schon berücksichtigt. Die Forderung wurde somit nur zu etwa einem Drittel erfüllt und wird von der Preissteigerung komplett aufgefressen. Jeder weitere Anstieg der Preise wird zum Sinken der Reallöhne führen.

Am Montag titelte die BILD “Sattes Lohn-Plus und mehr Urlaub”. Beim Fahrgastfernsehen der Hamburger S-Bahn nannte der SPD-Finanzsenator Dressel das Ergebnis einen “teuren Kompromiss”, deswegen müssten die Müllgebühren steigen.Solche Berichterstattung soll gleichzeitig die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ruhig stellen und andere Arbeiter*innen gegen sie aufhetzen. Sie knüpft an das verbreitete Klischee von überbezahlten Verwaltungsangestellten an und macht die Kolleg*innen und ihre Gewerkschaften zu Sündenböcken für steigende Gebühren. So sollen zukünftige Kürzungen und Gebührenerhöhungen gerechtfertigt und von der unsozialen Politik der Herrschenden im Interesse der Konzerne und der Aufrüstung abgelenkt werden.

Mehr Urlaub – unbezahlt

Viele Kolleg*innen im öffentlichen Dienst hatten sich eine Entlastung gewünscht. Deshalb forderte ver.di drei Urlaubstage mehr für alle und einen weiteren für Gewerkschaftsmitglieder. Herausgekommen ist nur ein bezahlter Urlaubstag mehr, und den gibt es erst ab 2027. Bis dahin können zwar bis zu drei Tage mehr Urlaub genommen werden, aber nur auf eigene Kosten. Für jeden zusätzlichen Urlaubstag wird die Jahressonderzahlung verringert. In Kitas und Krankenhäusern gibt es diese Möglichkeit nicht.

Als Ausgleich für dieses “Zugeständnis” haben die Arbeitgeber eine Möglichkeit zur Arbeitszeitverlängerung geschaffen. Bei betrieblichem Bedarf “dürfen” Kolleg*innen ab 2026 bis zu 42 Stunden pro Woche arbeiten. Offiziell ist das freiwillig, niemand soll gezwungen werden. Für Kolleg*innen, die sowieso ständig Überstunden machen, weil Stellen fehlen oder nicht besetzt sind, wirkt so eine Erhöhung vielleicht als eine Möglichkeit zumindest mehr Gehalt zu erhalten, zumal es für die Extra-Stunden eine Zulage gibt. Für die Arbeitgeber lohnt sich das, weil sie so Stellen einsparen können. Die Mehrarbeit wird einfach zum Normalzustand erklärt.

Wie freiwillig die Stundenerhöhung am Ende sein wird, bleibt offen. Vorgesetzte könnten direkt oder indirekt Druck machen. Wenn in einem Team alle Kolleg*innen überlastet sind, entsteht automatisch ein moralischer Druck, mehr zu arbeiten. Feste Wochenarbeitszeiten schützen davor, durch die Flexibilisierung geht dieser Schutz verloren. Letztlich werden viele Beschäftigte mehr arbeiten müssen oder unter Rechtfertigungsdruck geraten, wenn sie das nicht wollen.

Verändern statt austreten

In vielen Dienststellen und Betrieben ist die Unzufriedenheit groß. Unter den Facebook- und Instagram-Posts von ver.di schreiben wütende Kolleg*innen Kommentare und drohen mit Austritt. Der Frust ist verständlich, auszutreten wäre jedoch falsch. Je weniger Mitglieder die Gewerkschaften haben, desto schwächer werden sie.  

Die Medien stellen den Abschluss als endgültig dar, die Bundestarifkommission sendet mit ihrer Zustimmung die Botschaft, dass kein besseres Ergebnis möglich wäre. Doch mit Erzwingungsstreiks wäre mehr drin. Zum TVöD gehören einige Infrastrukturbetriebe, die starken wirtschaftlichen Druck aufbauen können, zum Beispiel Flughäfen oder Schleusen.

Auch wenn die Hürden – bei einem Quorum von 75% für eine Ablehnung – sehr hoch sind, sollten alle, die mit dem Abschluss unzufrieden sind, dagegen stimmen. Anstatt über Austritt nachzudenken sollten sich aktive Kolleg*innen innerhalb von ver.di, GEW und anderen Gewerkschaften zusammenzuschließen, für einen konsequenten Kampf für die Interessen der Beschäftigten und gegen die Zustimmung zu faulen Kompromissen, ohne die eigene Kampfkraft einzusetzen. Ein Ansatz dafür ist die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG).