Frankreich: „Nötig ist ein gemeinsamer Kampf gegen alle Pläne Sarkozys“

Gespräch mit Alexandre Rouillard von der SAV-Schwesterorganisation Gauche Révolutionnaire


 

Ist der 18. Oktober der Beginn einer Massenbewegung wie im Winter 1995?

Zunächst ist es der erste Tag einer Konfrontation zwischen Beschäftigten und Sarkozy seit seinem Amtsbeginn vor fünf Monaten. Außerdem ist das Datum auch deshalb von enormer Bedeutung, weil im Zentrum des Streiks ein Bereich stand, der große Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Die Bahn-Beschäftigten können die unternehmerfreundliche Regierung viel heftiger unter Druck setzen als zum Beispiel die Studierenden.

Noch sind wir aber nicht so weit wie 1995. Zwar ist die Wut heute größer als damals. Aber bislang gibt es weniger Initiativen und Strukturen von unten.

Wie könnte die Bewegung weiter aufgebaut werden?

In unserem Material haben wir von Gauche Révolutionnaire herausgestellt, dass seit der Wahl von Sarkozy und der Regierung Fillon kein Tag vergeht, ohne dass die Rechte von Jugendlichen und ArbeiterInnen weiter attackiert werden. Deshalb haben wir uns vor dem 18. Oktober dafür eingesetzt, dass in anderen Bereichen für die Demonstrationen mobilisiert wird.

Nötig ist ein gemeinsamer Kampf, der sich gegen die gesamten Pläne richtet, und zwar ebenfalls gegen die Fortsetzung der Universitätsprivatisierung wie auch die Einschränkung des Streikrechts. Es muss zu einer Bewegung gegen die gesamte neoliberale Politik von Sarkozy kommen.

Ist in Frankreich der Zeitpunkt zum Aufbau einer neuen Arbeiterpartei gekommen?

Um nicht nur gegen Sarkozy, sondern auch gegen den Klassenkampf von oben langfristig zu bestehen, ist eine kämpferische Arbeiterpartei – verankert in Betrieben, Gewerkschaften, Stadtteilen – erforderlich. Am Besten wäre es gewesen, hätte man die Mobilisierung für den 18. Oktober mit Initiativen für den Aufbau einer solchen Partei verknüpft. Im aktuellen Konflikt sind Bewusstsein und Bereitschaft zum politischen Engagement besonders ausgeprägt. Das müsste genutzt werden. Außerdem könnten konkreten Schritte zum Aufbau einer Arbeiterpartei – mit Öffentlichkeitsarbeit und Gründungsversammlungen – das Kräfteverhältnis zu Gunsten der Arbeiterklasse verbessern. Heute hilft es den Herrschenden, dass keine organisierte Kraft auf der politischen Ebene existiert, die eine Alternative zum Neoliberalismus aufzeigt.

Die Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) erhielt bei der Präsidentschaftswahl fast 1,5 Millionen Stimmen und kam damit auf vier Prozent. Auch in den Vorjahren bekam sie bei Wahlen gute Ergebnisse. Leider hat sie bis heute diese Position nicht genutzt, um konkrete Schritte zu unternehmen, eine neue Arbeiterpartei aufzubauen. Die LCR schlägt nun eine Konferenz für Juni nächsten Jahres vor. Ihre Vorschläge sind immer noch vage und vom Termin her viel zu weit weg. Weiterhin sieht die LCR nicht die Dringlichkeit der Situation.

Gauche Révolutionnaire wird weiterhin in den Kämpfen für die Notwendigkeit einer solchen Partei argumentieren. Wir werden aber auch für die Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung, für eine sozialistische Demokratie werben.

Das Gespräch führte Marie Rosa, Aachen