Dokument Nummer 2 des 10. CWI-Weltkongress im Dezember 2010
1. Im riesigen asiatisch-pazifischen Raum lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in einer Vielzahl von Regionen und Unterregionen. Er umfasst die „Schwellenländer“ Indien und China genauso wie auch die „fortgeschrittenen“ kapitalistischen Länder Australien und Japan.
2. Der schlimmste rezessionsbedingte Abschwung seit Jahrzehnten hat sich auf die Länder in der Region unterschiedlich ausgewirkt. Mehrere wurden zumindest zu Beginn durch schrumpfende Nachfrage auf den europäischen Märkten und den USA schwer getroffen. Die meisten dieser Länder haben bisher noch keine großen Rückgänge im Bruttoinlandsprodukt (BIP) verzeichnen müssen, die vollen Auswirkungen könnten erst noch spürbar werden. Die Regierungen der Region haben weiterhin Angst vor der Art von wirtschaftlichen und sozialen Krisen, die dem asiatischen Finanzcrash von 1997 folgten.
3. Die spezifisch „asiatische“ Krise jenes Jahres umfasste größere wirtschaftliche und politische Krisen in einer Reihe von Ländern. Riesige Summen wurden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bereitgestellt, um Geldstabilität wiederherzustellen und die finanziellen Interessen der USA, Japans und anderer Gläubiger in Thailand, Südkorea, Indonesien und den Philippinen sicherzustellen. Das Eingreifen des IWF war mit Angriffen auf die Arbeiterklasse und die Armen verbunden, was zu einem weitverbreiteten Hass und Widerstand der Massen gegen den IWF führte. Südkorea hatte bereits einen ersten Generalstreik gegen den Neoliberalismus erlebt, als es ein Programm der Deregulierung am 24. Dezember 1996 ankündigte. Im folgenden Jahr stürzte eine Massenbewegung in Indonesien die Diktatur von Suharto. Eine ähnliche „Reformasi“-Bewegung entwickelte sich in Malaysia, trotz der vom früheren Premierminister Mahathir Mohammad, sehr zum Ärger der internationalen Kapitalistenklasse, ergriffenen protektionistischen Maßnahmen.
4. Viele von Asiens kapitalistischen Ländern versuchten die Fallen zu vermeiden, die zur Krise von 1997 führten und häuften Kapitalreserven an. Die Maßnahmen, die sie ergriffen, scheinen sich ausgezahlt zu haben. Die BIP-Wachstumsraten wurden in den meisten asiatischen Ländern nur leicht vermindert.
5. Manche Volkswirtschaften in der Region wurden schwerer getroffen als andere. Südkorea, eine exportorientierte Wirtschaft und Nummer 15 auf der Welt, rutschte letztes Jahr als direktes Ergebnis des Abschwungs im Welthandel in ein „negatives Wachstum“. Das Wachstum hat sich seitdem beschleunigt, aber auf gerade mal über zwei Prozent pro Jahr. Die verheerenden Fluten in Pakistan haben die Wachstumsrate in dieser schon schwachen Volkswirtschaft halbiert – von vier auf ungefähr zwei Prozent.
6. Singapur, der größte Hafen der Welt, verzeichnete Ende 2008 einen Fall seines BIP um ungefähr zwölf Prozent pro Jahr und begann sich danach zu erholen. Der Fall um 20 Prozent im dritten Quartal dieses Jahres wird als Anzeichen für einen drohenden „Double Dip“ [dem erneuten Eintauchen in die Rezession] weltweit betrachtet. Die Volkswirtschaften von Thailand und Taiwan rutschten ebenfalls ins Minus und erholten sich dann wieder. Die fieberhaften Auf und Abs mancher Volkswirtschaften Asiens sind symptomatisch für die instabile wirtschaftliche Lage, die Regierungen in der Region erschüttern können. Indonesien pendelte von fast vier Prozent Wachstum Ende 2008 zu einer fast vierprozentigen Abnahme des BIP Anfang 2009.
7. Die meisten Volkswirtschaften vermelden schnelle, noch nie dagewesene Wachstumsraten für dieses Jahr, wenngleich sich diese auf das niedrige Niveau von 2009 beziehen. Angeführt von China und Indien, mit einem vorhergesagten Wachstum vom zehn Prozent, respektive 9,4 Prozent sind nach Aussage des IWF und der Weltbank selbst das politisch gespaltene Thailand und die Philippinen auf Kurs Richtung sieben Prozent. Der Volkswirtschaft Singapurs wird ein Wachstum von 13 Prozent vorausgesagt (und dies, obwohl es zwischen 46 Prozent Wachstum im März und einem Minus von 19 Prozent im letzten Quartal umher taumelt). Südkorea, Malaysia und Indonesien erwarten ein Wachstum von fünf bis sechs Prozent.
8. Ein zusätzlicher Faktor hinter der gegenwärtigen ökonomischen Expansion Asiens ist die Flut an spekulativem „heißen“ Geld, das aus dem Dollarraum flieht, der durch die Politik der Quantitativen Lockerung [Kauf von Staatsanleihen durch die Zentralbanken selber] und die „Nullzins“-Politik der Obama-Regierung im Kurs nach unten getrieben wurde. Spekulanten der Großbanken und Finanzinstitute, wie Hedgefonds leihen sich zu geringen Kosten Dollars und kaufen jegliche Art von asiatischen Anlagen wie Staatsanleihen, Aktien, Rohstoffe und Immobilien auf. Dies lässt auch regionale Währungen in ihrem Verhältnis zum US-Dollar im Wert steigen (australischer Dollar und thailändischer Baht jeweils um elf Prozent in diesem Jahr), was nebenbei den „Währungskrieg“ verschlimmert. Zur selben Zeit bläst der Zustrom von „heißen“ Geld in die asiatischen Volkswirtschaften gigantische Finanzblasen auf, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in nächster Zeit platzen werden.
9. Chinas Volkswirtschaft ist stark auf Exporte nach Europa und in die USA ausgerichtet, mit denen es massive Handelsüberschüsse hat. Sie hat einen gewissen Rückgang in der BIP-Expansion, aufgrund des zurückgegangenen Handels verzeichnet. Aber das massive Konjunkturpaket von vier Billionen Renminbi (586 Milliarden US-Dollar) im letzten Jahr schuf mit seinen riesigen Infrastrukturprojekten eine gewisse Binnennachfrage. Die großen Streikwellen zu Beginn des Jahres haben zu einigen substanziellen Lohnerhöhungen in Teilen des verarbeitenden Sektors geführt, obwohl viele Beschäftigte darüber klagen, dass dieser Anstieg bereits beginnt, von der Inflation aufgefressen zu werden.
10. Bis heute ist das fundamentale Ungleichgewicht zwischen Chinas Investitionen und dem Konsum durch die Regierungspolitik der letzten zwei Jahre nicht korrigiert worden. Chinas beispiellose Konjunkturmaßnahmen und Kreditausweitungen haben zwar bisher seine Wirtschaft vor den Folgen der Weltwirtschaftskrise abgefedert, jedoch keine Grundlage für eine dauerhafte wirtschaftliche Stabilisierung geschaffen. Vielmehr hat diese Politik zu einer riesigen Immobilienblase, steigender Inflation und einem ernsthaften Schuldenproblem der lokalen Regierungen, die der Hauptkanal für die Konjunktur- und Infrastrukturmaßnahmen der Zentralregierung waren, geführt. Diese Probleme stellen eine Bedrohung des andauernden schnellen Wachstums der Wirtschaft dar und gleichzeitig können Preissteigerungen für Lebensmittel und Wohnraum in das Blickfeld für Massenunzufriedenheit rücken
11. Japan hat es trotz massiver Versuche der Wirtschaftsankurbelung, minimaler Zinsen und so weiter nicht geschafft, aus seiner schon zwei Jahrzehnte andauernden Stagnation zu kommen. Kürzlich wies die Regierung die Zentralbank an, gegen Spekulationen einzuschreiten, die den Yen nach oben trieben. Später, im Oktober, wurden 60 Milliarden in die Wirtschaft gesteckt als weiterer Versuch, Arbeitsplätze, Wachstum und Ausgaben anzukurbeln.
12. Wie in Europa und den USA, führt Liquidität nicht automatisch zu Investitionen, wenn es Unsicherheit bezüglich der Kapitalerträge gibt. Die Märkte sind entscheidend. Schrumpfende Exportmöglichkeiten werden sich auch auf die stärksten asiatischen Volkswirtschaften auswirken und können sich als die Achillesferse der chinesischen Wirtschaft erweisen. Gegen die internationale Kampagne, China den Renminbi aufwerten zu lassen, gibt es heftigen Widerstand des chinesischen Regimes. Um eine Konfrontation zu vermeiden, werden sie kleineren Aufwertungen zustimmen. Ein größeres Schrumpfen der Wirtschaft und das Wachstum von Arbeitslosigkeit und Armut kann einen neuen Ausbruch der Revolte bringen – dies Mal politisch – und das Überleben der „kommunistischen“ Ein-Parteien-Diktatur bedrohen. Weil Chinas wachsende Wirtschaft andere Volkswirtschaften in der Region vorwärts bringt, werden auch diese schwere wirtschaftliche und soziale Auswirkungen erleiden, wenn sich das chinesische Wachstum abschwächt.
13. Der Währungskonflikt ist vergleichbar mit einem kleinen “Krieg” – der eskalieren könnte – und ein Versuch der beteiligten führenden Mächte, die Kosten der Krise auf andere Schultern abzuladen. Potenziell könnte dies zu einem kleineren „Smoot-Hawley-Zoll“ [protektionistische Zölle der USA 1930, die zu einem Zollwettlauf führten] – oder einem Abwertungswettlauf zwischen dem US-Dollar, dem Yen und dem Renminbi führen, der sich auf alle führenden Volkswirtschaften der Welt auswirken würde. China hat die USA gewarnt, dass sie nicht bereit sind, den Weg von Japan in den achtziger Jahren zu gehen, als das „Plaza-Abkommen“ zur Aufwertung der Währung und mehr als zwei „verlorenen Jahrzehnten“ führte, von denen das Land sich immer noch nicht erholt hat. China hat die USA gewarnt, dass es sein massives Wachstum mit weltweiten wirtschaftlichen Auswirkungen anhalten könne, wenn sie zu einer bedeutenden Aufwertung gezwungen würden.
14. Die USA stehen einem riesigen Handelsdefizit und Druck vom Kongress für das Ergreifen von protektionistischen Maßnahmen gegenüber. Diese Lage könnte zu einer weiteren Verschärfung dieses Handelskrieges führen und die rezessiv-depressiven Tendenzen in der Welt verschärfen, die die Asien-Pazifik-Region in dieselbe Art Rezession führen könnten.
15. Im Lauf der Jahre wurden eine Reihe von Versuchen unternommen, einen Handelsblock der asiatischen Nationen nach Vorbild der Europäischen Union zu bilden. Doch dieser Prozess ist noch komplizierter und durch nationale Konkurrenz gespaltener als in der EU. Ein Machtkampf um die Beherrschung der Region ist zwischen den Giganten des US-Imperialismus, China, Japan und Indien im Gange. Ein asiatischer Handelsblock ist die Idee der führenden Eliten in der Region, um die Beschränkungen der nationalen Märkte zu überwinden und eine breitere Basis für ihre eigenen multinationalen Unternehmen zu erlangen, und um gegenüber den US-amerikanischen und europäischen Kapitalisten zu bestehen. Gleichzeitig wird der Sozialabbau hinsichtlich von Arbeitsrechten, Löhnen und Kündigungsschutz beschleunigt. Doch die fortschreitende kapitalistische Krise wird die nationalen Widersprüche weiter vertiefen, was das Modell der „harmonischen“ kapitalistischen Verflechtungen erschüttern wird.
Permanente Krise für ArbeiterInnen und Arme
16. Selbst scheinbar gesunde Zahlen für das allgemeine BIP-Wachstum erzählen nicht die ganze Geschichte. In vielen Ländern Asiens hatte die Masse der Bevölkerung davon keinen Nutzen erfahren. In Wirklichkeit sind sie auf der globalen Skala der Einkommen, Beschäftigung, Gesundheit, Ernährung und Behausung immer weiter nach unten gerutscht. Korruption ist weit verbreitet, Pressefreiheit selten. Selbst die so genannten Demokratien, einschließlich Indien und Malaysia, verwenden Antiterror- und andere Unterdrückungsgesetze zur Unterdrückung von Opposition und der Arbeiterbewegung.
17. Die Volkswirtschaften vieler asiatischer Länder sind weiter gewachsen, aber auf der anderen Seite wächst in jedem von ihnen die Kluft zwischen Arm und Reich. Dies ist ein weltweites Phänomen, aber Asien hat fast 75 Prozent der Menschen der Welt, die unter der Armutsgrenze leben.
18. Die „Naturkatastrophe“ der Fluten in Pakistan, die durch den Dammbau und die kurzsichtigen Bewässerungsprogramme hervorgerufen wurden, haben schon mehrere zig Millionen Menschen in einen Überlebenskampf gestürzt. Preise sind durch Knappheit und Spekulation emporgeschossen. Streiks in einer Zeit des nationalem Notstandes, der von allen gefühlt wird, zeigen die Verzweiflung der organisierten ArbeiterInnen und auch ihre Entschlossenheit, nicht für die soziale oder wirtschaftliche Krise in ihrem Land zu zahlen.
19. In Indien ist die Inflation die schlimmste aller G20-Länder. Das ist der Hintergrund des von den Oppositionsparteien organisierten „bandh“ [Stopp des Wirtschaftslebens] im Juli diesen Jahres und dem massiven 100 Millionen starken Generalstreik im September – eine zehnmal so große Beteiligung wie bei anderen Gelegenheiten. Dass die mächtige indische Arbeiterklasse in Aktion tritt, ist der Schlüssel für die Umgestaltung der Leben von über einer Milliarde Menschen.
20. Es gibt mehr Arme in sechs indischen Bundesstaaten als im ganzen Afrika südlich der Sahara und nur eine kleine Schicht in der Gesellschaft hat von dem lang gepriesenen “Leuchten” in Indien insgesamt profitiert. Nicht mehr als zehn Prozent – die Mittelschicht und qualifizierte ArbeiterInnen – haben ihren Lebensstandard verbessert. Diese stellen zwar einen Markt für manche Güter dar, aber am anderen Ende der Skala versinken selbstversorgende BäuerInnen in Verzweiflung. Im letzten Jahrzehnt haben 163.000 Bauern in ganz Indien Selbstmord begangen, weil sie ihre Familien nicht ernähren konnten.
Wo das CWI ist
21. Stabile Wachstumsraten garantieren keineswegs politische Stabilität und eine Verschlechterung wird bedeuten, dass sich tief sitzende Verbitterung durch Massenrevolten in der ganzen Region ausdrücken. Die Möglichkeiten für den Aufbau des CWI in Asien sind schon großartig und werden wachsen, wenn die wirtschaftlichen und sozialen Krisen anwachsen. Wir haben wichtige Schritte vorwärts in China, Hong Kong und Taiwan gemacht. In Südasien und Südostasien sind unsere Kräfte in vier Ländern konzentriert – Sri Lanka, Indien, Malaysia und Pakistan.
22. Die Wachstumsrate der chinesischen Wirtschaft ist immer noch phänomenal. Dies liegt an der einmaligen Entwicklung und dem Charakter des gegenwärtigen Regimes, das einen wichtigen kapitalistischen Sektor mit beträchtlichen verbleibenden Teilen der früheren staatlich-dominierten Wirtschaft verbindet. Das, was vom Staat und seinen wirtschaftlichen Eingriffsfähigkeiten übrigblieb, war der Hauptfaktor dabei, dass China bisher den vollen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise entging. Aber die wirtschaftlichen Blasen bei Immobilien, Banken und in anderen Sektoren könnten dies zu einem ruckartigen Halt bringen – mit verheerenden Folgen für den globalen Kapitalismus. Dies würde die „besondere“ Situation in Asien beenden, in der viele Volkswirtschaften durch die Nachfrage von Chinas Wirtschaft Auftrieb bekommen haben. Es hätte eine unmittelbare Wirkung auf Chinas Fähigkeit, in andere Kontinente (Südamerika, Afrika) zu expandieren und gleichzeitig große Rückwirkungen auf die Stabilität des schon besorgten chinesischen Regimes.
23. Innerhalb Chinas versucht die chinesische „Kommunistische“ Partei weiter, einen Tiger zu reiten. Selbst im Wirtschaftsaufschwung, intensivierten sich nationale und soziale Spannungen. ArbeiterInnen können berechtigterweise einen Anteil am vergrößerten BIP fordern. Wenn sich die Wirtschaft verlangsamt, wird es unmöglich sein, eine Revolte von unten zu verhindern. Harte Strafen erfolgen durch das Regime für „Dissidenten“, einschließlich des Nobelpreisgewinners Liu Xiaobo, Mitglieder des linken Flügels und Gewerkschafter, obgleich es für Letztere fast keine Aufmerksamkeit von kapitalistischen Regierungen oder Medien gibt. Die Verweigerung von Medienfreiheit und ständige Versuche der Internetzensur sind Anzeichen für die Angst des Regimes.
24. Die größte Bedrohung kam von der mutigen Streikaktion, die es vor einigen Monaten in Autowerken in ausländischem Besitz und anderen Fabriken gab. Versuche, wirkliche gewählte VertreterInnen in den Betrieben und unabhängige Gewerkschaften zu bekommen, werden weiter gehen und sich auf chinesische und staatseigene Unternehmen ausdehnen. Früher oder später wird der Staat gezwungen sein, Zugeständnisse zu machen oder sich einer Massenrevolte gegenüber zu sehen… oder beidem! Das Regime war nicht in der Lage, die Nachricht von den Sklavenarbeitsbedingungen bei „Foxconn“ zu unterdrücken, die ein massenhaftes Ansteigen von Selbstmorden erzeugte. Es wird nicht in der Lage sein, die Revolte zu verstecken, die sich zuerst in sporadischen Bewegungen und dann in verallgemeinerter Weise entwickeln wird.
25. Die Rache der Massen nach Jahrzehnten unterdrückter Bestrebungen und Entbehrungen im Namen von „Sozialismus“ und „Fortschritt“ wird unversöhnlich sein. Es ist noch nicht klar, welche politische Gestalt sie annehmen wird. Das Regime ermutigt zu nationalistischer Empörung gegen Japan oder andere fremde Mächte, fürchtet jedoch, dass „patriotische“ Demonstrationen auf den Straßen sich gegen es selbst wenden können, wie es schon in der Vergangenheit geschehen ist. Peking schlägt außerdem politisches Kapital aus der verstärkten Forderung der taiwanesischen führenden Klasse nach engerer Zusammenarbeit. Gleichzeitig ist das Werben Pekings um die Kuomintang-Regierung in Taiwan ein doppelschneidiges Schwert dadurch, dass es einerseits das Ansehen und die Beliebtheit der Partei in China steigert, anderseits zukünftig jedoch auch als Vehikel für regierungskritische Stimmung dienen kann.
26. Das Regime in Peking fürchtet, dass sich die anwachsende politische Radikalisierung in Hong Kong und die Ungeduld über den fehlenden Fortschritt beim Abbau des undemokratisch kolonialen Systems auch in China niederschlagen wird. Auch für Taiwan fürchtet China das Aufkommen einer Alternative oder einer Massenbewegung gegen die Kuomintang, die als Verbündeter für die Taiwan-Frage gesehen wird. Die für die Unabhängigkeit Taiwans eintretende DPP fordert die Politik der Kuomintang nicht fundamental heraus. Unter Druck das Kapitals sieht nicht einmal die DPP-Führung eine Alternative zu einer engeren Anbindung an China wobei dies von ihr nicht offen zugegeben wird. Der Kampf für die sozialistische Veränderung in China und der ganzen Region muss von einem Kampf für grundlegende demokratische Rechte und auch ein klares Programm zur nationalen Frage begleitet werden, und die neuen Kräfte des CWI in China, Hong Kong und Taiwan haben sich als mutige und entschlossene KämpferInnen erwiesen.
27. China tätigt riesige Investitionen überall in den meisten asiatischen Ländern. Seine Beziehung zu ihnen, anders als zu den USA und Europa, ist die eines Nettoimporteurs – der Rohstoffe und Vorprodukte aufsaugt, die für seine sich immer mehr ausdehnende, exportgetriebene Wirtschaft entscheidend sind. Sein politischer und militärischer Einfluss wächst parallel zu seiner wirtschaftlichen Macht.
28. China ist Indiens zweitgrößter Handelspartner mit einem Handelsvolumen von 60 Milliarden Dollar. Aber es ist auch ein Konkurrent um ausländische Direktinvestitionen, die in der letzten Periode in beiden Ländern rückläufig waren. Indien hat eine Bevölkerung, die fast so groß wie die von China ist, aber eine Wirtschaft, die wenig mehr als ein Viertel des Gewichts hat. Beide sind Atommächte, die um politischen Einfluss in Asien und dem Rest der Welt konkurrieren. Sie haben zwei der größten Armeen der Welt, die zusammen fast vier Millionen Soldaten haben.
Sri Lanka
29. Wie wir in unserem veröffentlichten Material bemerkt haben, spielten Indien ebenso wie China eine entscheidende Rolle bei der Beendigung des 26 Jahre langen Bürgerkriegs auf Sri Lanka und der Festigung des Rajapakse-Regime, das als Folge ohne die finanzielle, militärische oder politische Unterstützung der westlichen imperialistischen Mächte auskommen konnte.
30. Indien besaß schon einen großen Teil von Sri Lankas Teeplantagen. Es hat den Markt für Autos, Motorräder und motorisierte Dreiräder erobert. Es hat im tamilisch-sprachigen Norden investiert, wo es die Eisenbahnen wieder aufbaut, einen Flughafen baut, 50.000 Wohnungen und auch ein 500-Megawatt-Kraftwerk in einer Sonderwirtschaftszone baut. Es hat für die Ausführung der Bauarbeiten 30.000 indische ArbeiterInnen importiert.
31. China war mit 1,2 Milliarden Dollar letztes Jahr Sri Lankas größte Quelle von ausländischen Geldmitteln. Um seinen Megahafen in Hambantota zu bauen, hat es seine eigenen Rohstoffe importiert und eine Truppe, die sich auf 20.000 chinesischen SklavenarbeiterInnen beläuft, meist Sträflinge. Diese Investitionen heizen zwar das BIP-Wachstum in Sri Lanka von etwa sechs Prozent pro Jahr an, sie befeuern aber auch die Inflation und bieten wenige zusätzliche Arbeitsplätze für Sri Lankas Arbeiterklasse.
32. Nach der blutigen Niederlage der LTTE vor mehr als einem Jahr lebt die tamilische Bevölkerung im Norden und Osten immer noch unter grässlichen Bedingungen. Viele sind obdach- und arbeitslos. Die Rajapakse-Regierung stützt sich auf ehemalige Tiger-UnterstützerInnen und sogar ehemalige Führer und wird durch die indische Beteiligung im Norden gestützt und überschwemmt das tamilische Heimatland mit singhalesischen Soldaten und SiedlerInnen. In Südindien – Tamil Nadu – gibt es immer noch Verbitterung wegen dem Schicksal der tamilischsprachigen Bevölkerung in Sri Lanka.
33. Wir haben immer darauf beharrt, dass wenn die nationalen Bestrebungen der tamilischsprachigen Bevölkerung nicht befriedigt werden, das gegenwärtige mürrische Akzeptieren ihres Schicksals schließlich einem neuen Aufschwung von Widerstand Platz machen wird, besonders unter der Jugend. Aber das ist nicht die unmittelbare Perspektive. Die beträchtliche Stimmenzahl für Nichtregierungsparteien bei den Wahlen im April dieses Jahres war eine kleine Widerspiegelung der Verbitterung, die sich in der Zukunft entflammen kann. Rajapakses Entscheidung, „die Festigung der Macht seiner Familie über eine zutiefst benötigte Versöhnung mit einer gekränkten tamilischen Minderheit zu stellen, ist eine Entscheidung, die Sri Lanka ausgiebig bereuen wird“ („The Economist“ vom 11. September 2010).
34. Auf einer kapitalistischen Grundlage gibt es keine Lösung für die nationale Frage auf Sri Lanka. Es ist eine Herausforderung für unsere kleinen Kräfte, mit der Hilfe der Internationale im tamilischen Norden Unterstützungspunkte zu schaffen und unsere dezimierten Kräfte im Süden wieder aufzubauen.
35. Das CWI hat das Rajapakse-Regime lange als eine „verschleierte Diktatur“ bezeichnet oder als Regime mit dem Feigenblatt der Demokratie. Das Ende des Krieges hat keine Lockerung, sondern eine Verstärkung der Diktatur bedeutet. Es gibt jetzt mehr bewaffnete Kräfte auf den Straßen als während der langen Jahre des Bürgerkrieges. Der Haupt-Oppositions-Bewerber bei den Präsidentschaftswahlen, Fonseka, bleibt unter Arrest, und es werden genug Anklagen gegen ihn erhoben, um ihn für den Rest seines Lebens wegzusperren.
36. Die „Achtzehnte Änderung“ zur Verfassung des Landes wurde am 8. September durch das Parlament gepeitscht – ein „schwarzer Tag“ für Sri Lankas Demokratie, an dem es Demonstrationen seitens aller Oppositionskräfte des Landes gab, einschließlich getrennter Proteste der singhalesischen JVP, die früher in einer Koalition mit der herrschenden Sri Lanka Freiheitspartei war. Die JVP behauptet immer noch marxistisch zu sein, lehnt aber die Selbstbestimmung für die tamilischsprachige Bevölkerung ab. Sie hat jedoch ihre Propaganda als Vertreterin der singhalesischen Volksgruppe abgeschwächt bei dem Versuch, tamilische Unterstützung zu erlangen – wobei sie argumentiert, dass die LTTE nichts für sie erreicht habe.
37. Die führende kapitalistische Oppositionspartei Vereinigte Nationalpartei geht gegenwärtig durch eine größere innere Krise. In der Oppositionsbewegung, die sich entwickelt hat, bietet sie keinen Ausweg. Bei der Abstimmung über die „Achtzehnte Änderung“ enthielt sie sich im Parlament nur ihrer Stimme. Genug Oppositionsparlamentarier stimmten mit der Regierung, entweder für Geld oder ihre persönliche Karriere, damit die Änderung verabschiedet werden konnte. Selbst die Führer der Überbleibsel der linken Arbeiterparteien stimmten dafür – gegen die Entscheidungen ihrer eigenen Zentralkomitees.
38. Die Verfassungsänderung, die Mahinda Rajapakse erlaubte, so oft er will als Präsident zu kandidieren, erhielt die notwendige Zweidrittelmehrheit. Es wurde darüber aber nicht, wie es bisher vom Gesetz gefordert wurde, ein Referendum abgehalten. Richter, die klar unter dem Einfluss des Präsidenten standen, urteilten, dass dies nicht notwendig sei. Die Verfassungsänderung gibt dem Präsidenten Macht über nicht weniger als 90 Institutionen und letzte Entscheidungsbefugnis über alle Ernennungen in Staatsdienst, Rechtswesen und der Polizei.
39. Rajapakse bedeutet wörtlich „Königspartei“! Seine Brüder und andere Familienmitglieder sind fest in dem Herrschaftssystem integriert. Dagegen gab Mahinda den Befehl, mehr als 60.000 der Ärmsten aus der Hauptstadt Colombo zu vertreiben. Sie werden auf dem flachen Land abgeladen, ohne Mittel für ihren Lebensunterhalt. Dies ist eine Art sozialer Säuberung.
40. Seit die Rajapakse-Regierung an die Macht kam, war der größte Protest, der stattgefunden hat, in Colombo im Oktober gegen die Gefangenschaft des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten, den früheren Armeegeneral Sarath Fonseka. Mehr als 10.000 Menschen demonstrierten und gingen zum Hauptgefängnis von Colombo, wo Fonseka festgehalten wird. Fonseka wurde nicht von einem normalen Gericht in Sri Lanka verurteilt, sondern von einem von Präsident Rajapakse ernannten speziellen Kriegsgericht.
41. UniversitätsstudentInnen sind in einer furchtlosen Kampagne gegen die Einführung von Privatuniversitäten durch das Regime eingetreten. Rajapakse hat einen uneingeschränkten Krieg gegen die Studierendenbewegung unter dem Einsatz der Polizei begonnen. Studierende wurden verhaftet und Hunderte von den Universitäten suspendiert. In dieser Lage wurde eine vereinigte Opposition gebildet – eine Aktionsfront zum Kampf gegen die Militär-und Polizeidiktatur der Rajapakse-Regierung und für die Verteidigung der demokratischen Rechte der ArbeiterInnen und Studierenden.
42. Da die Preise immer noch emporschnellen, Arbeitsplätze nicht entstehen und Löhne niedrig gehalten werden, wird die Arbeiterklasse von Sri Lanka früher oder später wieder in die Offensive kommen. Nur eine Massenbewegung kann jetzt die Diktatur stürzen. Unsere Vereinigte Sozialistische Partei ist durch eine der schwierigsten Perioden ihrer Existenz gegangen – zahlenmäßig geschwächt, aber so stark wie je in ihren politischen Ideen und Kampfbereitschaft und unbefleckt in ihrem Ruf, die Rechte aller ArbeiterInnen und Armen zu verteidigen.