Wirtschaftskrise und soziale Proteste schlagen sich nur zum Teil in den Wahlen nieder, die neoliberalen Kräfte wurden geschwächt
von Pablo Alderete
Als Wahl ohne Glauben und Vertrauen bezeichnete Clarin online (20. April 03) den ersten Wahlgang zu den Präsidentschaftswahlen in Argentinien. Das Ergebnis schickte zwei Peronistische Kandidaten in die Stichwahl, den Ex-Präsidenten Carlos Menem und Nestor Kirchner. Beides pro-kapitalistische Politiker. Menem verzichtete auf die sichere Niederlage Kirchner wird als neuer Präsident die Regierung bilden.
Die Peronistische Partei (PJ) war unfähig sich im Vorfeld auf einen Kandidaten zu einigen, die UCR (Union Civica Radical), bisher die zweite traditionelle bürgerliche Partei, verschwand in der Bedeutungslosigkeit. Obwohl der Erfolg der Arbeiterpartei (PT) im nahen Brasilien für Gesprächsstoff sorgt, ist noch keine Alternative in Sicht.
Menem ist der Inbegriff des korrupten Politikers. Nach Jahren der sozialen Not und des wirtschaftlichen Chaos warb er mit den guten Zeiten vor der Abwertung des Pesos. Er kündigte an, die Straßen mit Militärpolizei zu überschwemmen, um die sozialen Proteste zu stoppen und engere Verbindungen zur Bush-Regierung aufzunehmen. Mit ihm wären die USA in einer besseren Position bei den Verhandlungen zu einer gesamtamerikanischen Freihandelszone gewesen (ALCA / FTAA). Menem gewann zwar den ersten Wahlgang, rief aber auch am meisten Abneigung hervor. Viele ArbeiterInnen und Jugendliche hätten seinen Wahlsieg als Rückfall in dunkelste Zeiten und als Bedrohung empfunden, deshalb zu einer taktischen Stimme für Kirchner tendiert und die Stichwahl zu einer Abstimmung über das neoliberale Wirtschaftsmodell gemacht. Diese offene Ablehnung wollten sich Menem & Co ersparen.
36 Stunden ließ er die Öffentlichkeit zappeln, um dann unter Beschimpfungen und zweideutigen Bemerkungen seinen Rücktritt zu erklären. Machtanspruch und Arroganz zeigten sich hier ungeschminkt. Sein Verhalten ist auch ein deutliches Zeichen dafür, das die herrschenden Eliten in Zukunft auch bereit sind, ohne die Maske der bürgerlichen Demokratie zu herrschen.
Populismus und stärkere Rolle des Staates?
Kirchner ist einer der vielen, die die Sparpakete zu Lasten der Arbeiterschaft mittrugen, jetzt aber dem Stimmungsumschwung in Lateinamerika nachgeben dem schlechten Image von ausländischen Konzernen, Finanzkapital, neoliberalem Wirtschaftsmodell und Privatisierungen.
Kirchner umgibt sich mit der fortschrittlichen Ausstrahlung der Arbeiterpartei in Brasilien (Lula unterstützt ihn öffentlich) und äußerte sich beeindruckt von der Sozialpolitik der Regierung Allendes im Chile der 70er Jahre.
Populististische Regierungen wie Peron in Argentinien oder Cárdenas in Mexiko (enteignete 1938 eine US-Erdölfirma) führten in der Vergangenheit auch konkrete Schläge gegen die Interessen der besitzenden Klasse durch. Kirchner spielt lediglich mit diesen Ideen, seine sozialen Bindungen zu den populären Volksschichten sind ungleich schwächer.
Politische Vertretung aufbauen
ArbeiterInnen und Jugendliche haben von Kirchner nichts zu erwarten. Leider war das Wahlergebnis unbefriedigend. Die drei Peronisten kamen zusammen auf 60 Prozent, die trotzkistische Linke konnte keine spürbaren Zuwächse verzeichnen, die MST in der Izquierda Unida erhielt 1,7 Prozent (337.000 Stimmen), die PO (Partido Obrero) 0,7 Prozent (143.000 Stimmen). Und auch der Wahlboykott reduzierte sich von 41 Prozent (2001) auf ein Minimum von 2,5 Prozent.
Eine größere sozialistische Arbeiterpartei hätte den Wahlkampf nicht den kapitalistischen Politikern überlassen, sondern die Arbeitskämpfe (Fluglinie LAPA, Räumung der besetzten Textilfabrik Brukman, Keramikfabrik Zanon) und die Armut (57 Prozent leben unterhalb der Armutsgrenze) aufgegriffen, um eine sozialistische Alternative zur kapitalistischen Krise aufzuzeigen. Der populäre Parlamentsabgeordnete Luis Zamora (früher bei der trotzkistischen MAS, heute antikapitalistisch) verzichtete auf eine Kandidatur und damit auf die Möglichkeit einen Gegenpol zu stellen.