Gefahr ethnischer Säuberungen in Israel

Krieg und Wirtschaftskrise prägen Israel, Unterdrückung und Auswegslosigkeit terrorisieren die PalästinenserInnen

Conny Damen sprach mit Gal, Mitglied von ?mavaak sozialisti?, der Schwesterorganisation der SAV in Israel, über die Situation im Nahen Osten.

 

US-Präsident Bush hat in seiner Rede im Weißen Haus im Juni offen die israelische Regierung unterstützt und nochmals die Absetzung Arafats gefordert. Was will er damit erreichen?

Mit dem Oslo-Abkommen sollte die Palästinenserbehörde unter Arafat zu einem Polizeistaat aufgebaut werden, wie er auch in anderen arabischen Ländern existiert. Dieser sollte im Auftrag des Imperialismus die Unterdrückung der PalästinenserInnen indirekt fortsetzen ? als Ersatz für die israelische Armee.
Die PalästinenserInnen haben die zweite Intifada begonnen, weil sie genug hatten von dieser doppelten Unterdrückung durch die Palestinenserbehörde und den israelischen Staat. Sie sind entfremdet von ihrer Regierung: ihr Lebensstandard ist seit dem Oslo-Abkommen ständig gesunken. Die FunktionärInnen der Palästinenserbehörde verschleudern öffentliche Gelder und stecken Geld aus dem Westen in ihre eigenen Taschen. 13 verschiedene Polizeieinheiten haben jeden Widerstand niedergehalten.
Arafat kann sich nicht gegen diese Massen wenden und musste mit dem Aufstand mitgehen. In den Augen des Imperialismus erfüllt er seine Rolle für Stabilität zu sorgen, nicht besonders gut. Die USA wollen ihn nun gegen jemanden austauschen, der besser mit ihnen und Israel kollaboriert.

Wie sähe die Zukunft der PalestinenserInnen dann aus?

Wenn jemand an Arafats Stelle eingesetzt würde, könnte das wie eine zweite Version des Oslo- Vertrages aussehen, die wahrscheinlich erstmal akzeptiert würde, weil die PalestinenserInnen nach zwei Jahren Intifada erschöpft sind.
Aber nach einer Weile werden sie sich auch wieder erholen und der Aufstand wird weitergehen, da der Imperialismus keine wirkliche Stabilität bringen kann. Der Oslo-Trick hat einmal kurz funktioniert, aber einen zweiter Versuch lässt sich den PalestinenserInnen nicht so leicht verkaufen.

Welche Auswirkungen hätte ein Angriff der USA auf den Irak?

Sollte die USA den Irak angreifen werden Hamas, Dschihad und andere eine weitere Anschlagswelle gegen die israelische Bevölkerung starten, was sogar zu einer ethnischen Säuberung in Israel führen könnte ? mit Unterstützung der USA und der israelischen Öffentlichkeit: 40 Prozent der Israelis sind momentan für eine Vertreibung der PalästinenserInnen aus ihrem Land. Das würde die ganze Region in Aufruhr bringen, die instabilen arabischen Regimes könnten in einen Krieg gegen Israel rutschen, um die Massen zufrieden zu stellen. Sharon kalkuliert diese Dinge nicht mit ein.

Wie ist die Stimmung in Israel?

Wegen der Wirtschaftskrise in Israel nimmt die Verzweiflung unter den israelischen Massen zu und auch die Attentate überlagern das nicht mehr wirklich.
Die Auslandsinvestitionen sind eingebrochen, die High- Tech- Branche ist am Ende, die Inflation enorm gestiegen. Es werden schon Parallelen zu Argentinien gezogen. Wenn es mal ein paar Tage ohne Anschläge gibt, steht der Klassenkampf sofort wieder auf der Tagesordnung.
Die israelische Regierung ist populär aus nationaler Sicht, aber nicht, was die ökonomischen Fragen angeht. 75 Prozent lehnen Scharons Wirtschaftspolitik ab. Seine Regierung ist aber vorerst nicht in Gefahr, da die Leute vor allem den Krieg für die Misere verantwortlich machen. Außerdem sehen sie keine andere Alternative, da die Arbeitspartei dieselbe Politik gemacht hat wie der Likud.

An welchen Bewegungen beteiligt sich mavaak sozialisti gerade?

Wir arbeiten in einer Bewegung von Obdachlosen, die in einem Camp in Lechovot bei Tel Aviv leben. Bei einem ersten Aktiventreffen ist unser Vorschlag angenommen worden, diese Bewegung auch mit anderen Kämpfen zu kombinieren. Zum Beispiel haben die BahnarbeiterInnen schon einen einstündigen Solidaritätsstreik angekündigt. Dieser Kampf kann eine große Wirkung auf die Menschen haben und sie ermutigen, auch selbst für ihre Rechte aktiv zu werden.
Der Gewerkschaftsführer Peretz hat im Fernsehen zugegeben, dass er Druck von der Basis bekommt, Streiks und sogar einen Generalstreik zu organisieren, aber er hat auch offen gesagt, dass er seine Rolle darin sieht, diese Kämpfe in geordnete Bahnen zu lenken, um die Herrschenden nicht zu gefährden. Wir sehen unsere Rolle darin, diese Bewegungen zusammenzubringen und auch die Initiative in den Gewerkschaften für einen Generalstreik mit voranzubringen.