Eine neue Linke ist nötig
Vorbemerkung: Wir veröffentlichen hier einen Korrespondentenbericht über Klassenkämpfe in Zypern, der im Januar in der griechischen marxistischen Zeitung Xekinima erschien. Auch wenn die darin beschriebenen Ereignisse schon einige Monate vorbei sind, halten wir die Berichterstattung darüber für wichtig, gerade da sich die bürgerlichen Medien nur mit der nationalen Frage auf Zypern beschäftigen. Die im östlichen Mittelmeer gelegene Insel Zypern ist seit 1974 geteilt in einen türkischsprachigen Nordteil und einen griechischsprachigen Südteil. Im Norden stehen türkische Truppen. Verhandlungen zwischen den beiden Teilen über eine mögliche Wiedervereinigung sind bisher erfolglos geblieben.
Im Oktober und November 2009 wurde Nordzypern von den Mobilisierungen der Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst erschüttert. Zwei Generalstreiks mit nahezu 100-prozentiger Beteiligung jeweils bei den Lehrern, zwei Massendemonstrationen und viele weitere kleinere Demonstrationen waren die Antwort auf die neoliberalen Maßnahmen der türkisch-zypriotischen Regierung.
von Athina Kariati, Nikosia
Das Lebensniveau der Angestellten im Öffentlichen Dienst im Norden wird seit Jahren angegriffen. Die vorige Regierung der Republikanischen Türkischen Partei (CTP), die aus der Linken (der ehemaligen sowjetfreundlichen Partei) herkommt und sich als fortschrittlich bezeichnet, hat es nicht geschafft, eine Reihe von Maßnahmen durchzusetzen, da sie jedes Mal, wenn sie dies ankündigte, mit massenhaften Generalstreiks konfrontiert war.
Diese Maßnahmen durchzusetzen übernahm die jetzige Regierung der UBP, die „Partei der Nationalen Einheit“, die nationalistische neoliberale Partei von Denktasch (langjähriger „Volksgruppenführer“ der türkischsprachigen Zyprioten, Anm. d. Übers.). Jenseits anderer nationalistischer Maßnahmen, die er dem Bildungswesen im letzten Sommer aufzwang wie die Revision der Schulbücher und die Einführung der Lehre des Korans an der Schule, greift er jetzt die Löhne und Leistungen der Angestellten im Öffentlichen Dienst an.
Das Gesetz über die Löhne und Leistungen
Dieses Gesetz sieht die Reduzierung des Lohnes für Berufseinsteiger um 350 € vor, was dazu führen wird, dass Berufseinsteiger im Öffentlichen Dienst mit um etwa ein Drittel gekürzten Hungerlöhnen leben müssen.
Der Angriff weitet sich nun auch auf die bereits im Beruf arbeitenden Arbeitnehmer aus, die jegliche Leistungen für den Berufsabschluss, Urlaubsgeld, Leistungen für schwere und gesundheitsschädliche Arbeit u.a. gestrichen bekommen sollen. Schließlich werden die Gewerkschaften nach dem neuen Gesetz keine Mitsprache mehr bei den Tarifverhandlungen haben!
Die türkisch-zypriotischen Arbeitnehmer antworten massenhaft
Die Gewerkschaftsorganisationen der türkischsprachigen Zyprioten, insbesondere diejenigen des Öffentlichen Dienstes, gehören zu den stärksten und kämpferischsten. Gegen das konkrete Gesetz kämpften sie im letzten Jahr heftig und gewannen.
Am 28. Oktober 2009, dem Tag, wo der Gesetzentwurf im nordzypriotischen Parlament eingebracht wurde, riefen die Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst zu einem Generalstreik auf, zu einer Demonstration zur Botschaft der Türkei und danach zum Parlament. Die Teilnahme am Streik erreichte in mehreren Bereichen wie dem der Lehrer annähernd 100 Prozent! Nach wenigen Tagen gab die Partei UBP bekannt, dass die Abstimmung über das Gesetz verschoben wird und nun am 23. November stattfinden sollte.
Die Reaktion der Gewerkschaften kam sofort. Dieses Mal riefen 28 Gewerkschaften zum Streik und zu einer Demonstration zum Parlament auf. Der Streik hatte wieder dieselbe gewaltige Beteiligung. An der Demonstration nahmen 5.000 Arbeitnehmer teil – für über 10 Stunden! Anfangs außerhalb des Parlaments, wo sie einem erstmals in dieser Weise durchgeführten Angriff der Polizei und polizeilicher Sondereinheiten ausgesetzt waren. Danach außerhalb des Gebäudes der Polizeiführung, wo auch 16 Gewerkschafter und Streikende bis spät am Abend festgehalten wurden.
Einige Sondereinheiten der Polizei erwarteten die Demonstranten und ohne dass ihnen ein Vorwand geliefert wurde, setzten sie Tränengas und Pfefferspray ein führten Verhaftungen durch. Insgesamt wurden 16 Gewerkschafter und Streikende verhaftet, die nach der Abstimmung und Verabschiedung des Gesetzes am selbigen Abend wieder freigelassen wurden.
Eine Lehre für die Linke
2010 werden in Nordzypern die Präsidentschaftswahlen stattfinden. Bei den letzten Wahlen wählten die Arbeitnehmer die UBP und straften die CTP wegen deren Wirtschaftspolitik, die sie durchzusetzen versuchte, ab. Am Ende setzt nun die UBP dieselbe und noch schlimmere Politik durch. Es zeigt sich, dass zwischen den beiden Parteien keine essentiellen Unterschiede bestehen, sondern dass beide den Interessen des Kapitals dienen.
Die Aufgabe, die sich folglich stellt, ist der Aufbau einer neuen Linken. Einer Linken, die mit Entschlossenheit die notwendigen Abwehrkämpfe führt. Doch auch eine Linke, die in der Folge zu Angriffskämpfen vorangeht mit dem Ziel des Sturzes der neoliberalen Politik, der Eroberung der Macht und des Aufbaus des Sozialismus.
Die linken Ideen finden unter den türkischsprachigen Zyprioten großen Widerhall, in der Gesellschaft und in den Gewerkschaften. Notwendig ist jedoch, dass die organisatorischen Schlussfolgerungen gezogen werden, die Notwendigkeit, eine neue Linke aufzubauen. Dies wurde deutlich auch bei den letzten Wahlen, wo 2,4 % der Wähler die neue linke Formation BKP-Yasmin unterstützte. Die 20-prozentige Wahlenthaltung war eine der höchsten, die wir in Nordzypern je gesehen haben. Dies zeigt auch in Richtung der Suche nach einem Ausweg von immer mehr Arbeitnehmern.