Programm des sozialen Kahlschlags wird weiter ausgedehnt. 200000 Menschen im Streik
Die britische Regierung will bei der Umsetzung ihres Sozialkahlschlagsprogramms noch einmal zulegen. Sie rechnet jetzt mit einem geringeren Haushaltsdefizit als zunächst angenommen. Die Kreditaufnahme werde in diesem Jahr bei 167 Milliarden Pfund (186 Milliarden Euro) liegen, erklärte Finanzminister Alistair Darling bei der Vorstellung des Haushalts am Mittwoch im Unterhaus. Bislang war London von 178 Milliarden Pfund ausgegangen.
von Christian Bunke, Manchester
Auf dem Weg zum Parlament trafen Darling und seine Kollegen auf zahlreiche Streikposten der Public and Commercial Services Union (PCS). Über 200000 Mitglieder dieser Gewerkschaft, überwiegend Beschäftigte in Behörden, Abteilungen der Polizei, aber auch Parlamentsangestellte, nutzten den Tag, um zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage gegen die Sparpläne der Regierung zu streiken. In Arbeitsämtern, Gerichten und Callcentern verschiedenster Behörden ruhte die Arbeit. In vielen Städten, unter anderem London, Birmingham und Manchester, gab es Streikkundgebungen und Proteste, an denen sich jeweils Hunderte Menschen beteiligten.
Die britischen Staatsangestellten wehren sich mit dem Streik gegen den Versuch der Regierung, die Abfindungspakete im Fall von Entlassungen um ein Drittel abzusenken. Wie PCS-Generalsekretär Mark Servotka erklärte, gab es unter der Labour-Regierung bereits 100000 Stellenstreichungen bei staatlichen Behörden. Die PCS vermutet für die kommenden Jahre noch schlimmerer Entwicklungen und kündigte weiteren Widerstand gegen jegliche Kürzungspläne an.
Die Befürchtungen scheinen berechtigt. Die Financial Times forderte am Mittwoch, die kommende Regierung müsse nach den Wahlen brutaler als Margaret Thatcher vorgehen. Kürzungen für Bildung und das Gesundheitswesen wurden bereits angekündigt. 500 Millionen Pfund sollen allein bei den Universitäten eingespart werden.
Einige Hochschulen, zum Beispiel die Metropolitan University in Manchester, werden dadurch die Hälfte ihres Haushalts verlieren. Am Freitag wollen die Beschäftigten der Universität dagegen demonstrieren, eine Urabstimmung für Streiks gegen Stellenabbau ist bereits eingeleitet. Ähnlich ist die Lage beim Kings College in London. Auch hier wollen Lehr- und Verwaltungskräfte streiken.
Finanzminister Darling kündigte am Mittwoch zusätzlich folgende Kürzungen an: Die Gehälter für Beschäftigte im öffentlichen Dienst sollen in den nächsten fünf Jahren höchstens ein Prozent pro Jahr ansteigen. Ab 2011 sollen elf Milliarden Pfund aus noch nicht näher definierten Bereichen eingespart werden. 15000 Staatsangestellte sollen in den nächsten fünf Jahren von London in andere Landesteile umgesiedelt werden. Da damit Geld eingespart werden soll, müssen die Betroffenen mit deutlichen Gehaltseinbußen rechnen.
Wie immer der Haushalt von Politikern, Medien, Großkonzernen und Großbanken bewertet werden wird, sicher ist, daß die arbeitende Bevölkerung nichts Gutes zu erwarten hat.