Kuba zwischen Dollar und Lebensmittelkarten

Als eine der letzten Bastionen der Länder, die Kapitalismus und Großgrundbesitz abgeschafft haben, ist Kuba den Kapitalisten ein Dorn im Auge.
 
So reihte John Bolton, Staatssekretär im US-Außenministerium, Kuba vor kurzem in die „Achse des Bösen“ ein und behauptete, Castros Regime versuche, sich an der Entwicklung biologischer Kampfstoffe.

von Christoph Wälz, Trier

Auch US-Präsident Bush erklärte, dass die USA das Handels- und Reiseembargo gegen Kuba erst aufheben werden, wenn es „zu politischen und wirtschaftlichen Reformen“ komme.
Immer mehr führende US-PolitikerInnen sprechen sich jedoch für eine Lockerung der Sanktionen aus. Der Grund dafür sind die Handelsbeziehungen, die Kuba mit Kanada und Europa unterhält. Im internationalen Konkurrenzkampf wollen die US-Konzerne selber dabei sein, wenn mit Kuba Profite zu machen sind.
Mit der rot-grünen Regierung hat sich auch der deutsche Kapitalismus verstärkt um Kontakte nach Kuba bemüht. So wurde Kuba von der Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul als erste Regierungsvertreterin der BRD seit 1949 besucht. Auch Hans-Olaf-Henkel (Ex-Chef des Bundes der Deutschen Industrie) ließ sich ein Treffen mit Castro nicht nehmen.
Trotz des Embargos, das Kubas wirtschaftliche Entwicklung und die Versorgung der Bevölkerung empfindlich traf, konnte sich Kuba jahrzehntelang als Planwirtschaft behaupten. Das lag auch daran, dass 83 Prozent der Exporte in den Ostblock gingen. Mit drei bis fünf Milliarden US-Dollar wurde Kuba jährlich von der UdSSR subventioniert. Als der Stalinismus in Osteuropa zusammenbrach, brachte er damit die kubanische Wirtschaft an den Abgrund.
Die Krise hatte verheerende soziale Auswirkungen: Mangelernährung bei breiten Schichten und Einstellung des öffentlichen Personenverkehrs. Kriminalität, Korruption und Schwarzmarktgeschäfte explodierten. Die Prostitution nahm wieder zu. Es kam zu Engpässen in der Stromversorgung und zur Einführung von Stromgebühren. Die Gesundheitsversorgung war nur noch mit Mühe aufrecht zu erhalten. Die Folge waren die ersten offenen Unruhen gegen die Castro-Regierung und eine Massenflucht: 32.000 flohen in weniger als einem Monat.

Dollar-Einführung

Um der Krise zu entkommen, beschnitt die Regierung das staatliche Außenhandelsmonopol. Castro bemühte sich um ausländisches Kapital, das – wie zum Beispiel der deutsche Konzern Bayer – in Freihandelszonen Zugriff auf billige kubanische Arbeitkräfte erhielt. Ab 1993 wurden auch begrenzte Marktmechanismen im Inneren eingeführt. Die Regierung legalisierte den US-Dollar, liberalisierte das Kleingewerbe, führte Sparprogramme bei den öffentlichen Finanzen durch, ließ die Märkte für Agrarprodukte wieder zu usw.
1995/96 griff Castro plötzlich das Kleingewerbe, die „Keimzellen einer einheimischen Bourgeoisie [Kapitalistenklasse]“, frontal an. Tausende mussten ihre Lizenzen zurückgeben. Dieser Zick-Zack-Kurs zeigt, dass Kubas Wirtschaft nicht durch eine rationale demokratische Planung der Beschäftigten geführt wird, sondern durch eine Bürokratie, die zwischen Plan und Markt laviert.

Castros Regime

Castro und seine Guerilla-Armee errichteten nach dem Sturz des Kapitalismus ein Regime nach dem Vorbild der Sowjetunion. Trotzdem haben Castro und Co. zum Teil noch recht hohes Ansehen und sind mit den Honeckers und Gorbatschows nicht zu vergleichen: Sie stürzten den Kapitalismus, sie werden verbunden mit den Errungenschaften zum Beispiel im Bildungs- und Gesundheitsbereich, sie waren es, die jahrzehntelang dem Yankee-Imperialismus die Sirn boten.
Trotzdem ist die Verteidigung der Errungenschaften der Revolution bei Castro und seinen Leuten in schlechten Händen: Sie verhindern die Entstehung von Arbeiterdemokratie durch Räte von unten. Sie sind darauf bedacht die Grundlage ihrer Privilegien einerseits gegen den Imperialismus, andererseits aber auch gegen die kubanische Arbeiterklasse zu verteidigen.

Wirtschaftliche Entwicklung

Ab 1994 erholte sich die Wirtschaft wieder allmählich von der Krise. 1999 gab es sogar ein Wachstum von sechs Prozent. Inzwischen sind die Dollar-Überweisungen von ausländischen Verwandten die größte Devisenquelle für Kuba, gefolgt vom Zucker-Export und dem Tourismus.
Die Masse der KubanerInnen erlebt die glitzernde Dollar-, Waren- und Tourismuswelt nicht als „Mittel, um Devisen reinzuholen, um die Errungenschaften der Revolution aufrecht zu erhalten“, für das sie offiziell ausgegeben wird. Denn durch die Dollar-Wirtschaft hat die soziale Ungleichheit zugenommen.
Die Tourismusindustrie bietet Luxus für AusländerInnen und Billigjobs für KubanerInnen. Trotzdem gehören die Jobs dort wegen der Dollar-Trinkgelder zu den begehrtesten. Heute steht Kuba auf der Kippe. Die Wiedereinführung des Kapitalismus ist nicht so weit fortgeschritten wie zum Beispiel in China. Es gibt noch eine grundlegende medizinische Versorgung. Immer noch geht jedes kubanische Kind zur Schule. Aber es ist eine tiefer werdende Spaltung der Wirtschaft entstanden: Dollar und Peso, beziehungsweise Lebensmittelkarten, Markt und Plan.
Kapital und Arbeit haben gegensätzliche Interessen und nur eine Klasse kann die herrschende sein. Die Castro-Bürokratie – gerade auch in einer Zeit nach Castro – wird die Planwirtschaft aufgeben, wenn sie sich vom Weltmarkt den Erhalt ihrer Privilegien erhofft. Es hängt von der Arbeiterklasse auf Kuba und dem internationalen Kräfteverhältnis zwischen Arbeiterklasse und Imperialismus ab, ob das verhindert und eine Arbeiterdemokratie erkämpft werden kann.

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