10.000 Kolleg*innen haben sich Anfang April an Warnstreiks für einen Sozialtarifvertrag im größten Kölner Industriebetrieb beteiligt. Bis Ende des Monats wird verhandelt. Wenn es bis dahin keine Einigung gibt, ist die Urabstimmung geplant, um den Erzwingungsstreik zu ermöglichen.
Von Claus Ludwig, Köln
Hintergrund ist die prekäre Lage des Betriebes mit seinen heute 11.800 Beschäftigten. Vor der Pandemie arbeiteten dort 20.000 Kolleg*innen. Ford hat bereits angekündigt, weitere 2900 Arbeitsplätze abzubauen. Es ist offensichtlich, dass es nicht “nur” um diese Jobs geht, auch nicht um 1000 weitere, sondern dass der Bestand des Werkes gefährdet ist. Der bereits erfolgte Abbau in der Produktentwicklung – 1700 von 4000 Stellen wurden gestrichen, 600 weitere Kolleg*innen sollen gehen – führt dazu, dass Ford Köln nicht mehr in der Lage ist, eigene Produkte zu entwickeln.
Der Kleinwagen-Verkaufsschlager Fiesta war aus Sicht des Konzerns nicht profitabel. Daraufhin wurde das Kölner Werk für 2 Milliarden Euro auf die Produktion von E-Fahrzeugen umgestellt. Vom Band laufen jetzt die beiden E-SUV Explorer und Capri. Deren Verkaufspreis beginnt bei stolzen 48.000 Euro. Die Fahrzeuge sind Ladenhüter und verstopfen die Stellflächen der Fabrik. Wenn sie verkauft werden, verliert Ford mit jedem Exemplar Geld. Der Konzern hat die Produktion auf 480 Stück täglich verringert. Seit November 2024 gibt es im Kölner Werk Kurzarbeit, ein Ende ist nicht absehbar.
Insolvenz möglich
Im März hat die US-amerikanische Ford Motor Company die “Patronatserklärung” aufgehoben, mit der sie sich bisher verpflichtet hatte, die Verluste des deutschen Tochter-Unternehmens Ford Werk GmbH aufzufangen, die in den letzten Jahren bei 5,8 Milliarden Euro lagen. Die IG Metall fürchtet, dass Ford Köln in die Pleite rutscht und dass ein Insolvenzverfahren ein Hebel für Ford ist, den bestehenden Kündigungsschutz zu kippen, der bisher noch verhindert, dass der Abbau von 2900 Arbeitsplätzen realisiert werden kann.
Die IG Metall hat entschieden, auf die bedrohliche Lage mit der Forderung nach einem Sozialtarifvertrag zu reagieren. Eine Kernforderung: 200.000 Euro als Sockel für Abfindungen, wenn Kolleg*innen ihren Job verlieren. Über die Faktoren Jahre im Betrieb, Kinder und Grad der Behinderung würde der Betrag erhöht. Es soll einen Anspruch für Beschäftigung in einer Transfergesellschaft für drei Jahre geben. Die IGM fordert eine Geltungsdauer dieser Angebote bis 2033, so dass nicht nur die vom aktuellen Arbeitsplatzabbau Betroffenen, sondern alle Beschäftigten die Regelung nutzen können.
Der Ansatz der IG Metall scheint zu sein, eine Schließung durch hohe Abfindungen so teuer zu machen, dass Ford davon die Finger lässt. Die Auseinandersetzung auf diese Weise auf eine tarifliche Ebene zu ziehen, hat für die Gewerkschaft den Vorteil, dass dadurch legale Streiks möglich werden, Proteste können mit Streikgeld länger durchgestanden werden.
Allerdings gibt die IGM damit offiziell das Ziel auf, die Arbeitsplätze zu verteidigen. Die massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen wird so als unausweichlich beschrieben. Die Gewerkschaft stützt sich dabei auf die Stimmung in Teilen der Belegschaft. Schon im November meinten mehrere Beschäftigte am Werkstor, der Laden wäre bald Geschichte, man müsse nur gucken, dass das man dabei gut rauskomme.
Problematische Strategie
Die Qualifikation der Arbeiter*innen, Techniker*innen und Ingenieur*innen und das Produktionsanlagen in Köln werden jedoch gebraucht – für gesellschaftlich notwendige Produkte wie Busse und Bahnen oder kleinere, günstigere E-Autos.
Betriebsräte haben – auf den Vorschlag der Umstellung der Produktion – geantwortet, dass die öffentliche Hand keine Strategie für die Verkehrswende hat und nicht garantieren kann, Busse und Bahnen zu bestellen. Es stimmt zwar, dass die Politik keine Garantien gibt und ein Werk unter Kontrolle der Beschäftigten nicht automatisch gesichert wäre.
Doch der Ansatz, den Kampf für die Vergesellschaftung, allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und den Umbau der Produktion zu führen, würde zu einer breiten Unterstützung für die Kolleg*innen führen und wäre eine vorwärtsweisen Antwort auf die Krise der Industrie, die auch andere Betriebe ermutigen kann, sich gegen Job-Vernichtung und Lohndumping zu wären.
Die Kapitalbesitzenden wollen nicht mehr. Sie wollen weder Verbrenner noch E-Autos in Köln bauen. Sie wollen die Qualifikation und Arbeitskraft der Beschäftigten nicht mehr nutzen. Es ist an der Zeit, ihnen die Verfügung über die Produktionsmittel zu nehmen und diese in öffentliches Eigentum zu überführen.
Solidarität organisieren
Die von der IGM verfolgte Taktik bietet ihrerseits auch keine Garantien und beinhaltet große Risiken. Die Höhe der Abfindung zur zentralen Forderung zu machen, bedeutet, den Kampf teilweise zu individualisieren. Dazu kommt: Wenn Ford ohnehin entschlossen ist, sich aus Europa zurückzuziehen, dann hilft dagegen auch keine Verteuerung durch hohe Abfindung. Und sollte es tatsächlich Richtung Insolvenz gehen, dann fehlt das Geld, um wirklich gute Abfindungen zu bezahlen. Dann würden per Sozialplan und Interessenausgleich eher Brotkrumen verteilt.
Es wäre besser, die IGM veränderte ihre Taktik und setzte sich für den Erhalt der Arbeitsplätze, die Umstellung der Produktion und die Vergesellschaftung des Werkes ein. Doch zunächst sind die Streiks für einen Sozialtarifvertrag die konkrete Form, in der sich der Kampf um Ford entwickelt. Die Beteiligung an den Warnstreiks war gut, auch wenn Teile der Belegschaft Zweifel bezüglich der Forderungen haben. In einem länger anhaltenden Streiks können die Kolleg*innen auch weitergehende Forderungen entwickeln.
Bisher war die Kölner IGM sehr zurückhaltend damit, die Auseinandersetzung öffentlich bekannt zu machen und Solidarität einzufordern. Doch eine breite Solidarität ist nötig, in den Betrieben der Region, auf den Straßen von Köln und in der gesamten Metallindustrie. Es ist vor allem die Aufgabe des DGB und der Einzelgewerkschaften, den Kampf im größten Betrieb der Stadt zu unterstützen. Die Partei Die Linke und linke Gruppen außerhalb der Partei können dazu beitragen, den Kampf öffentlich bekannt zu machen und solidarische Aktionen – z.B. Demonstrationen und Veranstaltungen – für den Streik zu organisieren.