Lange Laufzeit sowie Möglichkeiten betrieblicher Abweichungen und regionaler Sonderregelungen machen Bauunternehmern erzieltes Schlichtungsergebnis schmackhaft.
von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 21.5.07
Der Tarifkonflikt im Baugewerbe ist nun offenbar endgültig beigelegt. Nach gut 22stündigen Verhandlungen präsentierte der zum Schlichter berufene Exwirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) am Samstag in Berlin eine Einigung. Diese sieht bei 24monatiger Laufzeit Lohnerhöhungen in drei Stufen vor: Nach zwei Nullmonaten steigen die Einkommen demnach zum 1. Juni dieses Jahres um 3,1 Prozent, ergänzt durch einen nicht tabellenwirksamen Festbetrag im Volumen von 0,4 Prozent. Zum 1. April 2008 erhöhen sich die Entgelte dann um 1,5 Prozent (plus 0,5 Prozent Festbetrag) und zum 1. September 2008 um weitere 1,6 Prozent (plus 0,5 Prozent Festbetrag).
Ursprünglich hatten Unternehmerverband und Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) eine Lohnerhöhung von 3,5 Prozent ab dem 1. Mai 2007 bei einer Laufzeit von zwölf Monaten vereinbart. Die Verbände des Baugewerbes in Ostdeutschland, Hessen und Westfalen sowie Schleswig-Holstein hatten jedoch ihre Zustimmung zu dem Kompromiß innerhalb der Erklärungsfrist verweigert. Die IG BAU hatte daraufhin die Schlichtung angerufen. »Die Lohnerhöhung bis zum 31. März 2008 entspricht dem in den Tarifverhandlungen gefundenen Tarifkompromiß«, behauptete die Baugewerkschaft am Samstag in einer Pressemitteilung. Das ist aber höchstens die halbe Wahrheit, denn auf die gesamte Laufzeit gerechnet liegt der Anstieg der Einkommen im Jahresvergleich deutlich niedriger. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie gibt die »Kostenbelastung« der tabellenwirksamen Lohnerhöhungen für das erste Jahr mit lediglich 2,58 Prozent und für das zweite Jahr mit 2,43 Prozent an.
Es sind aber vor allem Öffnungsklauseln und regionale Sonderregelungen, die den Unternehmern das Tarifergebnis schmackhaft machen. So können die Löhne und Gehälter im Westen per Haustarifvertrag um bis zu acht Prozent abgesenkt werden, »um auf wirtschaftlich schwierige Situationen reagieren zu können«. Im ostdeutschen Baugewerbe besteht bereits nach dem bisherigen Tarifvertrag die Möglichkeit, die Vergütungen um maximal zehn Prozent zu kürzen. Während die Auszubildenden in Westdeutschland durch den Tarifvertrag zum 1. Juni dieses Jahres 3,1 Prozent mehr Geld erhalten, gehen die Azubis im Osten leer aus. Statt dessen haben sich die Unternehmer dort nach eigenen Angaben zur Schaffung von 300 Lehrstellen verpflichtet. Und auch bei den tariflichen Mindestlöhnen gibt es Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern: Im Tarifgebiet West steigen diese am 1. September 2008 auf 10,70 bzw. auf 12,85 Euro. Für den Osten wurde hingegen lediglich vereinbart, die Mindestlöhne bis zum 31. März 2008 neu festzusetzen. Die Erklärungsfrist – mit der das Schlichtungsergebnis in Kraft tritt, falls keine der Parteien ihm widerspricht – endet am 4. Juni.
IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel erklärte im Anschluß an die Verhandlungen, jeder habe bei dem Schlichtungsergebnis über seinen Schatten springen müssen. »Es ist eine Branche, die eine harte Krise hinter sich hat«, betonte er. Thomas Bauer, Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, nannte den Vertrag einen »tragfähigen Kompromiß«, dem alle zustimmen könnten. Die Laufzeit von zwei Jahren bringe den Unternehmen Kalkulationssicherheit. »In der Summe sind wir mit dem Ergebnis zufrieden«, so Bauer.
Schlichter Clement – dem SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler zu seiner »geräuschlos und effizient geführten Schlichtung« gratulierte – sagte: »Ich freue mich sehr, daß es gelungen ist, am Flächentarifvertrag festzuhalten.« Der Preis hierfür ist aus Gewerkschaftssicht allerdings recht hoch, eröffnet die Vereinbarung doch neue Möglichkeiten betrieblicher Abweichungen und regionaler Differenzierungen. Nicht ohne Grund freute sich der Vizepräsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes Frank Dupré deshalb, man habe »den modernsten Flächentarifvertrag Deutschlands erreicht«.