Tarifabschluss bei Volkswagen

Da war mehr drin!


 

Die rund 100.000 Beschäftigten der Volkswagen AG erhalten ab Mai dieses Jahres 3,2 Prozent mehr Geld. Dieses Ergebnis der in der Nacht zum Dienstag abgeschlossenen Haustarifverhandlungen erscheint auf den ersten Blick vergleichsweise positiv. Zieht man jedoch die – für die IG Metall außerordentlich günstigen – Rahmenbedingungen in Betracht, fällt die Bilanz kritischer aus.

von Daniel Behruzi

Volkswagen ist der Gewinner der Krise. Zwar ist der tiefe Absatz­einbruch im Frühjahr 2009 auch an dem Wolfsburger Autobauer nicht spurlos vorbeigegangen. Im Vergleich zur Konkurrenz erholte sich der Konzern aber sehr schnell, unter anderem aufgrund der Abwrackprämie, die vor allem den Fahrzeugverkauf im von VW dominierten Massensegment ankurbelte. Während Branchenprimus Toyota – den VW-Chef Martin Winterkorn bis 2018 von der Weltspitze verdrängen will – mit Rückrufaktionen weitere Negativschlagzeilen produziert, drängt VW scheinbar unaufhaltsam nach vorn. Allein in den ersten neun Monaten 2010 lieferte der Konzern 5,4 Millionen Fahrzeuge aus, 12,9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der VW-Anteil am Weltmarkt liegt bereits bei 11,6 Prozent – Tendenz weiter steigend.

Der Laden brummt also. Möglich gemacht haben das vor allem die Beschäftigten. Die Ausgangslage von VW im internationalen Konkurrenzkampf hat sich durch extrem flexible Arbeitszeitmodelle und im Jahr 2006 durch die Schlechterstellung von Neueingestellten deutlich verbessert. Jetzt wäre die Gelegenheit gewesen, den Belegschaften ihren verdienten Anteil am Boom zu sichern. Die Trümpfe beim Tarifpoker waren jedenfalls allesamt in den Händen der IG Metall. Der Konzern kommt bei den Auslieferungen kaum hinterher. Selbst begrenzte Arbeitsniederlegungen hätten in dieser Situation enormen Druck erzeugt. Doch die gewerkschaftlichen Verhandlungsführer haben darauf verzichtet, dieses Potential zu nutzen. Schon in der dritten Verhandlungsrunde und ohne Warnstreiks akzeptierten sie den nun vorliegenden Kompromiss.

Das Ergebnis liegt – das betont das VW-Management mit Recht – nicht allzu weit über dem Flächentarif für die Metall- und Elektroindustrie. Dort werden die Löhne und Gehälter nach einer Nullrunde dieses Jahr um 2,7 Prozent erhöht. Die 3,2 Prozent bei VW sind nur unwesentlich mehr, obwohl der Flächentarifvertrag mitten in der Krise abgeschlossen wurde. Die zusätzlich vereinbarte Einmalzahlung von einem Prozent des Jahresgrund­entgelts, mindestens 500 Euro, ist zwar ordentlich, aber eben einmalig und nicht dauerhaft wirksam.

Letztlich hat die IG-Metall-Spitze mit dieser Vereinbarung die Logik des VW-Managements akzeptiert, der Konzern dürfe gegenüber den dem Flächentarif unterliegenden Wettbewerbern nicht benachteiligt werden. Sie hat damit aber die Gelegenheit verpasst, endlich für deutlich steigende Reallöhne zu sorgen. Volkswagen hätte hier den Anfang machen können.

Der Artikel erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt vom 9. Februar 2011