Am 13. August wird in Chile ein Generalstreik stattfinden.
von Sonja Grusch, Santiago de Chile
Die Vorbereitungen auf den Generalstreik, der am 13.8. in Chile stattfinden wird, laufen. Plakate werden aufgehaengt, Sitzungen abgehalten, Strassenaktionen durchgefuehrt. Bei einem Treffen von GewerkschaftsanfuehrerInnen in der Zentrale der CUT, des Gewerkschaftsbundes, wird ueber praktische und grundsaetzliches diskutiert. Im Gegensatz zu einer OEGB-Sitzung kommen die GewerkschafterInnen zu Fuss oder mit dem Bus, sie bringen ihren Cafe in Thermoskannen mit und frieren bei der Besprechung im ungeheizten Versammlungsaal genauso, wie alle Anwesenden. Das liegt wohl daran, dass die CUT aus einer Unzahl kleiner Betriebsgewerkschaften besteht (insgesamt gibt es in Chile rund 14.000 Einzelgewerkschaften), die oft nur mehrere dutzend Mitglieder haben. Es liegt aber auch daran, dass die Gewerkschaften nicht wie in Oesterreich eng mit dem Staat verbunden sind, sondern die gewerkschaftsfeindlichen Gesetze der Pinochet-Zeit noch immer gueltig sind. Nicht umsonst ist eine der zentralen Forderungen der CUT auch die Beseitung jenes “Arbeitsgesetzes” das den Zusammenschluss zu landesweiten Gewerkschaften in der Privatindustrie verbietet.
14 Jahre nach Ende der Diktatur und 14 Jahre unter der “Concertaci?n de Partidos por la Democracia” einer Koalition aus vier Parteien, u.a. der “Sozialistischen Partei” und den Christdemokraten, herrscht v.a. Frust und Entaeuschung. Die Wirtschaftspolitik folgt der alten Linie, Pinochet wurde nicht bestraft und nicht einmal das Scheidungsrecht, dass ueber 70% der Chilenen endlich verwirklicht sehen wollen, wurde umgesetzt. Obwohl auf das Ende der Diktatur ein Wirtschaftsaufschwung folgte und Chile in den 90er Jahren als suedamerikanischer Tiger gehandelt wurde, hat sich an der sozialen Situation der Massen nur wenig geaendert. Der staatliche Mindestlohn liegt bei 115.600 Pesos pro Monat, eine Studie hat allerdings errechnet, das eine Familie mindestens 410.000 Pesos/Monat benoetigt um Miete, Essen, Transportkosten etc. abdecken zu koennen. Die juengste Steuer”reform” des “sozialistischen” Praesidenten hat die Mehrwertssteuer von 18 auf 19 % angehoben. Gemeinsam mit der Inflation bedeutet das eine weitere Reallohnkuerzung. Eines der Hauptuebel ist das weitgehende Fehlen eines oeffentlichen Sektors. Der “oeffentliche” Verkehr ist fast vollstaendig privat. Schulsystem: zu grossen Teilen privat. Das selbe gilt fuer das Gesundheitswesen. Das Pensionsystem ist vollstaendig privat und kommunaler Wohnbau ist nicht existent. Geaendert hat sich unter der Concertaci?n daran nichts, auch nicht seit 2000 der “Sozialist” Largos die Praesidentschaft angetreten ist – der neoliberale Kurs wird fortgesetzt.
Der Streik am 13.8. hat daher auch nicht ein Ziel, sondern vielmehr eine Reihe von Forderungen und Anliegen. Die CUT, die zu zwei Dritteln von der SP und zu einem Drittel von der KP dominiert wird (wobei sich nur die KP aktiv an den Vorbereitungend es Streiks beteiligt), fordert in ihren Flugbl?ttern eine “gerechtere Heimat, die jedem Chilenen und jeder Chilenin ein Heim, Arbeit, Stabilitaet und Sicherheit in sozialen Belangen, bei Bildung und Gesundheit gewaehrleistet – eine Heimat mit menschlichem Anlitz”. Der Streik ist laut CUT “f?r Chile”.
Die Beschaeftigten verschiedener Sektoren – Privat und Oeffentlich – wenden sich mit diesem Ausstand gegen die hohlen Versprechungen der Regierung und fuer grundlegende gewerkschaftliche Rechte. Das der Einfluss der von Militaer und Polizei noch immer stark ist, zeigt sich bei einer harmlosen Strassenaktion. Die GenossInnen von Socialismo Revolucionario bauen Sonntag Mittag einen Infotisch mit Plakaten und Flugblaettern in einem Markviertel auf. Mit Megafon wird auf den Streik am 13.8. hingewiesen, Flublaetter – eigene und solche der CUT – werden verteilt. Socialismo Revolucionario fordert die ArbeiterInnen, aber auch Arbeitslose (offiziell rund 10%), die Jungen, die PensionistInnen und die Hausfrauen auf sich zu beteiligen und sich in Basis- und Streikkomitees zu organisieren. SR fordert Mindestlohn und Mindestpension von 200.000 Pesos/Monat, Gesundheits- und Bildungswesen fuer alle und ein Ende der “Flexibilisierung” der Arbeit.
Der Tisch steht noch nicht einmal, schon naehert sich ein Polizist und kassiert ein Flugblatt – zur “Information”. Waehrend der zweistuendigen Aktion parkt rund die Haelfte der Zeit ein Polzeiwagen schraeg gegenueber, die restliche Zeit wechselt sich ein anderes Polizeiauto mit berittener Polzei bei der Ueberwachung ab. Obwohl nicht direkt eingegriffen wird wirkt die Einschuechterung – die Menschen sind interessiert, aber laenger beim Tisch will mit Blick auf die Polizei doch keiner bleiben. Auch 14 Jahre nach dem offiziellen Ende der Diktatur ist es im besten Fall rechtlicher Graubereich, wenn nicht illegal, politische Aktionen oder Demonstrationen abzuhalten. Es wird erwartet, das auch die Demonstrationen am 13.8. verboten werden. Und die Regierung moechte Anti-Terrorgesetze gegen die GewerkschaftsfuehrerInnen, aber auch die Streikenden einsetzen. Der Slogan von Socialismo Revolucionario ist daher notwendigerweise gegen die Einschuechterungsversuche: “Der Streik wird stattfinden”!
Sonja Grusch ist Mitglied der Sozialistischen LinksPartei (SLP) und beteiligt sich an den Aktivitaeten von Socialimso Revolucionario, der Schwesterpartei der SLP in Chile.