Ole Hellström von Rättvisepartiet Socialisterna, der schwedischen Schwesterorganisation der SAV, über die Erfahrungen in Schweden. Mit ihm sprach Britta Rabe
Was passierte in Salem?
Im Jahr 2000 wurde ein 17-jähriger Nazi während einer Schlägerei zwischen Jugendlichen getötet. Die Schlägerei hatte keinen politischen Hintergrund. Naziorganisationen nahmen aber die Tatsache, dass der Täter kein Schwede war, zum Anlass, einen Aufmarsch zum „Gedenken“ durchzuführen. 800 Faschisten kamen und konnten die Stadt im Prinzip übernehmen. Salem war von Menschen wie leer gefegt.
In den Folgejahren hat sich dieser Mobilisierungstermin für die Nazis zu einem jährlichen Höhepunkt entwickelt; nicht nur in Schweden, sondern in ganz Skandinavien und auch in Deutschland.
Warum konnten die Nazis marschieren?
Antifaschisten waren beim ersten Aufmarsch überrascht worden, weil „nur“ mit 150 bis 200 gerechnet worden war. Die Hauptverantwortung liegt aber bei Politikern und Medien. Diese hatten sich entschieden, den faschistischen Hintergrund einfach zu verschweigen. Alle Einwohner bekamen einige Tage vorher einen Brief vom Stadtrat, in dem es hieß, dass der Marsch hoffentlich ohne Störungen von statten geht. Dieser Brief wurde auch in den Schulen vorgelesen. Kein Wort darüber, sich von Rassismus und Faschismus zu distanzieren. In einer Zeitung wurde der Marsch hinterher als „würdiges Gedenken“ bezeichnet.
Was für eine Gegenmobilisierung wurde dann organisiert?
Nach dem Nazi-Aufmarsch haben wir von Rättvisepartiet Socialisterna zusammen mit anderen ein Netzwerk gegen Rassismus gegründet. Ziel war es, den nächsten Aufmarsch zu stoppen. Im folgenden Jahr, 2001, mobilisierten wir gemeinsam nach Salem. Nazis und Gegendemonstranten hatten jeweils ungefähr 3.000 Teilnehmer. Die Polizei ging sehr hart gegen die Gegendemonstration vor, um den angemeldeten Nazi-Aufmarsch zu ermöglichen. In den Zeitungen hieß es dann, dass Rechts- und Linksextremisten aus gleichem Schrot und Korn seien.
Leider hat sich danach im Netzwerk immer mehr die Linie der Autonomen durchgesetzt. Hauptschwerpunkt war nicht eine Massenmobilisierung, sondern Sabotageaktionen gegen den Nazi-Aufmarsch, zum Beispiel die Blockade der S-Bahn. Das hat sich als totaler Reinfall erwiesen.
Dadurch werden leider nicht die Nazis abgeschreckt, sondern die Einwohner von Salem. Es gibt bei den Autonomen keine Vorstellung, wie man den Nazi-Aufmarsch effektiv stoppen kann. Im letzten Jahr zum Beispiel waren zum ersten Mal mehr Antirassisten als Faschisten in Salem. Anstatt in einer gemeinsamen Demonstration den Nazis entgegenzutreten und eine massenhafte Blockade durchzuführen, versteckten sich Autonome im Wald, um die Nazis in Kleinstgruppen anzugreifen. Innerhalb von vier Stunden hatte die Polizei alle Autonomen eingesammelt.
Was macht Rättvisepartiet Socialisterna?
Wir mobilisieren nach Salem, aber mit eigenem Material. Wir machen klar, dass wir den Aufmarsch stoppen wollen und erklären, dass man dafür die Lokalbevölkerung gewinnen muss. Wir fordern außerdem die Gewerkschaften auf, aktiv zu werden. Als Bei-spiel nennen wir 1991, als wir zu denen gehörten, die die Initiative ergriffen hatten, um eine Nazi-Demonstration in Stockholm zur Statue von König Karl, dem XII. zu stoppen. Es kamen damals 10.000 Menschen, die den Platz blockierten.
In unserem Material weisen wir auch auf den staatlichen Rassismus hin, der den Nazis den Boden bereitet, zum Beispiel die unmenschliche Abschiebepraxis des schwedischen Staates.
Was machen die Gewerkschaften?
Die Gewerkschaften tun absolut nichts. Das ist schon erschreckend, wenn man daran denkt, dass der Gewerkschafter Björn Söderberg 1999 von Nazis ermordet wurde.
Welche Kampagnen führt Rättvisepartiet Socialisterna durch?
Wir haben im letzten Herbst ein neues Handbuch gegen Rassismus her-ausgegeben. Mit der Jugendkampagne Sänk Rasism, was so viel heißt, wie Rassismus versenken, bauen wir Gruppen an Schulen auf.
In Göteborg wurde im Oktober letzten Jahres ein Mitglied von uns, Pa-trick Hooghwinkel, bei einem Infotisch im Einkaufszentrum mit einem Eisenrohr von Nazis brutal niedergeschlagen. Wir reagierten sofort und hatten die erste Kundgebung schon am nächsten Tag am selben Platz mit 150 Teilnehmern. In der folgenden Woche mobilisierten wir gemeinsam mit anderen zu einer weiteren Demonstration. Täglich wurden Besuche in Schulen und an Arbeitplätzen sowie Infotische in den Stadtteilen durchgeführt. RS-Stadtrat von Haninge, Mattias Bernhardsson, debattierte mit der schwedischen CDU in einem Göteborger Gymnasium über Ursprung und Kampf gegen Rassismus und Faschismus. Durch unsere Aktionen wurde die Presse aufmerksam, Mitglieder von uns wurden in Zeitungen und im Fernsehen interviewt. Das Netzwerk gegen Rassismus ist auch weiter in Göteborg aktiv. Im April wurde zum Beispiel die Abschiebung eines irakischen Kurden durch eine Blockadeaktion verhindert.